G20: Was ist das, und brauchen wir das wirklich?

Den folgenden Beitrag habe ich am 07.04.2009 für Ohrfunk.de verfasst und in unserer Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“ veröffentlicht.

Argentinien, Brasilien, Mexiko, die USA, Kannada, Australien, China, Indien, Saudi Arabien, Südkorea, Indonesien, die Türkei, Südafrika, Japan, Frankreich, Großbritannien, Russland, Deutschland, Italien und die EU bilden die sogenannten G20, also die 20 größten Industrie- und Schwellenländer. Dieser lockere Verbund der größten Volkswirtschaften repräsentiert rund zwei drittel der Erdbevölkerung und rund 80 Prozent der Wirtschaftskraft der Menschheit. Wenn diese Staaten gemeinsam Politik machen, dann tun sie das nicht etwa auf der Ebene der Vereinten Nationen, der Staats- und Regierungschefs oder der Außenminister, sondern es treffen sich die Finanzminister und Notenbankchefs zusammen mit Vertretern des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. Es geht um Wirtschaft, weder um Umweltschutz oder Menschenrechtspolitik, noch um Sozialpolitik oder Friedenssicherung. Stattdessen steht die Freiheit der Finanzmärkte auf dem Programm, und sie diskutieren darüber, dass der Staat dafür bürgt, dass die Unternehmen sich verkalkulieren und in einem freien Markt sich und andere in den Ruin wirtschaften. Sie kommen zusammen, um zu gewährleisten, dass billionen Dollar weltweit in die kollabierende Wirtschaft gepumpt werden, die wir gar nicht haben. Der Staat macht Schulden, um die Unternehmen zu retten. Damit bekämpft man die Krise nicht, und alle wissen das. Vielmehr lösen die großen dieser Welt diese furchtbare Wirtschaftskrise, indem sie die nächste heraufbeschwören.

Entstanden ist die jetzige Krise durch einen künstlich herbeigeführten Immobilienkaufboom auf dem amerikanischen Markt. Um die Wirtschaft anzukurbeln wurden billige Kredite in Umlauf gebracht, mit denen sich viele Amerikaner Häuser kaufen konnten. Aber bezahlen konnten sie sie nicht. Das Ende waren Zwangsversteigerung und Verluste für die Banken und die Immobilienunternehmen. Kauf auf Pump war das Problem, ein Kauf, bei dem bereits abzusehen war, dass die Abzahlung nicht funktionieren würde. Man glaubte, der Wirtschaft gehe es gut, aber es war nur Schein, denn es wurde mit Geld gekauft, das gar nicht zur Verfügung stand. Eine Schwäche der westlichen Leitwährung und Führungswirtschaft wurde damit einige Jahre kaschiert, bis die Blase platzte und die Banken ihre Verluste offenlegen mussten.

Jetzt will der Staat Geld in den Wirtschaftskreislauf pumpen, das er gar nicht besitzt. Damit macht er denselben Fehler wie die verschuldeten Amerikaner, die sich trotzdem ein Haus auf Kredit kaufen. Die Politik, so wird kritisiert, die den Ruin hervorgerufen hat, wird unvermindert fortgesetzt, ja sogar noch verschärft. Das ist zweifellos richtig, aber welche Alternative gibt es denn derzeit? Auf dem Treffen der G20 in der vergangenen Woche kam wohl niemandem die zündende Idee. Natürlich hätte man auf Schuldenabbau drängen und den Marktgesetzen ihren Lauf lassen können. Das aber hätte unabsehbare Folgen nicht nur für die wirtschaftliche, sondern auch für die soziale Stabilität in den Ländern der Welt gehabt. Das Kind ist im Brunnen, und nur ein Spiel mit dem Feuer und dem Risiko kann uns noch helfen. Wenn die Wirtschaft sich tatsächlich erholen sollte, nachdem sie mit unmengen an Milliarden gestützt wurde, dann besteht für eine gewisse Zeit im Wirtschaftskreislauf die Chance, Schulden abzutragen, es darf nur nichts dazwischen kommen. Fatal wäre es allerdings, aus der jetzigen Krise nichts zu lernen und einfach so weiterzumachen, sollte es uns überhaupt gelingen, den Wirtschaftszusammenbruch zu verhindern, was noch keineswegs sicher ist. Eine größere Kontrolle der Finanzmärkte, in den USA eine unabhängige Notenbank und mehr Ausgabendisziplin in Staat und Gesellschaft wären recht angebracht. Und die 20 größten Volkswirtschaften der Welt täten gut daran, sich nicht nur als Wirtschaftsforum, sondern als allgemeines Forum internationaler Zusammenarbeit zu begreifen. Es reicht nicht, über Staatsquoten und Staatsschulden zu sprechen, über freien Handel und freien Markt, über Deregulierung und entbürokratisierung. Es gäbe ganz andere Themen, über die sich eine so einflussreiche Gruppe zum Wohle ihrer Völker dringend unterhalten müsste.

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Autor: Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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