Von Börsianern lernen heißt Raffen Lernen! – In Deutschland wird das Short Selling verboten

Die Börse kracht, schreien sie. Die Welt geht unter, tönt es aus allen Radios. Das Abendland ist verloren, raunen die Politiker. Aber ach, da ist ein Hoffnungsschimmer am Ende des Tunnels: Auch Deutschland verbietet das Short Selling. Was das ist, fragen Sie sich? Trösten Sie sich: Ich wusste es bis vor einer halben Stunde auch nicht.

Hätten Sie gedacht, dass man sich Börsenanteile eines Betriebes leihen kann? Klar: Leihen kann man sich alles, aber ich würde das bei Börsenanteilen, also Aktien, meine ich natürlich, für ziemlich wertlos halten. Sie sind keine Gebrauchsgüter, und ob sie an Wert gewinnen oder verlieren, das spielt ja für den, der sie sich ausgeliehen hat, keine Rolle, dachte ich, höchstens für den Eigentümer. Aber nein: Weit gefehlt! Denn wussten Sie schon, dass man geliehene Anteile verkaufen kann? Das ist echt der Hammer! Wenn ich mir ein Auto leihe, und wenn ich es dann verkaufe, dann wird mich der Eigentümer des Autos ziemlich scharf angucken, denn mit dem Verleih, so sagt mir mein gesunder Menschenverstand, habe ich nicht die Verfügung zum Verkauf des Autos erhalten. Bei Aktien ist das offenbar anders. Also: Wenn ich mir Aktien ausleihe, die richtig hoch im Kurs stehen, und wenn ich die dann verkaufe, dann habe ich einen schönen Batzen Geld. Bloß streng genommen bin ich zwar dann der Besitzer, aber nicht der Eigentümer des Geldes. Das Geld gehört eigentlich dem, der vorher die Aktie besessen hat. So weit denken auch die Börsianer, also ist mein Rechtsempfinden doch nicht ganz falsch. Denn heute muss man sich ja in allem, was man tut, an der Wirtschaft orientieren. Gut: Was mache ich denn nun nach dem Verkauf der geliehenen Aktie? Ich will ja, wollen das nicht alle?, Geld verdienen, ohne dafür arbeiten zu müssen. Das trifft zumindest auf die Börsianer zu, obwohl es seltsamerweise immer den Sozial- und Arbeitslosengeldempfängern vorgeworfen wird… – Tschuldigung, wollte nicht vom Thema abweichen, waren meine Hände, die sich da selbstständig gemacht haben. Also noch einmal: Was mache ich also mit dem Geld, das ich von dem Verkauf der geliehenen Aktie habe? Ganz einfach: Ich kaufe die Aktie zurück. Aber vorher streue ich Gerüchte, dass es dem Unternehmen nicht besonders gut geht und sorge dafür, dass die Aktie im Wert sinkt. Wenn sie dann schön billig ist, kaufe ich die Aktie zurück und gebe sie ihrem Besitzer wieder. Der hat jetzt eine im Wert verminderte Aktie, also Geld verloren, aber ich habe das Geld gewonnen, das sich aus der Differenz zwischen Verkaufs- und Rückkaufswert ergibt, denn ich hab die Aktie ja billiger zurückgekauft als verkauft. Super! Ich habe jetzt mehr Geld in der Tasche, und alle reden von schlechten Geschäften an der Börse. Also meines war dann in diesem Falle recht gut!

Dieses Short Selling, so nennt man das nämlich, ist nach Auffassung einiger Börsenexperten dafür mitverantwortlich, dass die Börse sich immer wieder in so heftigen Talfahrten befindet, und dass es so große Kursschwankungen gibt. Aber börsenspekulanten haben eine große Lobby, deshalb hat man bislang nichts unternommen. Also man könnte ja beispielsweise auf *alle* Transaktionen an der Börse eine geringe, wirklich sehr geringe, Steuer einführen, so dass sich kurzlebige Geldgeschäfte nicht mehr lohnen oder so. Aber das ist wieder ein anderes Thema, der Staat wüsste ja gar nicht, was er mit so viel Geld anfangen sollte. Und seien wir mal ehrlich: Wer will schon, dass der Staat so viel Geld in der Tasche hat. Ist das nicht bei privaten Investoren viel besser aufgehoben? Schluss jetzt mit den blöden Zwischenkommentaren! Ordnung!

Jedenfalls wird das „Short Selling“ jetzt verboten. Erst in Amerika, dann in Großbritannien, und jetzt auch in Deutschland. Und die Börse sieht wieder glücklichen Zeiten mit ständig steigenden Indices entgegen… – Bis eines Tages der Hype zusammenbricht und die völlig überzogenen Kursentwicklungen sich korrigieren müssen. Das kennen wir ja schon.

Tja: Sollten sie jetzt gerade denken: „Guter Tipp, ich mach das auch“, dann lassen Sie sich sagen, es ist zu spät, das Verbot gilt wohl ab sofort. Irgendwer hat da wohl angesichts einer Spekulationskrise Muffensausen bekommen, was?

© 2008, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Von Börsianern lernen heißt Raffen Lernen! – In Deutschland wird das Short Selling verboten

  1. Lieber Jens,
    diese Leer-Verkäufe funktionieren sogar noch erheblich merkwürdiger: Man verkauft Aktien, die man gar nicht hat, nicht einmal geliehen, um sie dann nach sinkendem Kurs hinterher zu liefern.
    We sich auf solche Geschäfte einlässt, ist eigentlich selber schuld. Schließlich ist der Käufer dabei ja ebenso der Dumme wie derjenige, der dem Leer-Verkäufer die Aktien hinterher veräußert. Nicht zuletzt leidet auch das so in den Keller gedrückte Untrnehmen.
    Allein an der Börse kann jemand was verkaufen, was er gar nicht hat. Das zeigt doch schon, was für ein Schwachsinn diese Börse inzwischen ist!
    Die Freiheit, Gewinne zu machen steht mittlerweile der Freiheit gegenüber, Verluste zu verstaatlichen. Allen Ernstes will jetzt auch die Bundesregierung ALLE Einlagen von Privatkunden bei deutschen Banken vollständig garantieren. Das musste sie aber wohl tun, nachdm die Iren das auch schon verkündet haben.
    fjh

  2. Das Nest sagt:

    Da guckt man einfach mal nach, was so im blog los ist, und da lernt man doch gleich wider Sachen, die man nie wissen wollte. Das schlimme find ich immer nur, daß man so gar nichts dagegen machen kann. naja, das Verbot vom „short selling“ ist vielleicht ein anfang? Aber wohl, wie so oft, ein halbherziger. Wem ist das denn aufgefallen? ich meine: Wer hat angeregt, das zu verbieten. Wie ist der Weg bei so was?

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