Ein Arbeitsloser verhungert in seiner Wohnung – und die Medien schweigen größtenteils

Wie kann heute ein Tag sein, an dem alles normal weiterläuft? Wie kann man im Radio eher vom Irak, von Virginia oder Nigeria hören als von Speyer? Wie kann auch nur ein einziger Mensch in Deutschland einfach sein Leben weiter leben? Warum ist Minister Müntefering, warum ist die Bundesregierung noch im Amt? Warum muss Peter Hartz nicht von 345 Euro im Monat leben? Warum gibt es keine Lichterketten, Protestmärsche, Massendemonstrationen? Warum steht niemand auf? – Deutschland hat mir in letzter Zeit schon viele Anlässe gegeben, Kritisch und skeptisch zu sein. Jetzt aber ist der entscheidende letzte Schritt vollzogen, dieser Schritt, der dieses Land aus dem letzten Bisschen Unschuld reißt, den es sich in den letzten Jahren noch bewahrt hatte.

Ein Mensch ist gestorben. Gut, das passiert jeden Tag. Es ist Krieg im Libanon, im Irak, in Somalia… Es werden Regimekritiker in Russland umgebracht, in den USA werden die Leute entweder hingerichtet oder sterben auf tragische Weise bei einem Amoklauf. Es gibt also keinen Grund, sich darüber aufzuregen, mögen manche Menschen sagen.

Der Mensch aber, der gestorben ist, ist verhungert, und zwar in einer deutschen Stadt, einer traditionsreichen deutschen Stadt mit einem Dom, nämlich in Speyer.

War es ein alter Mensch, der sein Leben gelebt hatte? War es ein Unfall, oder gar ein Verbrechen?

Ja, es war ein Verbrechen!

Ein junger Mann, 20 Jahre alt, wurde am Sonntagabend (15. April) tot in seiner Wohnung aufgefunden, in der er mit seiner 48jährigen Mutter lebte. Er war verhungert, seine Mutter konnte gerettet und in ein Krankenhaus gebracht werden. Von ihr stammen die einzigen Aussagen, die Licht in das Dunkel dieser Tragödie bringen können. Demnach waren beide arbeitslos und Bezieher von Arbeitslosengeld II. „Aber“, so höre ich die feisten Politiker in ihren Dienstwagen murmeln, während sie sich durch die Innenstadt zu einem Luxusbordell chaufieren lassen, in dem sie sich mit dem Erfinder dieser ALG-Gesetze treffen und ein wenig vergnügen wollen, „Niemand stirbt in Deutschland den Hungertod. Wir leben in einem Sozialstaat. Und wenn jemand stirbt, dann ist er mindestens selber schuld. Fördern und Fordern heißt die Devise. Aber verhungern muss niemand.“ Dann lehnen sie sich zurück und genießen die Aussicht, oder ärgern sich darüber, dass sich die Arbeitslosen nicht waschen und kämmen oder keine Designerklamotten tragen. Trotzdem ist die Wahrheit anders, als sie es behaupten und wissen wollen. Die von Peter Hartz initiierte Gesetzgebung hat es in Deutschland zum erstenmal seit 1949 möglich gemacht, dass Menschen auf gesetzlicher Grundlage ohne jede Zuwendung auskommen müssen. Damit wird der Hungertod von Arbeitslosen wissentlich und willentlich in kauf genommen.

Der Mann, der am Sonntag tot in seiner Wohnung in Speyer aufgefunden worden war, war depressiv. Aus welchen Gründen er das war, lässt sich nur vermuten. Ob diese ursächlich mit der Arbeitslosigkeit zu tun haben, ist bislang noch ungeklärt und wird wohl auch immer ein Rätsel bleiben. Tatsache ist, dass er irgendwann den Kontakt zur Arbeitsagentur vollständig eingestellt hat. Er nahm keine Termine mehr wahr und lehnte jedes Seminarangebot durch Nichtreaktion ab. Daraufhin kürzte man ihm nach und nach die Arbeitslosenunterstützung, bis schließlich nichts mehr da war. Und er verhungerte. Auch seine Mutter erhielt schon seit einem halben Jahr kein ALG II mehr. Der junge Mann starb an Unterernährung, und seine Mutter sagte aus, dass sie sich kein Essen mehr hatten leisten können. Ganz egal, warum der Mann keine Arbeitsamtstermine mehr wahrgenommen hat, ganz egal, warum seine Mutter, die ihn als depressiv und flegmatisch beschrieb, ihn nicht gedrängt oder Nachbarn und Freunde zur Hilfe gerufen hat, erschüttert mich doch die Tatsache allein, dass er auf gesetzlich korrektem Wege kein Geld mehr bekommen hat und sich daraufhin keine Lebensmittel mehr leisten konnte. Deshalb ist er verhungert. Die Süddeutsche Zeitung berichtet in einem Kommentar zu diesem Artikel von der Pressekonferenz, mit der Stadt und Arbeitslosenagentur die Verantwortung abwälzen: „Wir haben keine Mitarbeiter“, erklärt der Chef der zuständigen Arbeitsagentur, „um zu jedem hinzugehen, der sich nicht meldet.“ Er muss aber zugeben, dass genug Mitarbeiter da sind, um nach Leuten zu suchen, die falsche Angaben gemacht haben und betrügen wollen. – Fördern und Fordern. Hier geht es nur noch ums Fordern.

Diese Gesetze machen krank! Sie schaffen erst das psychische Umfeld, in dem sich ein Mensch nicht mehr traut, zu Freunden und zu Nachbarn zu gehen, um um eine milde Gabe zu betteln. Sie schaffen erst die Voraussetzungen, dass Menschen sich gelähmt fühlen und nichts mehr anpacken. Sie treiben die Menschen in psychische Isolation! Und dann, wenn sie ganz unten sind, verweigern sie den Menschen das Lebensnotwendige. Sie verweigern ihnen das Existenzminimum, um überhaupt am Leben zu bleiben, geschweigedenn, um in Würde zu leben. Der junge Man aus Speyer wollte sterben, jedenfalls hat er in den letzten Monaten seiner Mutter gegenüber immer wieder ähnliche Andeutungen gemacht. Nur zynisch ist es, dass unsere Gesetze diese Art von Tod zulassen.

Die Bundesrepublik Deutschland, der Soziale Rechtsstaat, dessen Bürger als unveräußerliches Recht die Menschenwürde besitzen, hat eine Grenze überschritten. Sozialstaat ist dieses Land nur noch dem Namen nach. Wer nicht bereit ist, sich von aufgeblähten Behörden seine Rechte einschränken zu lassen, zum Beispiel das Recht auf freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl und Unverletzlichkeit der Wohnung, auf Freizügigkeit und menschenwürdiges Leben, wer nicht bereit ist, nur noch für die Wirtschaft und nach dem Willen eines kriminellen Wirtschaftslenkers zu leben, der sich die Willfährigkeit der Gewerkschaften durch Bordellbesuche erkauft, der muss eben damit rechnen, dass ihm der Geldhahn ganz abgedreht wird, bis zum bitteren Ende, dem Hungertod in einer vor Reichtum überfließenden deutschen Stadt. Für Briefmarken, die dazu genutzt werden könnten, ALG-II-Empfänger darauf hinzuweisen, dass ein Folgeantrag fällig wäre, fehlt den Arbeitsagenturen das Geld, aber nicht dafür, Menschen, die in einer für die Behörde zu großen Wohnung leben, einen Raum zu versiegeln oder einen Umzug zu bezahlen, zumindest aber, sie zu kontrollieren und zu schikanieren.

Vor den Augen seiner Mutter starb in der letzten Woche ein junger Mann, weil er kein Geld hatte, sich etwas zu essen zu kaufen. Schämten sie sich, zu Nachbarn oder Freunden zu gehen? Hatten sie überhaupt Freunde? Warum haben die Nachbarn erst dann die Polizei gerufen, als alles längst zu spät war? Wie kann so etwas in einem Sozialstaat der ersten Welt passieren? Wohin hat uns die neoliberale Hetze getrieben?

Heute scheint ein ganz normaler Tag zu sein. Gestern hatte der Südwestrundfunk einen Bericht zum Hungertod des jungen Mannes verfasst, aber in keinem großen Radiosender wurde es aufgenommen. Ob die Medien ihre „staatspolitische Verantwortung“ wiedereinmal spüren und nichts bringen, was zu kritisch ist? Ob sie sich wiedereinmal selbst Maulschellen anlegen, oder haben sie Angst um die Quoten, wo es ja doch niemanden interessiert? Könte es sein, dass diese Medien mit ihrer Gleichgültigkeit und der Hetze auf Arbeitslose es so weit gebracht haben, dass es Menschen gibt, die behaupten, dass dem jungen Mann Recht geschehen sei? Warum schweigen die Institutionen, die in der Lage wären, im Volke ein Bewusstsein für die Ernsthaftigkeit der Lage, für die Unmoral des Hartz-Terrors wachzurufen? Manager werden mit einem „goldenen Handschlag“ verabschiedet. Arbeitslose sterben den Hungertod. – Das ist Deutschland. Wo sind denn die Menschen, die dagegen aufstehen und ihre Wut nicht durch reines Randalierertum äußern? Deutschland hat seine Stellung als Sozialstaat eingebüßt. Nicht so sehr, weil ein Mensch gestorben ist. Das ist tragisch, und es geschieht immer wieder: Penner erfrieren im Winter auf den Straßen und Plätzen, vereinsamte alte Menschen sterben unbemerkt in ihren Wohnungen… – Nein, es ist die Tatsache, dass der Staat, der die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, das menschenwürdige Leben seiner Bürger zu ermöglichen und dauerhaft zu garantieren, Gesetze schafft, die einen Menschen von *jeder* finanziellen Zuwendung abschneiden und im Zusammenspiel mit anderen widrigen Umständen den Hungertod dieses Menschen verursachen. Scham, psychischer Druck, all dies wird dabei eine Rolle gespielt haben. Wer von der Gesellschaft und den Medien gehetzt wird, der glaubt womöglich nicht daran, dass er bei seinem Nachbarn eine milde Gabe erhält, ohne als asozial verschrien zu werden.

Ausgerechnet Sozialverbände haben behauptet, der junge Mann in Speyer habe nicht verhungern müssen, es habe ja die Tafel gegeben, wo er hätte Essen erhalten können. Diese Bemerkung ist kaum noch an Zynismus zu überbieten. Nur wer ein behördliches Schreiben vorweisen kann, mit dem der Anspruch begründet wird, erhält bei den Tafeln etwas zu essen. Gerade dies fehlte hier aber vollständig. Aus diesem Kreislauf aus Lähmung, Depression und kalter Gewissenlosigkeit, ja fahrlässiger Tötung auf Gesetzesgrundlage, kam das Opfer nicht mehr heraus. Die Zyniker hingegen, die diesen Tod maßgeblich zu verantworten haben, sind jetzt Berater bei russischen Erdgasfirmen, Bodylieferanten für missratene und korrupte Betriebsräte oder sitzen als „Sozialminister“ im Kabinett. Ob ich wohl für den Satz: „Politiker sind potentielle Mörder“ angeklagt werde?

Die Bundesrepublik, das Land, in dem ich lebe, hat seine Nachkriegssozialunschuld endgültig verloren. Über den Zusammenhang zwischen Hartz-Gesetzen und dem Hungertod in Speyer hat Franz-Josef Hanke auf der Seite der Humanistischen Union Marburg einen sehr guten Bericht verfasst. Für mich bedeutet dies, dass unser Land sein soziales Gewissen verloren hat, dass das Grundgesetz, dass unser Sicherheitsrisiko Schäuble ja auch nur als „lästige Fessel“ begreift, für die Politik jeden Wert verloren hat. Es stellt nicht mehr als die Verfahrensregeln des Staates, gewissermaßen die Bauanleitung für das staatliche Räderwerk dar. Wo die Macht allerdings liegt, und wer sie auf keinen Fall mehr besitzt, das ist jetzt eindeutig klar.

Ein Mann ist tot, und mit ihm starb eine Idee. Die Idee, dass da ein Land sein könnte, in welchem die Möglichkeit besteht, in Freiheit, Frieden und Menschenwürde zu leben, ohne Armut, immer versichert zu sein, dass selbst im größten finanziellen Notfall das Leben nicht bedroht ist. Diese Idee ist tot, und sie kann nur wiedererstehen, wenn wir alle etwas dafür tun. Die Medien, vor allem nicht die ach so neutralen öffentlich-rechtlichen Medien, helfen uns da offenbar nicht weiter.

Ruhe in Frieden und vergiss die Gleichgültigkeit und den Zynismus der Menschen.

Copyright 2007, Jens Bertrams.


Technorati : Arbeitslos, Arbeitslosigkeit, Bundesrepublik, Hartz-Gesetze, Hungertod, Menschenwürde, Politik, Speyer, Verhungern

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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27 Antworten zu Ein Arbeitsloser verhungert in seiner Wohnung – und die Medien schweigen größtenteils

  1. Die Menschnwürde würde unantastbar, wenn Menschen als menschen geachtet würden. Doch für die Behörden sind sie nur Antragsteller, potentielle Betrüger oder ein Kostenfaktor.
    Warum es keinen aufbrausenden Aufschrei nach dem Tod in Speyer gegeen hat?
    In Deutschland herrscht leider längst ein Klima der Einschüchterung und Angst. Besonders stark betrifft das Erwerbslose. Aber auch andere kritische Geister müssen damit rechnen, mit Abmahnungen überzogen oder demnächst auch mit heimlichen Hausdurchsuchungen auf ihrem PC ausgespäht zu werden.
    Mich erinnert das alles an den alten Text von Constantin Wecker: „Es herrscht wieder Frieden im Land!“
    Und die Idee, die Erwerbslosen doch ruhig verhungern zu lassen, ist doch nur die konsequente Anwendung der liberalen Lobby-Politik zugunsten der Wirtschaft: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen!“
    Bei den Nazis nannte man das „unnütze Esser“.
    Die Tafeln und ihr Berater McKinsey sind nur die ökologischste Struktur der Abfallbeseitigung von abgelaufenen Nahgrungsmitteln zum Zwecke der Zufriedenstellung der knurrenden Mägen. Dass es in Deutschland überhaupt flächendeckend solche Tafel-Vereine gibt, ist doch schon das Armutszeugnis der staatlichen „Sozialpolitik“!
    fjh

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  3. stefan sagt:

    Hallo Jens!

    Würdest Du mir erlauben (per eMail?), diesen Beitrag hier einzufügen:

    http://unkreativ.twoday.net/stories/3625142/

    Vielen Dank,
    Stefan

  4. Pingback: unkreativ.twoday.net

  5. Dirgis sagt:

    Ja,es ist soweit, die Grundrechte sind ausgeleiert, der Rechts- und sozialstaat ist mausetot in der BRD-GmbH! Ich kenne einen Fall, da wird einem Bezieher von Leistungen nach SGB II in Höhe der Grundsicherung von monatlich 311 Euro unter Androhung von Haft die Entrichtung von Bußgeld für eine Ordnungswidrigkeit gefordert. Stundung wird abgelehnt, das Amtsgericht hat die Erzwingungshaft angeordnet und beurteilt den Betroffenen als „zahlungsunwillig“. Nach Auffassung des Amtsgerichtes gebe es kein Existenzminimum unter Beachtung der Systematik des SGB II. Zitat: „In dem Bezug von Regelleistungen nach § 20 Abs.2 SGB II im Vergleich zu §§ 31 und 32 SGB II in systematischer Auslegung des SGB II ist noch nicht die verfassungsrechtliche Untergrenze des Existenzminimums zu sehen.“ Wo also ist die verfassungsrechtliche Untergrenze des Existenzminimums zu sehen, wenn nicht bereits in dem Regelsatz für die Grundsicherung?
    Wer bestimmt, was die verfassungsrechtliche Untergrenze zu sein hat?

  6. Die wegen „Verstößen“ mögliche Kürzung des – ohnehin schon viel zu niedrigen – ALG II ist ein Skandal. Der zweite Skandal ist die Tatsache, dass Menschen hier regelrecht drangsaliert werden. Würde man das beispielsweise genauso mit Ministern oder abgeordneten tun, sähen sie darin ganz gewiss den Straftatbestand der Nötigung erfüllt.
    Was mich schließlich noch bedrückt: Der Verstorbene war sowohl lernbehindert als auch psychisch krank!
    Nach dem Alten Bundes-Sozialhilfegesetz (BSHG) hätte ihm dieses Schicksal wahrscheinlich nicht passieren können. Wohl aber nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), das diesen Namen in Wahrheit nicht verdient und deswegen auch im Volksmund nur nach einem „Ehrenmann“ mit dem Etikett „Hartz IV“ tituliert wird.
    Die im vorausgehenden Beitrag geschilderte Entscheidung eines Gerichts ist ein weiterer Fall einer verfassungswidrigen Rechtsanwendung, wie sie in jüngster Zeit leider immer häufiger vorkommt.
    Mit den notwendigen Reformen der Justiz setzt sich der HU-Arbeitskreis „Justizreform“ in Marburg auseinander. Über Themen wie das Existenzminimum debattiert der HU-Arbeitskreis „Erwerbslosigkeit und Soziale Bürgerrechte“ (ESBR) ebenfalls in Marburg.
    Interessierte mögen sich auch dort informieren.
    Als Lebensschützer des geborenen Lebens sorgt sich
    fjh

  7. Das Nest sagt:

    Hallo Franz-Josef und ihr anderen!

    2 Punkte möchte ich anmerken: Zum ersten finde ich, daß es zwar Menschen und wahrscheinlcih einige Politiker und Leute aus der Wirtschaft gibt, die sich wünschen oder zumindest nicht gerade darüber weinen würden, daß Arbeitslose durch unsere Gesetzgebung verhungern. Auch dem Argument, daß der Begründer der sogenannten „Tafeln“ gleichzeitig ein Meister im wegrationalisieren von Stellen ist, kann ich mich nicht verschließen. Dem Satz aber, daß es nicht ohne Grund flächendeckend überall in Deutschland solche Einrichtungen gibt, muß ich widersprechen. Nicht umsonst beschweren sich nämlich ein Haufen menschen, die dort arbeiten und ernsthaft versuchen, das schlimmste zu verhüten, daß auch ihnen die MIttel drastisch gekürzt werden. Und auch das mit den abgelaufenen Lebensmitteln halte ich für etwas zu polemisch. ich erinnere mich nämlich mit Grausen an den Fall eines Mannes, der bei der Lufthansa arbeitete und gefeuert wurde, weil er übrig gebliebene Essenstabletts von den Flügen mitnahm und zu den Tafeln brachte. Damit verstieß er nämlich gegen das Lebensmittelgesetz und wurde mit einer heftigen Geldstrafe belangt. Nee, was vergammelte Lebensmittel betrifft, so fürchte ich, gilt da noch immer Gleichheitsgrundsatz. Die jubeln sie uns allen gleichmäßig unter.

    Zweitens wollte ich noch anmerken, daß ich den Grund dafür, daß nicht halb Deutschland, zumindest dessen ALG-2-EmpfängerInnen, nach dem Ereignis in Speier aufstehen, nicht nur in der Einschüchterungspolitik sehe. Das ist nicht nur eine Folge von Angst und Einschüchterung, ich fürchte, bei vielen nicht. Es ist noch ganz anders. Resignation ist der Nicht-Motor hier. Und daran sind für mich in der Hauptsache unsere hoch gepriesenen Medien Schuld. Was wir sehen, können wir nicht verarbeiten, und worum wir uns kümmern könnten, bekommen wir nicht zu sehen und zu hören. Resignation und Gleichgültigkeit sind meiner Meinung nach das hauptrezept für die Totenstille, die hier herrscht. Das mit angst und Einschüchterung trifft wohl vor allem auf diejenigen zu, die so weit überhaupt kommen, die Mittel des Schreibens, der Justiz und so weiter zu nutzen. Das Aufstehen, die Lichterketten, die Mahnwachen – das wird meiner ansicht nach mehr durch das verhindert, was ich eben beschrieben habe. Das ist weniger eine Frage des Intellekts, sondern mehr des Gefühls.

  8. otti sagt:

    Eine bewegende Trauerrede, die von Herzensbildung zeugt. Danke!

    Es ist kalt und unmenschlich geworden in Deutschland.

    Gott behüte uns.

  9. Pingback: Perspektive 2010 » Blog Archive » Zitat des Tages

  10. Hallo, Nest!
    Ich spreche mich überhaupt nicht gegen die Tafeln aus. In der gegenwärtigen Situation sind sie leider unverzichtbar.
    Aber ich polemisiere dagegen, dass man solche Ereignisse wie den Tod einesErwerbslosen in Speyer damit zu legitimieren versucht, dass er ja zur Tafel hätte gehen können.
    Ich wehre mich dagegen, dass mit Verweis auf die Existenz der Tafeln das Arbeitslosengeld II (ALG II) seit März 2004 nicht mehr erhöht worden ist. Anfang Juli soll es nun endlich um 2 Euro angehoben werden. Zwei Euro! Angesichts der Inflation seit drei Jahren und der Mehrwertsteuer-Erhöung zum 1. Januar 2007 ist das eine glatte Unverschämtheit!
    Ich wehre mich dagegen, dass engagierte Menschen ihre Zeit und Arbeitskraft unentgeltlich in die Tafeln stecken, weil es leider nötig ist. Was könnten sie sonst mit ihrem Engagement alles Sinnvolles bewirken!
    Selbst-Ausbeutung für die Ärmsten der Armen kann ich in einem Staat nicht akzeptieren, dessen Grungesetz ihn laut Artikel 20 als Sozialen Bundesstaat ausweist.
    Der Hunger nach Gerechtigkeit verbietet das Abstumpfen gegenüber der Selbst-Aufgabe von Menschen, die durch ein punitives „Sozial“-Recht drangsaliert werden. Der Hunger nach Gerechtigkeit schreit nach einem Aufstand der Anständigen.
    fjh

  11. Es ist bezeichnend, dass die Mehrheit der Medien über den Tod des 20-jährigen Mannes nicht oder erst sehr berichtet hat. Gerade über die Zerschlagung der Sozialsysteme (sogenannte Reformen) wir sehr einseitig berichtet. Betroffene kommen in den Talkshows selten zu Wort. Das ZDF hat einen Bericht über die Spargel-Ernte im Heute-Journal von der Bundesagentur für Arbeit übernommen. In einer beispielslosen Hetzkampagne werden die erwerbslosen Opfer zu angeblich arbeitsunwilligen Tätern gemacht.
    Der Tote war vermutlich auch Opfer dieser Hetze. Die Behauptung einiger Politiker, niemand in diesm Land brauche Angst zu haben>/a>, erweist sich spätestens hier als falsch.

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  15. wrs sagt:

    Blogger.com ist, doof, daher muss ich manuell pingen:

    […] even destructing, current law on charity. While there’s not the least zephyr in the outer world of mass media, mentioning the topic at all. Jens Bertrams wrote a well-fitting, non-extreme answer on the silence of mass media and public. […]

    P.S.: Dein Text ist wunderbar, aber ganz schön lang. Wenn’s Dir recht ist, würde ich mich gerne daran machen, ihn ins Englische zu übersetzen, damit er auch in der englischsprachigen Blogosphäre zugänglich wird.

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  19. Matthias sagt:

    Hallo Jens,
    da ich gerade nicht die Zeit habe, selbst einen ausführlichen Beitrag zu schreiben, hab ich deinen Beitrag in meinem Posting verlinkt. Ich hoffe, das ist so in Ordnung…
    Post-Adresse ist folgende:
    http://bloeser.blogspot.com/2007/05/in-deutschland-verhungert-man-nichtes.html

  20. Pingback: Jens macht Ohrfunk « Socialblogs

  21. Vesna sagt:

    Hallo Jens, ich heiße Vesna. ich muß dieses in Erinnerung rufen weil seit über 8 Monaten sich NICHTS verändert hat nur die Regeln an Hartz 4 Empfänger härter geworden sind. Das Fest der Liebe, ist zum Fest des Vergessens geworden. Der junge Mann wird nicht der einzige verhungerte bleiben: Jessica, 7 Jahre aus Hamburg-Jenfeld verhungert,Benny 2 Jahre alt aus Stresow (Sachsen-Anhalt) weggeworfen auf dem Müll…
    Jens die pünktchen sind die grausame Fortsetzung und die Gesellschaft wird immer noch weggucken. Wir dürfen den Mann und die Kinder nicht in Vergessenheit geraten lassen. Wir müssen alle wachrütteln ! BITTE !

  22. Bruno sagt:

    Habt Ihr es noch nich gemerkt?

    Deutschland ist nur für die Reichen und Besserverdiener lebenswert geworden, wenn man aus der Unter oder Mittel- schicht kommt hat man keine Chance mehr. Schwache und nicht Leistungsfähige Menschen werden konsequent vom Staat und Gesellschaft ausselektiert, der Unterschied zum 3 Reichen ist nur noch der das man nicht um sein Leben fürchten muss)))

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  24. Pingback: Amok Koma » R.I.P. - nur mal so zur Erinnerung…

  25. Bunnoluroset sagt:

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