Nachtgedanken: Brauchen wir Religion wirklich?

Vielleicht haben sich manche schon gefragt, warum ich so viel blogge? Ganz einfach: Ich bin im Augenblick allein und habe Zeit.

Deshalb treibe ich mich im Wahlblog und auf anderen interessanten Seiten rum. Meine Liebste nämlich ist zu einer Freundin gefahren, die heute ihre Baptistentaufe hat. Sie kam vom Katholizismus und lässt sich jetzt in einer Freikirche taufen. Dagegen lässt sich ja vielleicht nicht viel sagen, aber ich bin ein alter Religionskritiker. In meinem Archiv kann man nachlesen, dass ich mich mal für die Anti-Scientology-Bewegung im Internet engagiert habe. Mir ist auch noch sehr wohl der kommunistische Satz im Ohr: „Religion ist Opium für das Volk“. In meiner Kindheit, im Internat, da wurden wir nach religiösen Grundsätzen erzogen, und wenn wir unartig waren, waren wir unartig gegen Gott. Wenn das auch nicht oft wörtlich gesagt wurde, so wurden die damit verbundenen Vorstellungen doch vermittelt.

Religion habe ich immer kennengelernt als ein Korsett, das die freie Entfaltung des Menschen im Diesseits verhinderte. Vor allem Frauen waren in der katholischen Religion davon betroffen, die ich, obwohl ich ihr nicht angehörte, als vorherrschend erlebte. Und mit der Verbannung von Lebensfreude und selbstständigem Denken konnte ich nie was anfangen. Und über die Scientologen weiß ich auch eine ganze Menge, bei denen muss man schon von faschistuiden Strukturen ausgehen…

Und jetzt also unsere Freundin, die sich als Baptistin taufen lässt. Vor der Gemeinde wird sie ihr Glaubensbekenntnis ablegen, wie sie zu Gott gekommen ist. Da der Katholizismus für sie nichts mehr war, sie war durchaus streng erzogen, suchte sie ein neues religiöses zu Hause. Ich habe mir die Website der Baptisten angesehen, und sie betonen sehr stark, dass sie auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Trotzdem gibt es natürlich auch in ihrer Moral Dinge, die mit unserem staatlichen Moralverständnis nicht vereinbar sind: Eheähnliche Gemeinschaften, Sex außerhalb der Ehe, Abtreibung und all diese der Sexualmoral zuzuordnenden Themen, und natürlich die Homoverbindung. Vom Einzelnen wird „aktives Leben in der Gemeinde“ verlangt. Wenn ich diese Sätze schon höre, schrillen bei mir die Alarmglocken. Warum kann es keine Religion geben, die sich auf „Gemeinsame Erfahrung Gottes“ oder so beschränkt? Warum muss immer auch in das persönliche Leben eingegriffen werden in tiefgreifender und intimer Weise? Religionen vermitteln, dass man nur ein guter Mensch sein kann, wenn man einem solchen Verein angehört. Damit sichern sie sich ihre Macht.

Aber warum brauchen Menschen unbedingt eine Religion? Die Geschichte hat doch gezeigt, dass sie mehr schadet als nützt! Ich fürchte, viele Menschen brauchen sie, weil sie sich unsicher fühlen ohne Halt, ohne eine Vaterfigur, die ihnen sagt, was sie tun sollen, wo es lang geht, was sie dürfen und was nicht. Manche betrachten Religion rein spirituell, einfach als Trost in schweren Zeiten. Auch wenn man so denkt, kann man beten und danken, aber man wird sich sein Leben nicht vorschreiben lassen. Damit kann ich irgendwie ganz gut leben, auch meine Liebste denkt so. Doch oft stürzt Religion die Menschen in schwere Konflikte und Nöte.

Ich kann nur hoffen, dass unsere Freundin in ihrem neuen Leben, von dem sie glaubt, dass es noch etwas näher bei Gott stattfinden wird, glücklich ist. Ich hoffe, dass sie sich die Eigenständigkeit nicht wird nehmen lassen, sofern das in einem streng religiösen Umfeld möglich ist.

Mir fällt noch was ein: Oft wird ja die These vertreten, dass eine Religion Grundwerte am Leben erhält, die in unserer schnelllebigen, nur auf Vergnügen und persönliche Entfaltung ausgerichteten Zeit sonst verloren gehen würden. Ich halte das für Unsinn. Religion *kann* einen solchen Zweck erfüllen, wenn man verantwortungsvoll mit ihr umgeht, aber welcher Mensch, der Macht über andere Menschen haben kann, würde das tun? Die Funktion des Bewahrers von bewahrenswerten Werten kann auch jeder Einzelne für sich übernehmen, auch wenn ich zugebe, dass es dann schwerer ist, als in der Gemeinschaft einer Religion. Das ist halt wahre Selbstverantwortung. Wir brauchen niemanden, der für uns denkt!

Ich glaube, wir haben unser diesseitiges Leben geschenkt bekommen, vielleicht ja wirklich von so etwas wie einem Gott. Aber der ist dann bestimmt ein Gott, der will, dass wir unser diesseitiges Leben nicht aufgeben, um einer Gruppe zu gehorchen, unsere Person einem scheinbar höheren Ziel hinzugeben. Wir sollten kreativ und tatkräftig aus diesem Leben etwas machen, für uns selbst und für andere Menschen. Und wir sollten uns die Lebensfreude nicht nehmen lassen, schon gar nicht von einer Religion.

Okay, das war sehr unzusammenhängend. Es ist schon spät!

Copyright © 2005, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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10 Antworten zu Nachtgedanken: Brauchen wir Religion wirklich?

  1. dointime sagt:

    „Aber warum brauchen Menschen unbedingt eine Religion? Die Geschichte hat doch gezeigt, dass sie mehr schadet als nützt!“

    Na ja, ob die Geschichte das gezeigt hat, lässt sich schlecht sagen, denn wir können sie schlecht noch einmal ohne Religionen ablaufen lassen. Aber selbst wenn – die Betrachtung des Nutzens dürfte bei kaum einem religiösen Menschen eine vorrangige Rolle spielen, denn es geht ja nicht darum, dass die Religion den Menschen besser macht, sondern das Zentrum der Religion ist die persönliche Beziehung zu Gott und die ist Selbstzweck und nicht Mittel zum Zweck.

  2. Ich finde, Religionen haben viel Leid über die Menschen gebracht. Sie haben oft ausgenutzt, dass Menschen eine Richtschnur ihres Handelns brauchen. So viele Religionen arbeiten mit Unterdrückung. – Ja, das Verhältnis, der direkte Draht zu Gott. Trotzdem denke ich, dass viele Menschen sich eben auch Religionen anschließen, um etwas besonderes zu sein, was sie von allen anderen Menschen abhebt, was sie besser macht, weil auserwählt. Und auch, weil sie wirklich eine Richtschnur für ihr Handeln wollen, Vorschriften, an die man sich halten kann. Warum sind Religionen eben nicht rein spiriueller Natur? Das wäre doch in Ordnung. Aber nein, sie stellen Lebensregeln auf, und manchmal welche, die mit dem menschlichen Gesetz in Konflikt geraten, weil dieses menschliche Gesetz toleranter ist als die Religiösen Gesetze.

  3. Hooby sagt:

    Der Glaube ist eine intellektuelle und emontionale Korruption.

    Wendet doch mal das Wissenschaftstheorie-Prinzip a la Karl Poper auf die Religionen an:

    -Problem auswählen (Der Mensch ist ein spiritueller Hungerleider, er sucht Sinn in der Überhöhung)
    -Hypothesen zur Lösung aufstellen (Religionen erfinden, Macht etablieren)
    -Verifizierung der Hypothesen (Experimente, Empirie, Erfahrung etc.)
    -Falsifizierung (alle möglichen Kritiken berücksichtigen etc.)

    Dann kann daraus nur folgen:
    Alle Religionen sind nach allen Regeln der Kunst ( Will hier heissen Kunst der Aufklärung, der Kritik, der Wissenschaft, der Wahrscheinlichkeit, der Geschichte, der Erfahrung etc.)
    suspendiert, entbehren jeder rationalen Grundlage, halten die „Behauptologien“ keiner Überprüfung stand.

    Selber als evang. Christ durch meine Eltern „Zangsgetauft“ und somit Zwangs-Mitglied einer autoritären Kirche geworden, um dann viel zu spät wieder aus zu treten, macht mir die Abwesenheit der Kritik zunehmend tiefe Sorge)

    Wendet dieses Popper Prinzip einmal auf die 3 wichtigen Säulen der Christenheit an, als da wären:

    -Es gibt einen Gott
    (Was immer „das“ auch sei, hat der Mensch „Ihm“ doch eine Menge Eigenschaften zugesprochen: (ein kurzes Brainstorming) Allmächtigkeit, Liebe, Strenge, allwissend, unergründlich etc.

    – Maria gebar als Jungfrau seinen Sohn (Ich bitte Euch, die Vorlage ist zu einfach)

    -Die Bibel unterscheidet sich von ALLEN Büchern der Menschheit dadurch, das es „Gottes Wort“ ist, zumindest die Schreiber oder besser Dichter durch „Ihn“ insperiert wurden.

    Wenn Du diese ersten Hürden der Gläubigkeit schon „überwunden“ hast, bzw. die Fragen nicht mehr stellst und die Antworten überprüfst, hast Du schon verloren.
    Diskussionen ob der jetzige Papst besser als der letzte ist, oder das ein „Werteverfall“ nur mit einem katholischem oder islamischen Glauben aufzuhalten ist, beinhalten schon die Korruption.

    War es nicht der olle Leibnitz der schon vor ein paar hundert Jahren schrieb: „Derjenige, der mir über diese Schlucht hülfe, die zwischen dem historischen Jesus und dem mythologischen Jesus besteht, verdient einen „Gotteslohn“

    Soviel ich weiss, brach sich die Aufklärung in Europa Bahn, als Lissabon von einem Tzunami heimgesucht wurde und die Frage gestellt wurde: Wenn Gott alles lenkt, hat er diese Katastophe auch gewollt?

    Was fragen Gläubige ihren Gott nach Ausschwitz?

    Er wird schweigen, wie sollte er auch antworten, wenn er nur als Projektion von Menschen für Menschen erfunden wurde.

    Chrislicher oder islamischer Fundamentalismus a la Bush oder Bin Laden wird die Welt nicht verbessern, ganz im Gegenteil.

    Es gibt ein paar Intellektuelle die die Aufklärung für gescheitert erklären, obwohl sie selber offenbar aufgeklärt sind. Warum hat es bei ihnen funktioniert und nicht bei einer besorgniserregenden grossen Mehrheit?

    Wir sind allein auf diesem wunderschönen blauen Planeten, in einem unbedeutsamen Seitenarm der Milchstrasse. Nur wir sind schuldig, wenn wir aus unserer Unmündigkeit nicht endlich den aufrechten unkorrupten Gang lernen.

    Hoffnung ist immer denkbar. (Vielleicht ist mehr nicht zu erwarten)

    Alles Gute Hooby

  4. Hooby sagt:

    Wer sich intensiver und viel besser formuliert mit Religionskritik beschäftigen will, empfehle ich:

    Peter Sloterdijk
    „Kritik der zynischen Vernunft“

    Ich bin kein Akademiker, deshalb war ich sehr froh einmal die konzentrierte Kritik, besonders an der christl. Religion in einem Buch zu finden. (Die Kritik schliesst dann alle Religionen ein, besonders die Monotheistischen.)
    Wer das gelesen hat, ist für jede Diskussion über Religion bestens gerüstet. (Seht den Priester stammeln…)

    Achtet darauf wie die Inhaber der „Absoluten Wahrheit“ mit ihren Kritikern umgehen.
    Die islamischen Selbstmordattentäter sind ein Armutszeugnis für den Islam.
    Was passiert mit jenen die dann verhaftet werden können. Sie kommen in den Knast als verurteilte Mörder und bleiben sich selbst überlassen.

    Ich würde ihnen den religiösen Teppich unter den Füssen wegziehen in einem öffentlichen Tribunal, im TV übertragen.
    Die kritische Aufklärung hat die besseren Argumente allemal, auch wenn „unsere Staaten “ nicht ungeschoren davon kommen können. Haben die Amis mit ihrem „Imperialismus“ den Terrorismus nicht erst gefördert? War nicht der letzte „gerechte“ Krieg der Amis der 2. Weltkrieg gegen die Nazis? Alle anderen danach ein Verbrechen? (Kissinger in den Knast!)

    Aber rechtfertigen Verbrechen Verbrechen?
    Sicher nicht.

    Ein islamischer Mörder bleibt ein Mörder. Dem würde ich den Glauben nehmen, ihn würden 17 Jungfrauen im Jenseits erwarten. Ihn erwartet die- selbe „schwarze Dunkelheit“ aus der er einst geboren wurde, so wie wir alle. (Verifizierbar!)
    Islamische Religionslehrer sollten ihm am Koran beweisen, das er den Islam missbraucht hat.
    Westliche Aufklärung könnte ihm den faschistischen Wahn klarmachen, dem er zum Nutzen von seinen machtgeilen Hetzern, gegen sein Leben und das von Unschuldigen einsetzt.
    Ich würde ihn mit seinen Opfern konfrontieren, mit deren Geschichte, deren Sorgen, deren Bildern, ihren Verwandten etc.
    Solange bis er sich wimmernd klar wird, das er nichts anders ist ein ein verblödeter, ausgenutzter Mörder. Der Rest, der dann noch von ihm bleibt kann dann weggesperrt werden.
    Dann machen wir den Prozess der Bush Administration und ihren Lobbyisten.

    So, und jetzt weisst Du auch warum es so nie stattfinden wird.

    (Nichts ist gewiss, nur die Blödheit der Menschen)

    Hooby

  5. Dazu gäbe es natürlich viel zu sagen. Ich glaube nicht, dass es uns möglich wäre, den islamischen Selbstmordattentätern den religiösen Teppich unter den Füßen wegzuziehen. Denn wer fest an etwas glaubt, der lässt sich auch nicht leicht überzeugen. Das habe ich gerade an dem sehr interessanten Gerichtsverfahren gegen Mohammed B. in Holland erlebt, dessen wichtigste Teile im Fernsehen übertragen wurden. Wir müssen uns damit abfinden, dass der Glaube ein Teil unseres Lebens und unserer Gesellschaft ist. Obwohl ich manchmal auch ziemlich antireligiös eingestellt bin, denke ich nicht, dass es realistisch ist, dass Popper-Prinzip auf die Religion anzuwenden. Diese nämlich lebt vom Glauben, nicht vom Wissen. Es ist nicht ihr erklärtes Ziel, etwas zu beweisen, auch wenn es immer wieder Leute gibt, die es versuchen. Es ist ihr erklärtes Ziel, dass Menschen ohne Beweise an die Lehren der Religion glauben. Dann nämlich, und nur dann, ist ihre Verbindung stark genug, um jeder Kritik zu widerstehen. Es gibt religiöse Menschen, die den Spagat zwischen Religion und Vernunft versuchen. Sie verdienen Respekt. Aber ich empfinde Religion immer wieder als Bedrückung, denn sie hat oftmals einen zu großen Allmachtsanspruch. Sie schwemmt die vernunft gebotene Toleranz hinweg, sie vernichtet Vielfalt. Andererseits gibt es Menschen, die um der Bewahrung der Schöpfung willen zum Umweltschutz kommen. Es gibt Menschen, die um Gottes Willen zum Widerstand gegen Diktaturen kommen und sich dort bis zum Tode engagieren. Relition ist nicht einseitig zu sehen, so gern ich das manchmal hätte.

    Danke für den Buchtipp.

  6. Hooby sagt:

    Hi Jens,

    die Verurteilung von Mohammed erfolgt ja recht schnell, da die Sachlage klar war und das Gericht seine juristische und humanistische Begründung formulierte, wie wir es in Europa auch erwarten können.
    Um aber zu Mohammed wirklich durch zu stossen, braucht es mindestens soviel Energieaufwand wie er aufgewendet hat, um zum radikalen islamischen Mörder zu werden. (Inklu. die Energie seiner „Lehrer“.)
    Wir müssen uns diese Zeit nehmen, denn den Kampf gegen diese faschistische Ideologie lässt sich nicht nur mit Polizeimassnahmen oder mit dem Militär lösen. Die Aufklärung mit ihren psychologischen, pädagogischen, ditaktischen und philosophischen etc. Methoden muss hier eingreifen.
    Wir brauchen mehr Ideologiekritik-Fähigkeiten bei unseren Studenten (+Empathie Schulungen), war nicht einer der London-Bomber ein Chemie-Lehrer? Hat Ada der Pilot des Terrors vom 9.11 Stadt und Landplanung studiert?
    Was nutzen der Welt-Gesellschaft Naturwissenschaftler, wenn sie so „einfach“ von mörderischen Ideologien missbraucht werden können?
    Ich glaube an die Universalität der Menschenrechte (Selbst ein Agnostiker wie ich kommt ohne „Glaubenssätze nicht aus.)
    Ich glaube an das „Schmerz-a priori und den kategorischen Imperativ. Damit lässt sich eine Weltregierung bauen.
    Kein gesunder Mensch will erniedrigt, ausgebeutet, geschlagen, diskriminiert, gefoltert oder gar umgebracht werden (Masochisten natürlich ausgenommen, die dürfen nicht an die Macht)
    Wenn Ideologien dieses rechtfertigen gehören sie bekämpft.
    Religiöse Ideologien schleichen sich fast unbemerkt in Dein Leben, und man darf nicht Konfliktscheu sein sie auch im Kleinen zu entlarven.
    Immerhin hat die Kritik der Religionsgeschichte einiges vorzuweisen, man muss es einfach mal zur Kenntnis nehmen. Was falsch ist, bloss behauptet wird, darf nicht einfach so stehen gelassen werden.
    Wenn islamische „Gottesstaaten“ 50% ihrer Intelligenz (Frauen) aussperrt von der Gesellschaft, sie unterdrückt etc, dann ist dem nicht mit falscher Toleranz zu begegnen.
    Wenn Katholiken das Gleiche im „gläubigen“ Sinn haben, gehören auch sie bekämpft und nicht im Rahmen der Religionsfreiheit toleriert.

    „Es ist ihr erklärtes Ziel, dass Menschen ohne Beweise an die Lehren der Religion glauben. Dann nämlich, und nur dann, ist ihre Verbindung stark genug, um jeder Kritik zu widerstehen.“

    Das eben macht Religion so beliebig im Gegensatz zur „Wahrheitssuche“. Jeder Kritik elastisch ausweichend hält sie sich fern jeder Überprüfung. Das eben ist Fundamentalismus, der bekämpft werden muss wie Rassismus, an jedem Frühstücktisch, in jedem Forum.
    Ich habe von Drohungen innerhalb der Zeugen Jehovas gehört, dass jeder in die Hölle kommt, der die satanischen Bücher der Kritik liest. Dieses Prinzip der Einschüchterung findest Du in jeder Form der Religionen. (Als Machterhaltungs-Prinzip) Das kann nicht toleriert werden.
    In den Staaten (Süden) gibt es einen verzweifelten Kampf von Biologie College-Lehrern, die fast aussichtslos gegen eine anwachsende Zahl von Studenten kämpfen, die aus fundamentalistischen Familien kommen. Diese bezweifeln die Erkenntnisse von Darwin (Evolution) und wollen biologische Wissenschaft betreiben mit nur der Bibel im Gepäck (Ich fasse es nicht, aber Bush kommt ja aus der gleichen Ecke)
    ( Der erste Mensch war Adam und der war vor 6.000 Jahren, hat mal jemand ausgerechnet, ja,ja…)

    Wir wissen, dass es keine absolute Wahrheit gibt, das die Suche danach ein ständiger Prozess bleiben wird, aber auf ein paar Gewissheiten können wir schon pochen.

    Wahrlich ich sage Euch, ich habe soeben die Zeit um 500 Jahre zurüchgedreht und dann unmerklich wieder in die Jetzt-Zeit. So schnell, das keine wissenschaftliche Methode es messen kann. Die, die an mich glauben kommen in den Himmel, die, die an mir Zweifel haben in die Hölle. So und jetzt überweist euerem Heiler und göttlichen Lehrer euer ganzes Geld, denn ihr seit noch nicht weise genung, es zu handhaben.

    Religionen haben nichts, aber auch garnichts in Gesellschaften verloren, die ich respektieren will. Wenn christliche Glaubenssätze in die europäische Verfassung hineingelangen, hat Europa einen neuen Gegner. (Frage mal in welchem Euro Land der Anti-Sementismus noch am popolärsten ist. Ja, Polen, tief katholisch und Woytola geil.) Wenn Stoiber und Merkel mir mit geheuchelten Glaubenssätzen kommen sollten, werfe ich mehr als verbale Stinkeier.

    Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren das das grosse Geschichtspendel wieder zurück schwingt, in voraufklärerische Zeiten, und uns alle sollte Angst und Bange werden. (Ziehe Dir mal die Argumentations Methoden der Hexenverfolgung rein.)

    Seit 2000 Jahren versucht das Christentum uns etwas zu verkaufen, was noch keine Sau gesehen hat. Ich werde niemals bereit sein diese menschliche Himmelsprojektionen als eigenständige, vom Menschen losgelöste Phänomene zu betrachten.
    (Die Bibel und der Koran sind von Menschen erfundener Text und daher fehlbar, wie der Papst.) Text bleibt Text.
    Wenn wir uns darauf einlassen, sind wir wieder im Mittelalter, wo Kritiker als Ketzer verbrannt wurden etc.( Allerdings muss die Inquisisitionsmacht mit der weltlichen Macht kolaborieren.)
    Vergiss nie: Der Antisementismus ist nicht denkbar ohne das Christentum, die haben diesen abscheulichen Rassismus erfunden. Das werde ich denen nie verzeihen.
    „Behauptologen“ werde ich immer angehen und nicht tolerieren.
    Aber vielleicht findet die Neuropyhsiologie noch das „Reli-Gen“ der spirituellen Hungerleider und der Leichtgläubigen, das wäre allerdings für die menschliche Geschichte fatal und der „clash of civilisation“ unausweichlich.

    (Der Schreiber kniet nieder und fleht: „Herr, schmeiss mehr Hirn herrunter, klar, auch für mich!“

    Jens, ich glaube Du solltest Deine Toleranz, Religion gegenüber, bei Gelegenheit nochmal überdenken.

    Ich bin Dir für Deine Geduld mit mir dankbar

    Hooby

  7. Hooby sagt:

    „Andererseits gibt es Menschen, die um der Bewahrung der Schöpfung willen zum Umweltschutz kommen. Es gibt Menschen, die um Gottes Willen zum Widerstand gegen Diktaturen kommen und sich dort bis zum Tode engagieren. Relition ist nicht einseitig zu sehen, so gern ich das manchmal hätte.“

    Ja, diese Menschen gibt es und gab es z.B. im Widerstand gegen den Nationalsozialismus und viele sind auf den Scheiterhaufen gelandet (Bruno) Scheinbar bewundernswert.
    Aber man sollte ausserdem nicht vergessen zu fragen, wie eine Gesellschaft aussehen würde, wenn sie die Macht bekommen hätten. (Französchische Revolutionäre>>>) Denke nur mal an die zweifelhafte demokratische Gesinnung eines Stauffenberg? Einige dieser Öko-Kämpfer, mit ihren (unseren) hehren Zielen würden vielleicht zu Öko-Faschisten mutieren, wenn sie an die absolute Macht kämen.

    Das, was Du angeführt hast, könnte man auch unter den Begriff des Utilitarismuses zusammenfassen, indem die Ethik der Nützlichkeitslehre zur Maxime des menschlichen Handels gekürt wird.
    Sollten etwa Nazis die Deutschen Bundesbahn wieder managen?
    Wobei die Pünktlichkeit der Nazi-Reichsbahn nur ein Propaganda-Mythos ist.
    Nimm mir bitte meine Rhetorik nicht übel, sie ist nicht böse gemeint.

    Hooby

  8. Hallo Hooby,

    diese Diskussion wächst sich zu einer sehr interessanten Sache aus, und ich bin froh, dass einer meiner Artikel in diesem Blog eine solche Wirkung hat. Es gibt einige Punkte, in denen ich dir einfach zustimme, aber die Art deines Schreibens reizt mich auch ein wenig, einen Advokatus Diaboli herauszukehren.

    Ich bin mit dir der Meinung, dass man dem Terror nicht nur mit Polizeimaßnahmen begegnen muss, sondern auch mit Überzeugungsarbeit. Ich halte es nur für extrem schwierig, diese Menschen zu überzeugen. Wer sie möglicherweise überzeugen kann, sind gemäßigte Lehrer der eigenen Religion, denn sie lassen nichts außer der Religion gelten. Mohammed B. war viele Wochen in psychologischer Behandlung, zwecks Begutachtung. Die Leute im Piter-Baan-Centrum in Amsterdam haben aus ihm kein Wort rausgekriegt. Je mehr Unverständnis und Widerstand man ihnen in den Weg legt, ohne sie auch nur anzuhören, desto mehr vergraben sie sich in dieses „Wir-gegen-den-Rest-der-Welt“-Prinzip. Das ist keine Toleranz, das ist Vernunft.

    Auch Naturwissenschaftler begehen ihre Fehler, auch sie können radikal sein. Ein radikaler Anhänger der westlichen Werte kann ebenso Unmenschlichkeiten begehen, wie ein radikaler Katholik oder Moslem. Leider. Die Atombombe ist nicht von Gotteskriegern gebaut worden. Wissenschaft und Demokratie schützen nicht vor inhumanen Handlungen. Dessen sollten wir uns stets bewusst sein, und wir sollten unsere Handlungen immer daraufhin überprüfen, ob wir zur Bekämpfung eines Übels nicht zu denselben, verwerflichen Mitteln greifen!

    Auch ich glaube an das universelle Prinzip der Menschenrechte. Auch ich möchte gern eine „Weltregierung bauen“, die nach diesen Grundsätzen handelt, und zu diesem Thema habe ich mir viele Gedanken gemacht. Wir müssen aber dabei bedenken, dass wir damit Teilen der Welt, die gar nicht so klein sind, in kolonialistischer Weise Sichtweisen aufzwingen, die sie von Natur aus nicht kennt. Naturrecht heißt nicht überall auf der Welt dasselbe. Nur, wenn wir die Anderen verstehen, ihre Beweggründe und Einstellungen uns bewusst machen, können wir die richtigen Schlüsse ziehen. Für einen Menschen wie Mohammed B. ist es tatsächlich eine tolle Sache, im Paradies von den Jungfrauen erwartet zu werden. Dafür war und ist er bereit, seine irdische Existenz zu beenden. Wir können und müssen das ablehnen, aber um richtig damit umgehen zu können, müssen wir es begreifen!

    Nebensatz zu den Masochisten: Wenn es „echte Masochisten“ sind, bezieht sich das auf ihre sexuelle Vorliebe. Im täglichen Leben, im Umgang mit allem Anderen, können sie genau so stark sein wie du und ich.

    Ich bekämpfe jede Ideologie, die Gewalt verherrlicht!

    Selbstverständlich ist es ein Verbrechen und absolut unhaltbar, wenn in islamischen Ländern oder in der katholischen Kirche oder in irgendeiner anderen Religion Frauen unterdrückt werden. Dasselbe gilt übrigens nach meiner Überzeugung auch für beispielsweise Homosexuelle und – kleiner Seitenhieb – Masochisten. Nur darf sich die wissenschaftlich geprägte Zivilisation moderner Aufklärung nicht hinstellen und von sich behaupten, die Wahrheit mit Löffeln gefressen zu haben. Was ist Wahrheit? Die Wissenschaft hat sie ebenso wenig wie die Religion. Die Wissenschaft wird unsere ganze Existenz hindurch nach ihr suchen und sich immer wieder irren, weil Leben und Wahrheit extrem komplex und vielfältig sind. Den Glauben an Gott durch den Glauben an die Wissenschaft zu ersetzen, den blinden Glauben, halte ich für fatal! Der Wissenschaftsglaube lehrt keine Mitmenschlichkeit und keine gegenseitige Hilfe, die gemeinschaft in einer Religion hat oft diesen positiven Nebeneffekt. Eine rein von der Wissenschaft geprägte Gesellschaft wäre kalt. In ihr würde beispielsweise das Klonen von Menschen erlaubt sein, damit sie jung, dynamisch, nichtbehindert sind, und damit dem ästhetischen Empfinden des empfindsamen Menschen keinen Schaden zufügen. In einer von Wissenschaft geprägten Gesellschaft ist nichts heilig und unantastbar, denn es ist machbar. Das sage ich jetzt nicht, um die Religion zu verteidigen, sondern um klar zu machen, dass die Gesellschaft der Naturwissenschaft und der modernen Vernunft nicht die alleinige Alternative sein kann, und dass es uns nicht gut ansteht, uns zu überhöhen. Wir müssen die Elemente einer Religion irgendwie in eine künftige positive Gesellschaft übernehmen, die die Menschen hier so schmerzlich vermissen. Dabei spreche ich jetzt nicht von den Unterdrückungen in den Religionen, die müssen weg! Aber Achtung vor dem Leben an sich, nicht einfach abtöten, weil möglicherweise eine Behinderung vorliegt. Ich beispielsweise bin blind und würde hier nicht schreiben, wenn man so verfahren würde. Mitmenschlichkeit und Gemeinschaftssinn, auch diese Werte der Solidarität müssen irgendwie Eingang finden in unsere von Ellenbogen und der Macht des Geldes geprägten Gesellschaft. Religion kann diese Mitmenschlichkeit im Kleinen vermitteln, in Gemeinden mit engagierten Priestern und Schwestern und Mitgliedern, aus ehrlichem Glauben heraus.
    Fazit meiner langen Rede: Wissenschaftsgläubigkeit kann genauso gefährlich sein wie Religionsgläubigkeit!

    Du sagst selbst, dass die Wahrheit ein ständiger Prozess ist, dass man aber auf ein paar Gewissheiten pochen kann. Welche Gewissheiten sind das deiner Ansicht nach? Und welche dieser Gewissheiten stellt die Religion an sich in Frage?

    Du bist ein Anhänger des radikalen Humanismus? Unter Umständen wirfst du mehr als verbale Stinkeier? Terrorismus für die wissenschaftliche Gesellschaft? Na, du solltest dich nicht auf eine Stufe stellen mit denen, die du bekämpfst!!!Die Schwäche und Stärke einer von Grundrechten geprägten Gesellschaft ist ihre Toleranz. Sie geht eben davon aus, dass sie gesellschaftsfeindliche Tendenzen auffangen kann, ohne die Leute zu vernichten, die sie haben. Du sagst ja auch: Ich respektiere keine Gesellschaft, in der Tendenzen vorkommen, die meiner Meinung nicht entsprechen. Aber gerade in einer freien Gesellschaft gibt es unterschiedliche Meinungen, und die muss man respektieren. Sie dürfen nur nicht so viel Macht bekommen, dass sie eben die Toleranz, die es ihnen ermöglicht, sich zu entfalten, zunichte machen. Im Eifer für Demokratie, Menschen- und Grundrechte dürfen wir sie nicht dazu benutzen, sie anderen Menschen streitig zu machen. Die Religionsfreiheit gehört zu den ältesten Grundrechten. Eine religiös geprägte Gesellschaft hat die Aufklärung erst hervorgebracht, so schmerzlich das für uns ist. Sie entstand in einer von christlichen und jüdischen Grundsätzen geprägten Gesellschaft, und nur zum Teil als Kritik an diesen Grundsätzen. Du wehrst dich gegen den Antisemitismus, aber ist dieser Antisemitismus nicht auch der Kampf gegen eine Religion und Kultur im Ursprung? Es geht um die jüdische Lebensweise, die stark durch ihre Religion geprägt ist. Es liegt nicht immer so einfach, wie man es gern hätte. Natürlich ist in Polen der Antisemitismus verbreitet, aber gerade Voytila hat dagegen versucht anzugehen, vor allem mit seinem historischen Besuch an der Klagemauer. Das ist so ziemlich das Einzige an diesem Papst, was mir gefallen hat. Er hat versucht, Frieden zwischen Christen und Juden zu stiften, und zwar mit großem Erfolg. Nein, ich kritisiere Religion, und zwar kräftig, und ich glaube, dass die Welt besser dran wäre, wenn sie sich auf die Spiritualität beschränken und nicht versuchen würde, Lebensregeln für Menschen zu entwickeln, mit Ausnahme von Mitmenschlichkeit und Lebensachtung vielleicht. Aber gerade als Demokrat und Anhänger der Grundrechte respektiere ich die Glaubensfreiheit, die ja auch den Glauben an ein weltanschauliches, nichtreligiöses Bekenntnis einschließt. Du hast das Recht, an Wissenschaft und Wahrheit und Vernunft zu glauben, wir beide dürfen zusammen an die Menschenrechte glauben, und Josef Ratzinger darf an seinen Gott glauben, wie viele Andere mit ihm. Was er nicht tun darf ist, aktiv dafür kämpfen, dass Frauen wegen der Erbsünde nur Bürger zweiter Klasse werden.

    Die Bibel ist nur Text, und Text bleibt Text. Das hast du gesagt. Als Advokatus Diaboli müsste ich jetzt sagen: Die Grundrechte sind von Menschen erfunden worden und zunächst einmal nur Text. Text bleibt Text! – Es ist eben unsere Sache, wie wir diesen Text bewerten. Text an sich ist zunächst einmal nicht schlimm! Niemand zwingt dich, an Heiligenerscheinungen und Himmelsprojektionen zu glauben, du hast deinen eigenen Verstand, du kannst auswählen, was für dich Wahrheit ist und was nicht. Aber selbst aufgeklärte und undogmatische Wissenschaftler werden dir sagen, dass sie für manche Phänomene keine Erklärung haben. Problem ist doch: Was wollen wir glauben? Was ist unsere persönliche Wahrheit? Die absolute Wahrheit gibt es nicht. Lass doch die Anderen glauben, was sie wollen. Solange sie niemandem schaden, soll es mir recht sein, und sie haben in einer freiheitlichen Gesellschaft jedes Recht dazu. Wir sollten nicht so viel Angst haben, sondern mutig die Auswüchse bekämpfen, die uns wirklich bedrohen! Religion ist gefährlich! Doch was daran gefährlich ist, ist das Machtbestreben der Führer, die selbst oft nicht Glauben. Die Leichtgläubigkeit der Menschen ist gefährlich, denn sie entsteht aus der verzweifelten Suche nach einem Lebenssinn, den die nüchterne, kalte Wissenschaftszivilisation, die uns Umweltkatastrophen beschert und uns in Kriege und Katastrophen stürzt, nicht bieten kann. Je größer der Einfluss der Religion wird, desto mehr muss sich unsere Zivilisation, unsere von Menschenrechten geprägte Gesellschaft einen Mangel vorwerfen lassen. Wir nämlich sind nicht in der Lage, den Menschen die Sicherheit zu bieten, die sie wollen und brauchen. Wir sind nicht in der Lage, ihnen Geborgenheit und Zuwendung zu bieten, denn viele suchen in einem Gott, der sie führt, genau das. Dies alles müssen wir verstehen, um Religion einordnen zu können.

    Das alles gilt natürlich für Religion an sich, nicht für die Auswüchse islamischen und christlichen Fundamentalismus, aber es muss auch dort in die Beurteilung einfließen.

    Hooby, ich bin tatsächlich ein großer Kritiker von Religion und Macht. Ich empfinde nur sehr geringe Toleranz Religionen gegenüber. Aber gerade die Grundrechte sind es, die mir ein Mindestmaß dieser Toleranz auferlegen. Wer Angst hat, greift zum harten Hammer. Wir sollten keine Angst haben, nur wachsam sein!

  9. Das Nest sagt:

    Auch religiöse Gesetze sind „menschliche“ Gesetze. Ich nehme an, Jens, daß Du weltliche Gesetze meinst. Dabei gebe ich allerdings zu bedenken, daß auch Diktaturen von menschen geschaffene Gesetze haben.

  10. Das Nest sagt:

    Auch weltliche Gesetze sind menschliche, also von Menschen gemachte Gesetze.
    Ich weiß, Jens, daß Du vermutlich menschlich im Sinne von „humanitär“
    meinst, aber auch Diktaturen haben unmenschliche und weltliche Gesetze
    gemacht, wie Du ja selber sagtest. Und manche Regeln religiöser
    Gemeinschaften sind durchaus humanitär. Und selbst, wenn man nicht diese
    Extreme bemüht, bleibt es schwierig: Schon zum Thema Bioethik gibt es sehr
    unterschiedliche ansichten, und alle oder einige würden den menschlichen
    Aspekt bei ihrer Argumentation in den Vordergrund stellen. Oder nehmen wir
    das Thema GeburtenkontrolleÂ… Was ist menschlich? Das nur zu dem Punkt, daß
    Religionen menschlichen Gesetzen zuwiderlaufen. Es mag wie eine
    Spitzfindigkeit klingen, aber ich finde es häufig, daß Menschen mit
    „weltlichen Gesetzen“ im Vergleich zu religiösen Gesetzmäßigkeiten schon aus
    Prinzip und ohne darüber noch nachzudenken „bessere Gesetze“ assoziieren.

    In ungefähr dieselbe Kerbe schlägt auch ein anderer Gedanke, der mir beim
    Lesen Eurer Diskussion kam. Ich stimme vollkommen mit Euch überein, daß
    Unterdrückung, systematische Verdummung (zum Beispiel, daß Mädchen nicht zur
    Schule gehen dürfen) und so weiter Verbrechen sind, die bekämpft werden
    müssen. Aber die Religionen als solche werden allzuoft zum Gegner gemacht,
    weil sich über sie gut schwafeln läßt, denn keine einzelne Person kann an
    ihren inneren Strukturen etwas ändern. Über so was kann man sich leicht
    echauffieren, darüber kann man theoretisieren und man kann sich
    anSensationen aufhängen. Ich sage nicht, daß ihr das tut. Im Gegenteil: ich
    finde Eure Diskussion konstruktiv. Aber wir neigen doch alle leicht dazu:
    Wir befassen uns mit den Tätern, drücken unser Unverständnis über ihre
    Religion und ihr Handeln aus, wobei wir unser Handeln ausklammern. Natürlich
    ist es schrecklich, daß ein Iraner in England seine Frau nie aus dem Haus
    ließ, sie einsperte bei geschlossenem Fenster und so weiter. Aber genauso
    schrecklich, wenn nicht auf eine gewisse Weise sogar noch schrecklicher ist
    es, wenn eine britische Behörde im Wissen um diese Umstände dieselbe Frau
    dann des Landes verweist und in ihr unterdrückerisches Heimatland
    zurückschickt, weil sie nicht regelmäßig dort vorgesprochen und einige
    Papiere nicht ausgefüllthatte, obwohl klar war, daß sie keine Möglichkeit
    hatte, die Sprache zu lernen.

    Es ist schrecklich, daß es Ehrenmorde gibt, die eine Religion begrüßt und
    ganz toll findet, aber es ist genauso schrecklich, daß sich Juristen ganz im
    Ernst darüber unterhalten dürfen, ob das nun überhaupt ein Mord ist oder
    nicht doch vielleicht einen besonderen Straftatbestand erfüllt, weil das in
    dieser Kultur nun mal so seiÂ…

    Die Religionen sind schrecklich, und es ist schlimm, daß man ihrem Tun und
    Treiben in den Ländern oft tatenlos zusehen muß, wo sie Staatsreligion oder
    sonstwie weit verbreitet sind, und das gilt für Christen, Juden oder
    Muslime. Aber ich finde unsere Europäische und allgemein westliche
    Zurückhaltung, um nicht zu sagen Gleichgültigkeit, fast noch schlimmer. Und
    meiner Ansicht nach ist der Grund nicht in der Hauptsache falsch verstandene
    Toleranz, die es, da geb ich Dir recht, Hooby, auch gibt, sondern vielmehr
    gleichgültigkeit und Hilflosigkeit und Angst, sich einzumischen. Es genügt
    doch, wenn man empört ist, wenn man sagt: „Also die Religion muß weg!“ Dabei
    wird aber nicht in unsere Häuser geschaut, nicht auf die Männer, die auch
    hier vielleicht noch lieber sähen, daß Frauen wieder „etwas weiblicher“
    wären, will sagen etwas fügsamer. Warum kriegen sie hier noch weniger Rente
    als Männer? Warum gibt es hier Prostituierte aus östlichen Ländern, warum so
    viele 0190er Nummern, wo Männer endlich das haben können, was sie öffentlich
    von ihren Frauen nicht mehr fordern dürfen? Das nur mal so ganz provokativ
    am Rande. Religionen lassen sich aber eben einfacher verurteilen, weil ihre
    Gesetzmäßigkeiten klar auf dem Tisch liegen und für „aufgeklärte“ Leute
    nicht viel dazu gehört, sie schrecklich zu finden. Das *muß* man schließlich
    einfach!

    Wie gesagt: Ich will totalitäre und phanatische Religionsgruppen ganz sicher
    nicht verteidigen, aber wir könnten besser gegen sie vorgehen, wenn wir
    unsere eigenen Unzulänglichkeiten mit diesem Thema in den Vordergrund
    rückten, jedenfalls ab und an. Natürlich sollte man sie auch nicht schalten
    und walten lassen, wenn man die Möglichkeit hat, konkret was zu unternehmen.
    Gar keine Frage. Aber wenn wir selber unsere Gedanken von Demokratie und
    Gleichberechtigung und Menschenrechten glaubhafter vertreten würden, dann
    wären unsere ansichten vielleicht auch für andere atraktiver. Gläubige
    Menschen stehen oft wenigstens zu dem, was sie glauben, so unmöglich uns das
    erscheinen mag. Aber wer kann angesichts amerikanischer Politik zum Beispiel
    ernsthaft von Weltfrieden reden, an gleiche Rechte für alle glauben? Oder
    was passiert so langsam mit unserem Sozialstaat? Daß wir selber nicht
    glaubwürdig sind, ist ein gefundenes Fressen für radikale Priester. Etliche
    Türken lebten in dem Viertel, wo ich geboren wurde, und keiner Frau war es
    erlaubt, ohne Kopftuch unterwegs zu sein, manchen nicht mal, sich mit uns zu
    unterhalten. Aber eine Auseinandersetzung mit den Leuten wurde immer
    gescheut. Man war dagegen. Klar. Aber glaubwürdig wäre doch, wenn man auch in
    der Lage ist, das nach außen zu tragen, ein sichtbares Zeichen zu setzen.
    Klar erfordert das manchmal mehr Mut, als man hat. Aber dazu sollte man dann
    wenigstens stehen und sich klar machen, daß man in dem Falle auch nichts
    dagegen tut, daß es so bleibt.

    So, genug doziert. Ich verstehe nicht viel von der großen Politik, und erst
    recht kann ich sie nicht ändern, aber ich kann versuchen, selbst glaubwürdig
    zu sein. Und ich muß sagen: ich versuche nicht, jemanden zu bekehren – aber
    mir selbst hilft meine Spiritualität dabei.

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