50 Jahre Bundeswehr – Und meine persönlichen Gedanken dazu

Auf der Suche nach einem halbwegs interessanten Fernsehprogramm zapte ich
mich vorgestern so durch die mit Mist und Müll verstopften Kanäle, bis ich
durch Zufall bei einem Politiksender ankam und mitten in den Beginn des
Festaktes zum 50jährigen Bestehen der Bundeswehr hineingeriet.

Anfangs war
ich mir nicht ganz sicher, ob ich das wirklich interessant fand, aber es war
etwas „ruhiges“ und so ziemlich das einzige, das man um diese Morgenstunde
bei eingeschaltetem Ton ertragen konnte… Also hörte ich einfach mal zu,
und während Struck – der ja wirklich unglaublich alt geworden ist – und
Schröder so ihre Abrisse zur Geschichte der Bundeswehr und ihrer Bedeutung
zum besten gaben, verselbständigten sich meine Gedanken auf eine weitgehend
unpolitische Ebene, nämlich auf meine ganz persönlichen Erfahrungen zum Thema
„Bundeswehr“ und dazu, wie sich meine Sicht diesbezüglich mit den Jahren
verändert hat und wodurch.

Meine ersten Erinnerungen beziehen sich auf ein paar harmlose Illegalitäten
wie zum Beispiel die bei uns zu Hause so genannten „Bundeswehrkekse“,
kleine, dicke Quadrate, zum Zähneausbeißen hart und mit kleinen Löchern
drin. Vielleicht kennt die noch wer? Ich mochte die jedenfalls immer total
gern, und auch so abgepackte Fertiggerichte, ziemlich nahrhaft und so weit
ich beurteilen kann auch relativ gesund… Jaja, so unreflektiert ist man
als Kind. So gesehen war der Bund schon klasse!

Von all den Debatten, die ja auch schon lange vor meinr Geburt debattiert
wurden, bekam ich natürlich nichts mit. Sollte es nun eine Wehrpflicht geben
oder nicht? Was sollten die Aufgaben der Bundeswehr sein? Ich kriegte immer
nur mit, daß Männer eben da hin müssen, ein ehernes Gesetz. Erst als ich
ins Gymnasium kam, hörte ich überhaupt jemals von
„Kriegsdienstverweigerern“, die sich irgendwann in „Zivildienstleistende“
verwandelten…

Wie war es nun aber wirklich beim Bund? Dahinter war nicht so recht zu
kommen. Meine ersten bewußt getroffenen Bundeswehrsoldaten begegneten mir
dann regelmäßig Sonntagsabends auf dem Weg von Gießen nach Marburg, von wo
sie noch weiter nach Stadt-allendorf fuhren, diese Bundeswehrsoldaten, und
auch manchmal auf dem Rückweg in die Gegenrichtung, dann oft bis Köln
hinunter. Das war das erste Mal, daß ich begriff, wie lange und weit diese
jungen Männer wirklich oft von zu Hause weg sein mußten.

viel Zeit für Mitgefühl nahm ich mir allerdings nicht, denn die Gespräche,
die sie im Zug vor allem zum Thema Frauen führten, fand ich unmöglich, und
sie führten sich oft auf wie ein Rudel wilder Affen. Mir gegenüber als
blinder Passagierin (jetzt mal auf das nicht sehen bezogen) waren sie
allerdings immer sehr hilfsbereit und freundlich. Dennoch schätzte ich sie
nicht so sehr, nicht zuletzt, weil ich seit den 80ern der Friedensbewegung
anhing und mit vielen in das Horn „Soldaten sind potenzielle Mörder“ blies.
Sie waren pllötzlich für mich chauvinistisch, sexistisch, und das ganze
System der Bundeswehr durch und durch hierarchisch und diktatorisch und
nicht für die entfaltung freien Denkens geeignet…

Erste Spuren des Umdenkens zeigten sich, als es die ersten jungen Männer in
unserer Familie gab, die tatsächlich und gegen die Überzeugung ihrer Eltern
*gern* und *freiwillig* ihren Wehrdienst antraten und sogar stolz darauf
waren. Mit ihnen fanden meine ersten Diskussionen – ich meine *wirkliche*
Diskussionen – statt, und zum ersten mal fiel zum Beispiel Licht auf die
Tatsache, daß man beim Bund nicht nur das Ballern und auch nicht nur viel
beschworene „Zucht und Ordnung“ lernte, sondern sich in vielen anderen
Bereichen bilden konnte, seien es nun handwerkliche, verwaltungstechnische
oder gar haushaltliche Fähigkeiten! Ich war baff! Von so etwas hörte ich zum
ersten mal, und auch das Argument, die Bundeswehr als nützliches Sprungbrett
fürs spätere Berufsleben nutzen zu können, war mir neu. Und als sich einer
der beiden besagten noch entschloß, Berufssoldat zu werden, was er bis heute
noch ist, da bekam mein friedensbewegtes und unhinterfragtes Weltbild echt
Risse. Ich bin auch heute noch gegen unnützen Gebrauch von Waffen und Gewalt
als erstes Mittel, aber meine Ansichten sind doch wesentlich
differenzierter.

Zwei wirkliche Wendepunkte in meiner Meinung zur Bundeswehr gab es dann Ende
der 90er und zu Beginn dieses Jahrtausends. vor allem sind hier die
Überschwemmungen 2002 an der Oder zu nennen. Der Einsatz der
Bundeswehrsoldaten, ihre Gelassenheit und Tatkraft, haben mich tief
beeindruckt. Wahrscheinlich war dies nur einer von mehreren einsätzen dieser
Art, der das Glück hatte, von den Medien ausgeschlachtet zu werden, doch
dieses Ereignis ließ mich wirklich darüber nachdenken, ob die Soldaten
wirklich all die Beschimpfungen verdient hatten, die wir ihnen zukommen
ließen. Da gab es kein fragen: Helfe ich oder helfe ich nicht? Keine kleine
Spende und ein „geht mich nichts an“. Da wurde Knochenarbeit geleistet, und
das noch dazu mit der Fähigkeit, den Menschen Mut zu machen. Das habe ich
bis heute nicht vergessen. Manch einer mag das selbstverständlich finden,
aber ich kann das nicht sagen. Vielleicht die Arbeit an sich, aber nicht der
wirkliche und ehrliche Einsatz.

Und schließlich war da noch Eckehart, den ich im Seminar zur
Sterbebegleitung kennenlernte und ganz gewiß nicht für einen engagierten
Offizier der Bundeswehr gehalten hätte. Doch er war es mit Leib und Seele,
und er wußte auch, was es bedeutet, in Krisensituationen zu stehen, verließ
er doch seine Familie, um als ausbilder den Soldaten im Kossowo zur
Verfügung und zur Seite zu stehen. Ich bin sicher, daß er es mit Bravour
gemeistert hat, auch wenn ich danach nichts mehr von ihm gehört habe. Aber
ich sehe ihn vor mir, einen einfach nur menschlichen, klugen und sehr
sanften Mann, der Zeit fand, das ungestört gedeihende Pflanzenwachstum
seltenster Kräuter und Pflänzchen auf Truppenübungsplätzen zu bewundern und
Menschen und Natur nie aus dem Blick zu verlieren.

Ich bin bei all diesen positiven Erfahrungen nicht zu jemandem geworden, der
nun die Bundeswehr kritiklos in den Himmel lobt, aber mein Bild hat sich
objektiviert und ich empfinde Respekt für die Arbeit der Soldaten und
Offiziere. Auch ich betrachte mit Sorge die Berichte von Gewalt unter den
Soldaten und der Ablehnung von Minderheiten wie Homosexuellen zum Beispiel,
und ich bin sehr gespannt, wie der Männerkosmos Bundeswehr auf Dauer mit
Frauen zurechtkommen wird. Aber letztlich ist es eine Gruppe von Menschen,
von „Bürgern in Uniform“ im besten Falle, und die haben Fehler und Schwächen,
wie alle anderen. Also herzlichen Glückwunsch, Bundeswehr, im wahrsten Sinne
des Wortes.

Ach, und auch das Bild gegenüber Frauen muß ich etwas relativieren: Immerhin
war es ein Bundeswehrsoldat, der mich auf einer Zugfahrt auf absolut clevere
und gewaltvreie Art und Weise von einem sehr zudringlichen Fahrgast
befreite. Aber dieser Trick wird hier nicht verraten. Dennoch: Vielen Dank
nochmal, falls du zufällig mitliest…

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Eine Antwort zu 50 Jahre Bundeswehr – Und meine persönlichen Gedanken dazu

  1. Richard K. sagt:

    Hi….
    schön zu hören das du deine Meinung über uns etwas geändert hast 😉
    Es kommt leider vor, das sich manchmal ein Soldat nicht so verhält, wie er es sollte, aber Weg von Freundin/Frau und Familie, Freunde, das lässt manchmal die Freude am Wochenende überschäumen.
    Ich will auch gar nicht auf die einzelnen Kommentare antworten, es hat einfach nur mal Spaß gemacht etwas von den Leuten aus der „Nähe“ zu hören. Denn man fragt sich oft, wer da alles so im Zug sitzt, und was sie so denken.

    Schönen Tag.
    Ein Soldat aus Neustadt (Kr. Marburg)

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