Gnade, Recht und Vergangenheitsbewältigung – vom schwankenden Verständnis für die RAF und ihre Mitglieder

Am 27. März wird die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt nach 24 Jahren aus der Haft entlassen. Das Oberlandesgericht Stuttgart entschied, dass die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Ein Sturm der Entrüstung ging daraufhin durchs Land, und ich mache mir dazu meine eigenen Gedanken.

Es war eine Zeit voller Angst und Hass, dieser Herbst 1977, als Brigitte Mohnhaupt mit ihren Kumpanen den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer entführte und schließlich ermordete, um die Freilassung der ersten RAF-Generation aus dem Gefängnis von Stuttgart-Stammheim zu erpressen. Während Dieser Auseinandersetzung, in deren Verlauf ein palästinensisches Kommando auch eine deutsche Lufthansa-Maschine unter ihre Kontrolle brachte, die dann in Mogadischu von der GSG9 gestürmt wurde, kamen Hanns-Martin Schleyer, sein Fahrer, drei Begleitpolizisten, ein niederländischer Polizist, drei palästinensische Terroristen und die in Stammheim einsitzenden Führungspersönlichkeiten der RAF, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, ums Leben. Für die Republik war dies eine Zäsur. Bedenkt man, dass es in diesem Jahr 1977 schon einige weitere tödliche Anschläge der RAF gegeben hatte, so kann man sich den Aufruhr über die beschlossene Freilassung der Kommandoführerin von damals bis zu einem gewissen Grad durchaus erklären. Angehörige der Opfer wehren sich vehement gegen die Freilassung der Ex-Terroristin, während das Gericht betont, dass von Brigitte Mohnhaupt keinerlei gegenwärtige oder zukünftige Gefahr mehr ausgehe. Die Hinterbliebenen verlangen eine Entschuldigung, und erst, wenn sie diese annehmen würden, sollte über eine Begnadigung der Terroristen, die noch einsitzen, nachgedacht werden können. Hingegen sagen Politiker der SPD und der F. D. P., dass es hier nicht um Gnade geht, sondern um die Einhaltung unserer eigenen Gesetze. Dem kann ich nur zustimmen.

Was wäre die Bundesrepublik Deutschland für ein Staat, wenn es der Zustimmung der Angehörigen von Opfern oder der Opfer selbst bedürfte, um Straftäter nach der Verbüßung ihrer Haftstrafe auf freien Fuß zu setzen? Politik und Gesellschaft haben immer wieder betont, dass es sich bei den RAF-Terroristen um gewöhnliche Kriminelle, nicht um politische Gefangene handelt. Jeder Kriminelle wird aber nach dem Ende seiner Haftstrafe entlassen, und in den meisten Fällen finden wir das auch gut so. Natürlich wäre eine Reuebekundung wünschenswert, und Brigitte Mohnhaupt scheint keinerlei Reue zu empfinden. Für die richterliche Entscheidung aber, ob die Strafe jetzt zur Bewährung ausgesetzt wird, ist das unerheblich. Anders wäre das bei der Entscheidung des Bundespräsidenten über ein Gnadengesuch, wie es der ebenfalls an der Schleyer-Entführung beteiligte Christian Klar an Bundespräsident Horst Köhler gestellt hat. Hier kann für das Staatsoberhaupt durchaus entscheidend sein, wie der Verurteilte denn inzwischen zu seinen Straftaten steht. Würden wir ein solches Reueverhalten von allen Straftätern einfordern, würden wir uns vom Rechtsstaat hin zum Gnadenstaat bewegen. Gnadenstaat hieße aber auch Willkürstaat, und dies zumindest sollte in einer Demokratie nicht geschehen. Daher ist es schon aus einfach-rechtlichen Erwägungen heraus sinnvoll und geboten, Brigitte Mohnhaupt jetzt freizulassen.

Für mich persönlich hört hier der Gedankengang aber nicht auf. Über viele Jahre hinweg habe ich versucht, meine Meinung über die RAF und ihre Aktionen zu definieren, und ich bin dabei immer wieder Schwankungen unterlegen. In meiner besonders Linken Zeit, mitte bis Ende der achtziger Jahre, habe ich eine gewisse Sympathie gerade für die erste RAF-Generation empfunden. Ich Sah vor allem Ulrike Meinhof als ein Opfer der Gesellschaft und ihrer konservativ-faschistoiden Ordnung. Nach dem Wenigen, was ich über sie wusste, lebte sie immer im Spannungsfeld zwischen der Gruppe und der Menschlichkeit ihrer halbwegs bürgerlichen Existenz. Ihre journalistischen Leistungen, der Offene Brief an die Frau des Schah von Persien vor dessen Besuch 1967, mit dem die Studentenrevolte ihren Anfang nahm, ihr Eintreten für Gerechtigkeit und das Aufbrechen der verhärteten Strukturen der Adenauerzeit haben mich damals sehr beeindruckt. Daher betrachtete ich ihren Weg in den Untergrund als Hinweis darauf, dass ihr keine andere Wahl geblieben war, dass ihre Verzweiflung ein anderes, gesellschaftskonformeres Handeln unmöglich machte. Mit Ulrike Meinhof habe ich auch immer die erste Generation der RAF in einen Topf geworfen.

Später dann, als ich begann, mich auch mit Sekundärliteratur zu beschäftigen, als ich die Stellungnahmen der RAF mir tatsächlich durchlas, erfasste mich das kalte Grausen. Ich hatte eine klare Sprache und die eindeutige Verurteilung tatsächlich ungerechter Zustände erwartet. Stattdessen las ich die verquasten, unverständlichen Auslassungen hoch intelligenter, verwöhnter Wohlstandskinder, die in dem Wahn lebten, sich mit ihren Aktionen mit der dritten Welt zu solidarisieren, von deren Problemen sie in keiner Weise Ahnung haben konnten. Das Auftreten vor allem Andreas Baaders ließ auch eher darauf schließen, dass er – bei aller Solidarisierung – schicke Autos, extravagante Kleidung und Schmuck nicht missen wollte. Und dann kam ein weiterer Widerspruch hinzu, der mich jegliche Sympathie mit der RAF vergessen ließ. Die Rotarmisten hatten behauptet, gegen die immer noch aktiven Nazis zu kämpfen, sie fühlten sich den Vätern haushoch überlegen, vor allem moralisch. Die Naziväter waren grausam gewesen, man selbst war aber gerecht. Fragt man allerdings nach dem Hauptfeind der RAF, so stößt man neben den eigenen Vätern schnell auf eine Gruppe, die die Nazis auch bekämpft hatten: Die Juden. Bei der RAF hieß der Feind Israel und Zionismus. Man setzte die oftmals überzogene und überspannte Politik Israels mit dem Faschismus in Deutschland gleich. Und ich hoffe, dass sich jeder vernünftig denkende Mensch mit mir einig darüber ist, dass es trotz aller berechtigter Kritik an der israelischen Regierungspolitik ein Ding der Unmöglichkeit ist, Israel des Faschismus zu beschuldigen. Das hieße, die Opfer von Buchenwald und Auschwitz Nazis zu nennen. Terrorismus, so meine feste Meinung, kann niemals ein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele sein. Dass ich hier nicht auf die Feinheiten der Unterschiede zum Tyrannenmord und damit zum rechtfertigenden Notstand eingehen möchte, um die Sache nicht noch komplizierter zu machen, ist hoffentlich verständlich.

In den letzten Monaten allerdings zeichnet sich bei mir erneut ein Umdenken ab, dem ich selbst eigentlich noch sehr kritisch gegenüberstehe. Ich habe mich immer für einen politisch informierten und bewanderten Menschen gehalten, und deshalb habe ich immer an unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geglaubt. Meine Ansicht war es immer, dass unsere Verfassung mit ihren ausformulierten Menschen- und Bürgerrechten nach den Erfahrungen der Nazizeit in unserem Volk tief verwurzelt ist, was natürlich auch für unsere politische Klasse gilt. Und letztendlich gibt es ja noch den Hüter der Verfassung, das Bundesverfassungsgericht. Ich glaubte irgendwo tief drinnen trotz aller Krisen und Probleme an die Selbstreinigungsprozesse in unserem Land. Dieser Glaube ist in den letzten Jahren allerdings tief erschüttert worden. Es begann mit einer einfachen, aber tiefgreifenden Erkenntnis im Jahre 2004. Mir wurde bewusst, dass unsere politischen Entscheidungen, im Gegensatz zu anderen Ländern wie den Niederlanden beispielsweise, nicht vom Parlament, sondern von der Regierung getroffen werden, die natürlich allen möglichen und unmöglichen Lobbyisten ausgeliefert ist. Die Beschlussfassung im Bundestag ist nur noch Formsache, denn aufgrund von Fraktionsdisziplin und Fraktionssolidarität stehen die Entscheidungen immer schon vor der Abstimmung fest, es sei denn, die Partei- und Fraktionsführung erklärt etwas zu einer freien Gewissensentscheidung. Ansonsten sind die Abgeordneten Stimmvieh. Das ist nicht besser als in den kommunistischen und sozialistischen Ländern, wurde mir klar, nur dass hier in Deutschland die Opposition schon mit eingeplant ist. Daher kann man sich auch eine freie Meinungsäußerung leisten, denn wenn die Opposition schon im Kalkül der Entscheidungsfindung drinsteckt, kann eine abweichende Meinung nichts bewegen, hält aber den Anschein eines demokratischen Staates aufrecht. Nach diesem vernichtenden Urteil über unsere politische Klasse war ich allerdings keineswegs der Ansicht, Deutschland sei unrettbar verloren. Ich betrachtete Meinungsfreiheit und Justiz als immer noch stehende Eckpfeiler einer im Grunde immer noch demokratischen Gesellschaft.

Was die Meinungsfreiheit betrifft, so kann man in meinem Posting mit dem Titel Der Meinungsmord nachlesen, welch einen Dämpfer dieses hohe Gut erhalten hat. Wir leben inzwischen in einem Land, in dem es möglich geworden ist, missliebige Meinungen zu unterdrücken. Das lange Interview, das ich für ohrfunk mit Marcel Bartels, dem Betreiber von www.mein-parteibuch.de, geführt habe, bestätigt dies auf eindrucksvolle Weise. Er sucht einen Menschen im Ausland, der dort über Deutschland schreibt. Zugegeben: Seine Meinungsäußerungen sind manchmal hart, unbequem, nicht gerade auf Harmonie ausgerichtet. Aber das ist das Wesen der Demokratie. Mit abmahnungen und Geldforderungen, absurden Anschuldigungen und Psychoterror hat man diese freie Stimme mundtod gemacht, und niemand, der berufen dazu gewesen wäre, hat sich für diese Meinungsfreiheit eingesetzt. „Freiheit“, so sagte es Rosa Luxemburg einmal, „ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden“. Die Belehrung stammt von einer echten Kommunistin, aber wir können viel von ihr lernen.

Bleibt also noch die Justiz. Hier sollte es nicht um Politik, sondern um Recht gehen. Natürlich war ich nicht so naiv, anzunehmen, es gebe keine Rechtsbeugung, aber der Fall der illegalen Hausdurchsuchung bei Dr. Ulrich Brosa, die Vetternwirtschaft von Staatsanwaltschaft, Politik und Polizei, die menschenrechtswidrige Behandlung eines vielleicht unbequemen, aber unbescholtenen Bürgers, all dies hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass wir in mehr als einem Fall eine Justiz haben, die der Klasse, die sie in Amt und Würden gebracht hat, der Politik, nicht entgegentritt, selbst wenn es notwendig wäre. Unsere Justiz ist nicht auf dieselbe Weise willkürlich wie vielleicht in Diktaturen Südamerikas, Asiens, Afrikas oder anderer Weltgegenden, aber sie ist auch nicht so rechtsstaatlich, wie wir uns das nach unserem Grundgesetz wünschen sollten.

Dass die Politik die Verfassung nur noch als lästigen Käfig empfindet, kommt bei der Einführung der Studiengebühren in Hessen heraus, die nach der hessischen Landesverfassung wortwörtlich unzulässig sind. Die Politik mogelt sich mit dubiosen Rechtsgutachten an dieser eindeutigen Formulierung vorbei, ohne mit der Wimper zu zucken.

Und damit zurück zur RAF. Wenn ich mir vorstelle, dass es all diese Zustände im Verborgenen schon in den sechziger Jahren gegeben hat, Und wenn ich annehme, dass diese intelligenten jungen Menschen damals versucht haben, dagegen vorzugehen, siehe beispielsweise die Hetzcampagnen der Springerpresse gegen linke Aktivisten, dann könnte ich glatt wieder Sympathie für die RAF entwickeln. Vielleicht hat unser Land eine Revolution nötig, vielleicht gibt es keine Abhilfe außer einem Umsturz? Dabei ist das rein rechtliche Konzept des Grundgesetzes wirklich gut, und deshalb sollte sich ein solcher theoretischer Umsturz nicht gegen die Staatsform, sondern gegen die politische Klasse richten. Wer die sogenannte Hartz-Reform auf die Arbeitslosen loslässt, darf sich nicht wundern, wenn die Betroffenen mit äußerster Wut reagieren. Vielleicht würde eine Gruppe wie die RAF auch heute wieder Anhänger unter den Arbeitslosen finden, und vielleicht gäbe es eine Solidarisierung über die radikalen Kreise hinaus, wie es Anfang der siebziger Jahre für kurze Zeit der Fall war.

Nein – die Raf ist keine Lösung. Wer sich erinnert, mit welcher Brutalität diese Organisation zum Selbstzweck gegen Unschuldige vorgegangen ist, der muss eine solche Gruppe auch in der heutigen Situation massiv ablehnen. Außerdem bezweifle ich, dass die damaligen Führungskräfte der RAF die gesellschaftlichen und politischen verhältnisse zutreffend analysiert haben. Ihr sogenannter antiimperialistischer Kampf passte in die Zeit, war aber leider nicht von einem wirklichen Verständnis für die Situation der Bundesrepublik und ihrer Bürger getragen.

Wir brauchen eine Form des Widerstandes, eine Form des zivilen Ungehorsams, der Anstrengung gegen undemokratische Tendenzen gegen den Rechtsstaat, wir brauchen Zivilcourage und echte Verteidigung der Demokratie, des Sozial- und des Rechtsstaates, und keine Politik der verbrannten Erde. Deshalb wäre die RAF ganz bestimmt die falsche Lösung. Aber vergessen sollte man sie nicht.

Copyright 2007, Jens Bertrams.


Technorati : Brigitte Mohnhaupt, Geschichte, Gesellschaft, Politik, RAF, Schleyer-Entführung, Terrorismus

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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4 Antworten zu Gnade, Recht und Vergangenheitsbewältigung – vom schwankenden Verständnis für die RAF und ihre Mitglieder

  1. otti sagt:

    Wir haben eine schönes Grundgesetz, und kein Politiker guckt rein. Zu C.Klar: Wie lange haben eigentlich Nazi-Größen oder Judenmörder gesessen in diesem unserem Vaterland?

  2. Hallo Jens,
    drei kleine Anmerkungen zu Deinem insgesamt lesenswerten Beitrag:
    1. Brigitte Mohnhaupt hat nur zwei Drittel ihrer Strafe abgesessen. Nach bundesdeutschem Recht kann sie dann bei guter Führung entlassen werden.
    2. Die Opfer von Auschwitz und Buchenwald sind nicht gleichzusetzen mit Israel. Viele von ihnen und ihre Kinder haben sich hinterher nach Israel begeben, aber man darf das Land nicht mit ihnen gleichsetzen. Das ist genauso, als setzte man Deutschland mit den Nazis gleich.
    3. Den Zustand der Parlamentarier als Abnicker beschreibt der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ als „Postdemokratie“.
    Das Morden der RAF halte ich für eine menschenfeindliche und zugleich Arrogante Herangehensweise an ungerechte Zustände: Die Kritiker erheben sich selbst zu Richtern, Scharfrichtern und selbstgerechten Verkündern der „Wahrheit“. In wahrheit waren sie verblendete Mörder.
    Die Zustände in Deutschland sind meiner Wahrnehmung nach heute schlimmer als damals. In den späten 60er und frühen 70er Jahren gab es in deutschland nicht so viel Armut wie heute. Das Unrecht ist mehr geworden. Doch die Menschen haben weniger Mut, sich zu wehren. Auch die Überwachung ist mehr geworden.
    Es wäre meines Erachtens an der Zeit, aufzustehen. Eine „Revolution“ wünsche ich mir aber nicht. Ich möchte nur, dass das Grundgesetz nicht länger als Klopapier behandelt wird!
    fjh

  3. Hallo FJH, – ich bin in vielem mit dir einer Meinung, und deine Aussagen stehen nicht im Widerspruch zu meinen Anmerkungen. Nur eins stimmt nicht, dass Brigitte Mohnhaupt zweidrittel ihrer Strafe abgesessen hat. Hier liegt der Fall anders. Sie bekam mehrfach lebenslänglich plus 15 Jahre im Jahre 1982. Alle rechneten damit, dass sie nie wieder raus kommt. Dann kam die Rechtsänderung, und der BGH setzte die Dauer, nach der die richterliche Überprüfung bei Mohnhaupt erfolgen sollte willkürlich auf 24 Jahre fest. Es gab bei vorheriger Rechtslage keine Anhaltspunkte dafür, wann die Überprüfung sein hätte müssen. Sie wird nicht wegen guter Führung entlassen. Sie wird entlassen, weil das Bundesverfassungsgericht geurteilt hat, dass auch zu lebenslänglich verurteilte prinzipiell die Chance auf Resozialisierung erhalten müssen, wenn von ihnen keine Gefährdung mehr ausgeht. Die Führung im Gefängnis, soweit es sich nicht um Gewalttaten handelt, spielt dabei nur unwesentlich eine Rolle.

  4. Das Nest sagt:

    Hallo! Ich glaube auch, daß es heute schlimmer ist als in den 60er und 70er Jahren bhier in Deutschland, aber wie kann man aufstehen? Wie soll man sich das vorstellen? Bevor wir aufstehen können, müssen wir erst mal wieder Wege finden, uns zusammenzuschließen, denn der Mechanismen, gerade die, die es angeht, zu isolieren, gibt es mittlerweile reichlich viele: Fernsehen statt reale Kontakte, nur noch feste Termine bei den Arbeitsagenturen, damit sich Arbeitslose bloß nicht mehr auf Fluren oder in Wartehallen treffen, durch Werbung gesetzte Modetrends, nach denen sich Leute, die sie nicht erfüllen können, kaum noch unter Leute trauen… Ich weiß, das hat jetzt nichts direkt mit dem eigentlichen Thema zu tun, aber es ist doch so, daß wir nur aufstehen und uns wheren können, wenn wir uns wieder der Tatsache bewußt werden, daß wir viele sind und zwar nicht nur viele anonyme, und daß wir das auch wieder schätzen lernen, anstatt es als Bedrohung anzusehen. Zu viele haben doch Angst, zu einer Gruppe von Arbeitslosen, von Loosern, von durchhängerInnen dazugerechnet zu werden. Und der Weg, sich auf rechtliche Art und Weise zur Wehr zu setzen, wird ja auch immer mehr verbaut. Über kurz oder lang werden wieder welche zur Gewalt greifen. In Frankreich und anderswo ist das schon so. Und das wird heftigere Auswirkungen haben als „die paar“ Raf-Terroristen von damals, so schlimm das auch war.

    Aber jetzt mal dierekt zum Thema: Ich finde, die Frage, ob es gut ist, daß Brigitte Mohnhaupt entlassenwird, muß rechtlich getroffen werden. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sie sich mit den angehörigen ihrer Opfer zusammensetzte und sie darüber redeten, und eine Entschuldigung ist mehr als angebracht. Aber es ist nicht angebracht, daß die Öffentlichkeit in einer Hetzjagd sich befugt fühlt, diese entschuldigung zu fordern. Ich glaube nicht, daß es die Angehörigen der damaligen Terroropfer glücklicher macht, wenn ihre Entschuldigung über RTL ausgestrahlt würde. Der ganze öffentliche rummel dient nur wieder ein paar PolitikerInnen dazu, sich als furchtbar betroffene anwälte der Opfer zu produzieren, und natürlich den Medien zur anhebung ihrer einschaltquoten. einer wirklichen auseinandersetzung mit dem thema steht er – der rummel – jedenfalls eher im Weg.

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