Wahlprogramme im Vergleich – Thema Bildung

Den folgenden Kommentar zur Bildungspolitik in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl habe ich am 28.08.09 für die Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“ geschrieben und veröffentlicht.

Alle reden von Arbeit. Arbeit ist Mangelware, und nur wer eine ausreichend hohe Bildung vorweisen kann, hat noch eine Aussicht, einen Arbeitsplatz zu ergattern. Seit 40 Jahren aber reden wir in Deutschland vom Bildungsnotstand, tun aber verhältnismäßig wenig dagegen. In 4 Wochen ist nun Bundestagswahl, und da lohnt es sich, die Meinungen der Parteien einmal miteinander zu vergleichen.

Alle Parteien sind sich in ihren Wahlprogrammen einig, dass die Bildungsstandards in Deutschland vereinheitlicht werden müssen, damit sie einem nationalen und internationalen Vergleich stand halten. Der Teufel steckt vermutlich in den kaum ausgeführten Details, zum Beispiel bei der Frage, welche Schul- oder Studienfächer gefördert werden sollen, oder welche Pflichtfächer im Abitur vorgeschrieben werden müssen. Außerdem gehen die Vorstellungen über die Schulorganisation weit auseinander. Während Union, SPD und FDP das bisherige Schulsystem aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium beibehalten wollen, sprechen sich die Grünen und die Linkspartei dafür aus, dass alle Schüler bis mindestens zur 9. Klasse gemeinsam in einer einheitlichen Schulform unterrichtet werden sollen. Bei den Grünen ist ganz eindeutig eine Ganztagsschule gemeint, denn die Schüler sollen dort gesund und kostengünstig ernährt werden.

Die meisten aussagen machen die Parteien allerdings zum Studium. Die Union will darauf hinwirken, dass weniger Menschen das Studium abbrechen, 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen bis 2015 in die Bildung investiert werden. Das ist beachtlich, sprechen doch die meisten anderen Parteien nur von 7 Prozent. Zwar soll das Studium nach dem Willen der Union nicht von der finanziellen Lage des Studenten abhängig sein, aber zum Thema Studiengebühren schweigt die CDU. Wenn man dann allerdings in Betracht zieht, dass es CDU-geführte Landesregierungen waren, die die Studiengebühren eingeführt haben, kann man sich hierzu ein genaueres Bild machen. Die SPD möchte das Erststudium bis zum Masterabschluss von Studiengebühren befreien, Grüne und Linkspartei sind für die vollständige Abschaffung der Studiengebühren. Während die Linkspartei aber gleichzeitig das BAföG zu einer studentischen Grundsicherung ausbauen will, unabhängig vom Einkommen der Eltern, so sollen nach dem Willen der Grünen alle Studierenden einen Sockelbetrag bekommen, Studenten aus einkommensschwachen Familien darüber hinaus noch einen Zuschuss. Die FDP will das BAföG und andere Stipendien und Kredite zusammenlegen und im Bedarfsfalle als Kredit auszahlen lassen. Union und SPD halten am jetzigen System fest, wobei die SPD das BAföG auch an Oberstufenschüler auszahlen will. Außerdem soll das höchstbezugsalter für BAföG erhöht werden.

Eine wichtige Frage ist nach der Meinung vieler Experten, wer an den Universitäten studieren darf. Die SPD wagt sich weit vor und möchte den Zugang für Menschen mit einem qualifizierten Beruf ermöglichen, auch wenn man kein Abitur hat. Auch die FDP sieht die Möglichkeit, zum Beispiel Handwerksmeistern eine Fortbildung an der Universität zu ermöglichen, was sich allerdings nicht wie ein vollständiges Studium anhört. Wenn es nach den Grünen geht, so soll der Uni-Zugang für Menschen ohne Abitur und für Berufstätige erleichtert werden. Welche Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen, und wie das Ganze finanziert werden soll, verraten uns die Grünen leider nicht, ebensowenig wie die SPD und die FDP. Das heißt: Einen Hinweis geben die Grünen doch. Der jetzt noch gültige Solidaritätszuschlag für Ostdeutschland soll nach ihren Vorstellungen zum Teil in einen Bildungssoli umgewandelt werden, um Gebäude, Einrichtungen und Lehrmaterialien finanzieren zu können.

Bei all diesen Vorschlägen und Ideen fehlt mir ein wichtiger Bestandteil: Der Inhalt des Bildungsangebots. Qualität von Bildung lässt sich nicht nur wirtschaftlich bemessen. Durch mehr Hochschulkonkurrenz und privatwirtschaftliche Finanzierung kann die Wirtschaft beispielsweise Einfluss auf das Bildungsangebot der Universitäten nehmen. Das führt schon jetzt dazu, dass ganze Fachgebiete wie Sprachen, Kunst und Musik, sowie Gesellschaftswissenschaften langsam aussterben, weil nur noch Wirtschaftswissenschaften, Jura oder Naturwissenschaften gefragt sind. Die Universitäre Bildung ist aber nicht dazu da, möglichst perfekte Arbeitnehmer für die globale Wirtschaft zu schaffen. Vor allem ist sie dazu da, einem Bürger die Möglichkeit zu umfassender Bildung und Kompetenzerweiterung zu geben. Das muss bereits in der Schule anfangen. Nicht für den wirtschaftlichen Bedarf alleine, sondern vor allem für eine aufgeklärte, gebildete und vielseitig orientierte Bürgerschaft sind die Bildungseinrichtungen da. Eine solche Bildung kommt natürlich auch der Wirtschaft zugute, wenn auch eher in der Form, dass Arbeitnehmer als Partner zu betrachten sind. Der mündige Bürger wird aber immer mehr zum Schreckgespenst von Staat und Wirtschaft. Für mich ist das ein entscheidender Grund, warum sich auf dem Bildungssektor nichts tut, ganz egal, wie sehr die Parteien in ihren Programmen an Symptomen herumdoktern.

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Autor: Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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3 Antworten zu Wahlprogramme im Vergleich – Thema Bildung

  1. Wahlleiter sagt:

    Hier gibts auch eine gute Zusammenfassung der Wahlprogramme:
    http://www.frogged.de/superwahljahr-2009-parteiprogramme.html

    Und die zu recherchieren war viel Arbeit.

  2. Andi sagt:

    Ja, die von frogged hat mir echt genial gefallen. Danke für den Kommentar!

  3. Jakob sagt:

    Das hier soll kein Spam werden oder so, aber abschließend nochmal was thematisch neues dazu:
    http://www.frogged.de/vergleich-der-wahlprogramme.html

    😉 Alles Gute und dass die Besseren siegen mögen!

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