Die spinnen, die Rumänen, oder doch nicht?

Manchmal fragt man sich wirklich, wie man mehr Optimismus in unsere Gesellschaft hinein bekommt. Und als hoffentlich guter Journalist muss es auch darum gehen, die Rolle der Medien beim allgemeinen Gejammere kritisch zu beleuchten. Daher ist die Idee, die die rumänischen Senatoren kürzlich hatten, vielleicht eine gute: Alle Nachrichtensendungen sollten verpflichtet werden, zur Hälfte positive Nachrichten zu bringen, konstruktive Entwicklungen aufzuzeigen.

Die Medien, heißt es immer wieder, sind ein Spiegel der Gesellschaft. Das mag sein, aber es muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie die tatsächlichen Entwicklungen in einem Land wiederspiegeln. Sie sind eher ein Stimmungsbarometer einer Gesellschaft, als die objektive Darstellung des Zustandes eines Landes. Der rumänische Senat wollte das offenbar ändern und verabschiedete ein Gesetz, das die Medien verpflichten sollte, zur Hälfte in ihren Sendungen auch positive Nachrichten zu bringen. Wie immer man positive Nachrichten definieren soll, die Tatsache an sich verblüffte mich.

Wenn man heute das Fernsehen oder das Radio einschaltet, hört man sofort von Katastrophen, Skandalen und Kriegen. Die Tagesschau ist voll davon, man kann sich dem nicht entziehen. Ältere Semester sitzen dann wie erstarrt vor der Mattscheibe und sagen: „Früher war alles besser.“ Und je älter ich werde, desto mehr bin ich bereit, ihnen zuzustimmen. Wie oft wurde schon das Ende des Neoliberalismus von optimistischen Zeitgenossen vorausgesagt, und gerade jetzt kommen die Agendapolitiker wieder zurück, weil es keine Alternative gibt, die die 5-Prozent-Hürde knacken könnte, aber das ist ein anderes Thema. Von positiven Entwicklungen keine Spur, wenn man dem Radio und dem Fernseher glauben kann. Was aber wäre, wenn unsere Nachrichten anders aussehen würden? Was wäre, wenn die Redaktionen verpflichtet wären, positive Nachrichten zu bringen, auch wenn sie vielleicht nicht sensationell sind. Klar, sie haben Angst um die Einschaltquoten oder die Auflage, wenn man nicht nur von handfestem Blutvergießen berichtet, aber einer gesetzlichen Bestimmung könnten sie sich ja nicht entziehen. Was würde dann geschehen? Niemand soll behaupten, es gäbe keine positiven Nachrichten. Wir wissen alle, dass es interessante, kämpferische Bürgerinitiativen gibt, dass in manchen Ländern nach einem Krieg oder Bürgerkrieg ein leiser und stetiger Aufbau stattfindet, dass es Dörfer oder Städte gibt, in denen die Integration funktioniert. Würden wir nicht viel mehr Hoffnung schöpfen, und würde es nicht in der Öffentlichkeit ein viel realistischeres Bild vom Zustand unserer Gesellschaft geben, wenn die Medien gezwungen wären, auch diese Nachrichten zu verbreiten? Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach, was auch die rumänischen Senatoren zu spüren bekamen. Sie verabschiedeten das Gesetz einstimmig, aber sofort erhob sich wildes Geschrei. Vom „Rückfall in den Kommunismus“, von „gelenkter“ oder „verfälschter Presse“ war die Rede. Sofort wurde propagandistisch der Umkehrschluss gezogen: „Wir dürfen nicht mehr berichten, was tatsächlich geschieht“, erklärten die privaten Medienvertreter.

Als ich von dem Gesetz erfuhr, dass mittlerweile übrigens vom Verfassungsgericht für unrechtmäßig erklärt worden ist, fand ich die Idee spontan gut. Ich selbst habe zu oft an interessanten Initiativen mitgewirkt, für die sich die Medien kaum interessierten. Es war nicht sensationell oder skandalös genug. Und wenn sich die Medien für uns interessierten, dann hauptsächlich, um auf die Tränendrüse zu drücken. Das ging mir immer schon ziemlich gegen den Strich. Darum gefiel mir die Idee. Erst ganz langsam kamen die Vernunftargumente hinzu. Natürlich kann ein solches Gesetz der Anfang vom Ende der Pressefreiheit sein. Wenn der Staat beginnt, vorzuschreiben, was die Presse bringt, so ist das Propaganda, und es bleibt nicht aus, an ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda zu denken. Wenn ein Presseorgan sich nun einmal darauf spezialisiert hat, der Regierung schärfer auf die Finger zu schauen, wenn es immer wieder Skandale aufdeckt, dann könnte sich die Regierung verlockt sehen, dieses Presseorgan entweder zu schließen, oder wegen Verstoßes gegen das entsprechende Gesetz zu so hohen Geld- oder Konventionalstrafen zu verurteilen, dass es seine finanzielle Grundlage verliert. Denn es muss natürlich gesetzliche Sanktionen bei Nichteinhaltung der Vorschrift geben, und die Einzigen, die mächtig genug sind, solche Sanktionen durchzusetzen, sind wiederum die Politiker, denen am meisten gedient wäre, wenn über sie positiv berichtet würde, und wenn unbequeme Stimmen verstummten. So gesehen ist das Gesetz eine Einladung an die Regierung, Ihr Bild in der Öffentlichkeit genehmer zu gestalten. Aber vom rein idealistischen Standpunkt her finde ich die Idee nach wie vor bedenkenswert. Ist es denn nicht die Presse, die ihre Freiheit ausnutzt, ihre Macht und Informationsfülle, um reinen Geschäftsinteressen zu dienen? Ist es nicht die Presse, der das Ethos verloren gegangen ist, objektiv und genau zu berichten? Ist es nicht die Presse, die immer häufiger Meinung macht, anstatt Meinung zu vermitteln? Ist es nicht die Presse, die angesichts einer Marktmacht weniger Konzerne die Meinungsvielfalt unterdrückt, die sie eigentlich durch ihre Freiheit gewährleisten soll? Hier täte doch ein staatlich verordneter Kodex gut. Aber jeder weiß, dass ein unartiges Kind nicht dadurch zum besseren Menschen wird, dass man es ohne eigene Einsicht zu einem bestimmten Verhalten zwingt. Die Idee eines Gesetzes zum Schutze positiver Nachrichten mag, falls sie mit dem von mir gelobten Idealismus entstanden ist, eine originelle Idee sein, frei von Tücken und Gefahren ist sie nicht.

Die Rumänen lassen sich nicht abschrecken: Man überlegt nun ernsthaft, die Verfassung zu ändern, sodass das Gesetz rechtmäßig erneut verabschiedet werden könnte. Wäre doch schön, wenn es in einem Land eine Presse gäbe, die zwar von all den Katastrophen berichtete, die heute nun einmal existieren, die aber gleichzeitig Mut machte, sich zu engagieren, indem sie Erfolgsgeschichten auch kleinerer und mittlerer Initiativen darstellte, oder indem sie zeigte, dass auch politische Entscheidungen positive Auswirkungen haben könnten. Vermutlich wird dies auch in Rumänien immer eine Utopie bleiben, denn vermutlich kann man eine solche Presse nicht durch die Einschränkung ihrer Freiheit erreichen. Vielmehr muss man sich fragen, ob privat finanzierte und in Konkurrenz zueinander stehende Presseorgane überhaupt der richtige Weg sind, eine möglichst große Vielfalt zu erreichen. Wichtig ist doch nur, dass die Presse unabhängig und frei ist, dass sie egal unter welcher Regierung finanziell und in ihren Arbeitsbedingungen abgesichert ist. Muss sie aber wirklich privatwirtschaftlich organisiert sein? Wenn man dies verneint, dann ist es eine Frage der Journalistenausbildung, denn die Konkurrenz fällt als Grund für eine aggressive Berichterstattung ja weg. Dann kann man mit Ruhe, Zeit und einem langen Atem eine neue Generation von Journalisten ans Ruder bringen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und ein Berufsethos haben,dass dem Sinn einer freien, furchtlosen, aber vielseitigen Presse entspricht, in der man sich auch mit interessanten, einfühlsamen, in die Tiefe gehenden Berichten einen Namen machen kann, ohne im Kugelhagel eines Krieges zu stehen oder die Tagebücher von Adolf Hitler zu entdecken.

© 2008, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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Eine Antwort zu Die spinnen, die Rumänen, oder doch nicht?

  1. Das Nest sagt:

    Uiuiui, das ist aber mal wieder ein ganz schöner Brocken. Bei so was verliere ich leider oft den Überblick beim antworten. Sei’s drum: ich versuche es.

    Ich hielte den rumänischen Vorschlag tatsächlich für ein interessantes Experiment, und meine angst davor, so etwas als Propagandamittel zu nutzen, hält sich zunächst einmal in Grenzen. Daß sie das bei den Menschen in Rumänien nicht tut, ist völlig klar. Deren Erfahrungen waren wohl etwas zu heftig, würde ich sagen…

    Zunächst einmal wäre ja, so sage ich ganz naiv, die „Quote“ festgelegt. 50 Prozent gutes, 50 Prozent schlechtes haben wir gehört. Das räumt schlechten Nachrichten, katastrophen und Skandalen noch einen fairen Raum ein, denke ich mir. Oder was übersehe ich da vielleicht?

    Schwieriger, finde ich, wird es tatsächlich bei der Frage, was gute Nachrichten sind, was da zugelassen und als „gut“ definiert wird. Milan Kundera, ihr wißt schon, der mit „die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“, warnt, wenn auch in einem anderen Buch (in welchem, fällt mir grad nicht ein), zu Recht vor der Macht des Kitsches. auch die Nazis wußten das ja immer schon gut einzusetzen und auch so mancher andere „normale Staatsmann“, respektive manche Staatsfrau: Bilder mit Kindern auf dem Arm, in Fabrikgebäuden beim „gemeinen Volk“, und auch landschaftlich läßt sich, gerade im Fernsehen, sicher viel für eine gute, kitschige Ablenkung tun. Dauerbrenner wie kleine gerettete Seehundbabies, Bruno der Bär und ähnliches gehören für mich, im Übermaß präsentiert, zum Beispiel in diese Kitschkategorie. Kuriose Schützenfeste, merkwürdige Nachbarschaftsstreitigkeiten… wir alle kennen glaub ich diese Abschlußmeldungen in Nachrichtensendungen, damit wir den Horror, der vorher gelaufen ist, besser verkraften oder besser gleich wieder verdrängen können. so was sollte es also nicht sein? Müßte man dann auch noch festlegen, an welcher Stelle einer Sendung gute nachrichten zu kommen hätten? Das wäre ja nun wirklich absurd, obwohl die psychologische wirkung einer solchen Maßnahme nicht zu unterschätzen wäre.

    Was also sind gute Nachrichten? Ich muß zugeben, daß mir da auch noch die Idee zur handhabung fehlt… Denn im Kitsch liegt meiner ansicht nach die viel größere Gefahr als darin, daß Skandale vertuscht werden könnten. Dafür ist bei 50 Prozent noch Raum genug, glaube ich. Aber der reine Kitsch ist die Seite von Diktaturen, mit deer wir Deutschen noch nicht ganz so unmittelbar Erfahrungen haben, jedenfalls nicht so viel wie mit der Zensur, würde ich sagen. Und so ein Trick sähe unserer heutigen Werbegesellschaft viel ähnlicher.

    Aber wer will überhaupt noch, daß wir positiv denken? Das ist glaube ich eines der hauptprobleme. Bevor wir eine Wahl positiver Berichte treffen können, müssen ja erstmal Interessenten bei den Medien und in der Politik vorhanden sein, die wollen, daß unsere kreativität und Innovationskraft, wie das immer so schön heißt, steigt, indem wir positiver denken. Aber es läßt sich ja besser Geld mit Ratgebern zum Thema „positiv denken“ machen als damit, uns zur „zivilcourage“ zu ermuntern oder gar als bildungsauftrag zu erziehen. Der Kitsch auf der einen Seite, das total niederschmetternde Berichten auf der anderen Seite – beides sind für mich Mittel, um zu verhindern, daß die Leute zu viel denken. Und ich mag sehr fatalistisch daherkommen, aber ich glaube, daß das alles System hat.

    Dagegen gibt’s eigentlich nur ein Mittel: laßt uns selbst darauf achten, daß wir das gute maß zwischen anprangern und bekanntmachen von Mißständen, andererseits aber auch dem Berichten von Erfolgen, großen wie kleinen, nicht aus dem auge verlieren. Die augen verschließen ist keine Lösung, die Losung „vertraue niemandem“ aber auch nicht.

    In diesem Sinne laßt uns mal hoffen, daß uns Barack Obama was neues und positives zu bieten hat. Schönen Abend wünscht das Nest, und immer ne gute Mischung zwischen Wespennest und Nestwärme.

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