Endlich mal wieder Nachgedacht und meine persönliche und politische Mitte gesucht

Es ist halb 10 am Abend vor der Wahl, und plötzlich packt mich der Impuls, endlich mal wieder in aller Ruhe einen Blogartikel

zu schreiben, nicht gedrängt und getrieben von Termindruck oder Ärger. Eigentlich müsste ich zwar für morgenabend die

Candlelightsendung vorproduzieren, aber dann mache ich das eben morgen früh. Ich habe nämlich den Eindruck, dass ich ein

wenig Nachdenken jetzt brauche, einen Augenblick innerer Einkehr und Stille, die Gefühl und Verstand wieder in Einklang

bringt.

Ich sitze an meinem Rechner, und es ist verhältnismäßig still. Wenn ich bedenke, wie oft und wie viel ich in den letzten

Monaten unter dem Kopfhörer saß und Nachrichten gehört und gelesen habe, Nachrichten zur Bundestagswahl, zu

Behindertenthemen, den Sicherheitsgesetzen und so weiter, dann glaube ich, dass ich kaum noch richtig zur Ruhe kam, kaum noch

richtig nachgedacht habe. Und im Grunde geht mir das seit 4 Jahren und 3 Tagen so, seit diesem Tag im September 2005, an dem

meine Arbeit für die Internetradiosender begann. Ich habe mich mit Feuereifer in diese Arbeit gestürzt, aber für vieles

Andere blieb keine Zeit mehr, zum Beispiel fürs Bloggen. Meine politischen Beiträge vor dem September 2005 waren meiner

Ansicht nach ganz anders als alles, was ich nachher geschrieben und durchdacht habe.

Darauf gekommen bin ich, als ich vor ein paar Tagen die erste Fassung meines persönlichen Wahlaufrufes geschrieben habe. Ich

hatte das Gefühl, so viele Menschen wie möglich zur Wahl aufrufen zu müssen, ganz egal, wieviele es überhaupt erreichte, aber

ich musste es versuchen. Binnen einer halben Stunde hatte ich einen Text fertig, den ihr hier nachlesen könnt. Dieser Text klang in meinen Ohren kämpferisch

und aufrüttelnd. Ich habe ihn dann meiner Herzensdame vorgelesen, und die war

überhaupt nicht begeistert. „Wo ist da Optimismus?“ hat sie mich gefragt. „Du stellst alles in den schwärzesten Farben dar,

und die Schlagworte, die du benutzt, kennen wir ja auch mittlerweile.“ Ich habe es mir nicht sofort anmerken lassen, aber das

war schon ein ganz schöner Hammerschlag. Wir haben eine Weile drüber diskutiert, woher der Optimismus denn kommen soll, und

dass ich doch deutlich reingeschrieben hatte, wie mächtig wir sind, wenn wir alle zur Wahl gehen. Sie sagte, dass ich sie

nicht überzeugt hätte. Zerknirscht, halb verärgert, aber mit dem Willen, es besser zu machen, schrieb ich dann den im Ohrfunk

verbreiteten Wahlaufruf. Und irgendwie fühlte ich mich besser

danach. Aber ich ließ es mir nicht nehmen, die erste Fassung zusätzlich in mein Blog zu setzen. Darauf erhielt ich 2

Kommentare. In einem wurde ich darauf hingewiesen, dass die Zeit für Almosen für Behinderte ja wohl vorbei sei. Ich reagierte

ärgerlich und heftig, und dann fragte ich mich, warum meine Freundin Christiane

Link das wohl geschrieben hatte. Hörte ich mich wirklich so an, als verlange ich nach Almosen für behinderte Menschen? Da

meine Liebste in der Debatte etwas ganz ähnliches gesagt hatte, arbeitete ich den Artikel noch einmal durch. Nein:

Vordergründig verlangte ich das nicht, aber es konnte so rüber kommen, als würde ich mich bei einer möglichen

CDU-FDP-Regierung tatsächlich darum sorgen, ab Anfang 2010 keine Lebensgrundlage mehr zu haben, weil sie die Hartz-IV-Bezüge

auf 132 Euro kürzen und das Blindengeld abschaffen würde. Und man konnte mich so missverstehen, als sei Geld alles, worauf es

ankommt, und als jammere ich den Lesern die Ohren voll und wolle Mitleid ernten.

Natürlich liegt mir nichts ferner, aber irgendwie muss ich ja dorthin gekommen sein. Ich glaube, es ist in den letzten Jahren

etwas geschehen, was mich politisch und gesellschaftlich bis ins Mark erschüttert hat. Eine rot-grüne Bundesregierung, die

ich und fast alle meine Freunde 1998 und auch noch einmal 2002 unterstützt haben, führte Krieg, verschärfte die

Sicherheitsgesetze und ließ sich, ganz wichtig, von Wirtschaftsbossen eine Arbeitslosengesetzgebung schreiben, die alle

Menschen ohne Arbeit zunächst einmal generell als Drückeberger einstufte, bis man das Gegenteil bewies. Und obwohl ich

persönlich durch die Hartz-Gesetzgebung keine finanziellen Nachteile hatte, habe ich mich massiv dagegen engagiert. Mit

welcher Überheblichkeit konnte die SPD, die immer meine Partei war, eine fortschrittliche Arbeiterpartei, plötzlich auf die

relativ Armen und Perspektivlosen hinunterblicken und sie verhöhnen!

Kurz darauf habe ich angefangen zu Bloggen, und die Bundestagswahl 2005 stand vor der Tür. Ich habe ausführlich beschrieben,

warum ich mich von der SPD abwandte. Damals hatte ich das Gefühl, aus meinem Herzen heraus zu bloggen, Spaß an ausführlicher

politischer Diskussion zu haben, wie das bei mir schon seit frühester Kindheit war. Immer habe ich zum Beispiel mit meiner

Mutter debattiert, solange sie lebte. Und das waren immer sehr interessante Debatten, die mir viel gebracht haben. Aber im

Alter wurde meine Mutter sehr verbittert, und ich musste ihr gegenüber die Politik, die Politiker und hin und wieder auch die

Demokratie verteidigen. Das habe ich mit Feuereifer getan. Ich war immer massiv gegen die CDU und die FDP, aber ich habe sie,

ganz selbstverständlich, für demokratische Parteien gehalten und als solche respektiert. Aber als die Bundesregierung, die

ich selber gewählt hatte, die Menschen verriet, die sich einen Wechsel so sehr gewünscht hatten, ist bei mir irgendwas

passiert. Nach und nach bin ich von der SPD und auch von den Grünen abgekommen. Und heute, wenige Stunden vor der Wahl, frage

ich mich, ob ich die Linken oder die Piraten wählen soll.

Aber das allein wäre nicht schlimm. Etwas Anderes ist viel schlimmer: Ich habe mich immer gegen ideologische Verbohrtheit

linker Studenten und Intellektueller ausgesprochen. Obwohl ich mich für links halte und hielt, empfand ich die Art vieler

Linker, die ich kennenlernte, als zu ideologisch. Sie versäumten in meinen Augen, nach rechts und links zu schauen, ihre

Ansichten am konkreten Lebenszusammenhang zu überprüfen. Das fing schon während des Politikstudiums an: Linke Studenten

zeigten mir politisch Korrekt den Weg zum Kaffeeautomaten, auch wenn ich da gar nicht hin wollte, aber sie taten sich schwer,

mit mir zu diskutieren, weil sie nicht wussten, wie man mit einem behinderten Menschen reden und umgehen soll. Oder wenn ein

Professor eine Wirtschaftsthese vorstellte, kam von Manchen: „Marx hat aber was anderes gesagt“, und damit war der Fall für

sie erledigt. Ich hingegen habe es immer spannend gefunden, andere Denkweisen und Meinungen zu studieren, zu kennen, und ich

war auch glaube ich immer ganz gut darin, die Vorteile neuer Ideen und Gedanken zu suchen und zu finden. Und genau das,

fürchte ich, ist mir in den letzten Jahren etwas abhanden gekommen. Meine Liebste sagte, sie kenne meine Schlagworte

inzwischen, es würde fast immer auf die Schmähung von Hartz IV hinauslaufen, egal, mit welchem Thema ich mich eigentlich

befasse.

Stimmt es? Bin ich inzwischen auch so verbohrt, wie ich nie sein wollte? Bin ich inzwischen politisch und gesellschaftlich

auf meine Weise konservativ, also unflexibel, und auf die einfachen Lösungen einer radikalen linken Partei eingeschworen?

Haben bei mir der Stammtisch und das Jammern Einzug gehalten? Wo ist meine Begeisterung für die deutsche Demokratie hin, für

das ausgeklügelte Verfassungsrecht, mit dessen Hilfe es letzt lich immer gelingen kann, politische Verstöße gegen die

Grundrechte zu stoppen? Wären Gesetze wie Hartz IV und die Internetsperren oder die Onlinedurchsuchungen in den achtziger

oder auch in den neunziger Jahren beschlossen worden, hätte ich zu meiner Mutter gesagt, dass das Bundesverfassungsgericht

sie per Eilentscheidung für Nichtig erklären würde. Aber schon die Verschärfung des Asylrechts war ja durchgekommen, obwohl

ich fand, dass damals das Grundrecht auf Asyl in seinem Wesensgehalt angetastet worden war. Trotzdem: Ich hätte immer auf

unsere Demokratie geschworen. Heute betrachte ich die Wahl unseres Staatsoberhauptes, des Bundespräsidenten, als

abgeschmackte Komödie der Parteieliten, die mit uns nicht das Geringste zu tun hat. Ja mir kommt sogar der Satz über die

Lippen, dass aufgrund des Fraktionszwanges die Entscheidungen des deutschen Bundestages vorhersehbar sind wie damals die

Entscheidungen der DDR-Volkskammer. Und ja: Wenn ich mir zum Beispiel das politische System in Holland anschaue, dann kann

ich nach wie vor dazu stehen. Dort nämlich stehen die Mehrheiten nicht von vorneherein fest. Doch trotzdem frage ich mich, ob

meine Art, heute über Politik zu reden und zu schreiben, nicht einseitig und ebenfalls vorhersehbar geworden ist.

Lange Zeit hatte ich keine Zeit zu bloggen, obwohl ich das früher gern getan habe. Der Ohrfunk bestimmte mein Leben. Seit dem

1. April und der Programmreform im Sender habe ich wieder viel gebloggt. Das kam daher, dass ich als Inforedakteur, wie wir

das nennen, auch politische Kommentare schreibe. Und warum sollte ich die Texte, die ich fürs Radio schreibe, nicht auch in

meinem Blog veröffentlichen? Spätestens seit diesem Zeitpunkt habe ich täglich viele Stunden den Kopfhörer auf, suche nach

Nachrichten und Informationen, die ich verarbeiten kann, spreche mit Leuten, suche Interviewpartner und komme mit ihnen ins

Gespräch. Aber ich komme kaum noch dazu, mal richtig lange nachzudenken. Zum Beispiel habe ich mich vor kurzem entschieden,

entweder die Linkspartei oder die Piraten zu wählen. Aber wenn ich heute so sitze und länger darüber nachdenke, dann kommen

mir leise Zweifel. Die Linkspartei will viele der alten SPD-Themenfelder besetzen, vor allem die soziale Gerechtigkeit, von

der seit Gerhard Schröder bei den Sozialdemokraten keine Rede mehr ist. Aber früher hätte ich mich schon ausführlicher

gefragt, wie die Versprechen der Linken finanziert werden sollen. Ich hätte davor gewarnt, einfach die Partei mit den meisten

Versprechungen zu wählen, weil sie sich leisten kann, aus der Opposition heraus zu kritisieren, ohne selber an die

Finanzierbarkeit ihrer Vorhaben denken zu müssen. Aber kann der Kostenpunkt ein Grund sein, eine Partei nicht zu wählen,

deren konkrete Anliegen man eigentlich gut findet? – Eine Frage, über die man mal nachdenken muss. Oder ein anderes Beispiel:

Vor einigen Wochen habe ich den Wahl-o-maten benutzt. Ich hatte zum Vergleich die 5

Bundestagsparteien, die Piratenpartei und – aus reiner Neugier – die NPD ausgewählt. Als ich meine Thesen beantwortet hatte,

war auf dem ersten Platz die Linkspartei, dann die Grünen, dann die Piraten, dann die SPD und dann die NPD, noch vor FDP und

CDU. Bei einem zweiten Durchgang, bei dem ich auch die Möglichkeit der zusätzlichen Gewichtung der Thesen nutzte, rutschte

die NPD sogar noch einen Platz nach vorne, während die Piratenpartei absackte. Einen Moment lang habe ich mich erschrocken,

dann habe ich mir gesagt, dass populistische Aussagen halt viele Leutte anziehen, und dass das durchaus Thesen seien, die ich

vielleicht auch vertrete, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Das stimmt wohl auch, aber ich habe mich zum Beispiel nicht

gefragt, ob auch die Linkspartei populistische Thesen vertritt und ob ich nicht anfange, solchen Thesen unabhängig von der

Machbarkeit oder dem politischen Sachverstand mehr und mehr Gehör zu geben. Und ich frage mich, ob ich nicht selbst in meinen

Kommentaren angefangen habe, die Dinge, die ich betrachte, nicht mehr von allen Seiten zu beleuchten und zu analysieren,

sondern durch eine linke, durch Hartz und Antiterrorgesetzgebung gefärbte Brille zu sehen. Eine Brille, die ich mir

aufsetzte, als ich das Gefühl bekam, dass unsere Demokratie sich von ihren Verfassungsgrundsätzen entfernt und niemand mit

Macht eingreift. Dabei habe ich offenbar so ein wenig aus den Augen verloren, wer das denn ist, der da eingreifen kann. Es

sind doch wir, die Bürgerinnen und Bürger, die eingreifen müssen, und zwar nicht, indem wir uns enttäuscht von dieser

Demokratie abwenden, sondern indem wir ihre Grundsätze und Ziele verteidigen, sie zu unseren eigenen Grundsätzen und Zielen

machen, Verteidigen, was wir errungen haben. Und so etwas sollte konstruktiv sein und nicht nur daraus bestehen, bestehende

Verhältnisse anzuprangern. Wer da aufhört, keine Alternativen aufzeigt, destruktiv den Finger auff die Wunde legt, der ist

genau so wie die von mir eben angesprochenen Linken, die einfach alles, was in diesem Land geschieht, als kapitalistische

Ausbeutung brandmarken. Gegen so eine Pauschalvereinfachung habe ich mich immer gesträubt, aber jetzt frage ich mich, ob ich

nicht auf demselben Weg war oder bin.

„Deine Schlagworte und Themen kennen wir ja schon“, hat meine Liebste gesagt. Vielleicht hat sie einfach recht. Spätestens

seit dem Hungertod eines Hartz-IV-Empfängers in Speyer im April 2007 hat sich mein politischer Blick auf unser Land wohl sehr

verengt. Und vielleicht ist das sogar ein wenig auf mein restliches Leben übergeschwappt. Vielleicht bin ich griesgrämiger,

verbissener, leidender geworden. Vielleicht habe ich den gesunden Menschenverstand, auf den ich mir immer so viel eingebildet

habe, ein wenig ausgeschaltet. Vielleicht war ich der Ansicht, dass ich mich einfach mal eindeutiger positionieren müsse,

anstatt immer ein „ja aber andererseits…“ von mir zu geben. Vielleicht habe ich ein wenig den Glauben an unsere Demokratie

verloren, und ich glaube sicher, dass versucht wird, den Sozialstaat aus den Angeln zu heben. Aber Jammern allein ist

destruktiv, selbst wenn es trotzig ist. Meine Meinung war immer, dass man den Dingen, die einem nicht gefallen, mit

belegbaren, klaren Ansichten und guten Argumenten entgegentreten sollte, nicht mit Parolen und Schlagworten. Aber vielleicht

habe ich in meinen Kommentaren der letzten Monate, die ich auch hier im Blog veröffentlicht habe, genau das mehr und mehr

getan. Das wäre jedenfalls etwas, was ich unbedingt wieder ändern wollen würde.

Es tut gut, hier zu sitzen und die Gedanken einfach fließen zu lassen. Manchmal sind sie irgendwie verklemmt und verhakt. Ich

schreibe ziemlich viele komplizierte Sätze heute. Aber vielleicht muss das auch so sein, denn ich bin ja mit meinen

Überlegungen noch lange nicht am Ende angelangt. Was ich in jedem Falle weiß ist, dass auch in der Hektik des Alltages Zeit

für reifliche Überlegung bleiben muss, dass ich Themen, die mich interessieren oder über die ich schreiben will, wirklich in

meinen Gedanken beleuchten muss, und nicht nur, indem ich verschiedene Webseiten und Berichte darüber lese. Das gehört auch

dazu, klar, aber ohne eigenes Nachdenken kann man sich keine eigene Meinung bilden. Und ich glaube, ich brauche hin und

wieder die Möglichkeit, mich mit Themen rein privat auseinanderzusetzen und darüber zu bloggen, nicht nur, wenn ich etwas für

den Ohrfunk schreibe. Radiokommentare sind kurz und knackig. Aber zum Beispiel ein Beitrag wie dieser hier, der ist

vielschichtig und sperrig, und er braucht seine Zeit und seine Ruhe. Ich sollte versuchen, mal wieder etwas weniger plakativ

zu schreiben, mehr nachzudenken und weniger Schlagworte zu benutzen. Sie sind doch so schön eindringlich in einem

Radiokommentar, und so herrlich provokativ. Vielleicht: Aber wenn das meine derzeitige politische Bildung ist, wenn ich mich

von dem allgemeinen Gejammer anstecken lasse, von Panikmache und Endzeitstimmung, dann höre ich vielleicht irgendwann auf,

klar zu denken. Vielleicht suche ich dann eines schönen Tages in der Politik nach einfachen Lösungen, wie Populisten sie

immer parat haben. Das ist ja ihre Gefährlichkeit.

Und wie ist es nun mit der Wahl und der Linkspartei? Soll ich nun nach all dem Gesagten doch wieder die SPD wählen, als eine

Partei der realistischen und machbaren Politik? Okay, ohne Visionen, aber mit dem klaren Blick fürs Machbare? Doch hier muss

ich, leider, nicht überlegen. Frank-Walter Steinmeier besitzt für mich keine Glaubwürdigkeit. Er mag gemäßigt sein, ein

Technokrat eben, keiner der früheren SPD-Größen, die auch mal etwas wagen wollten, zum Beispiel „mehr Demokratie“. Aber er

hat als Kanzleramtschef die Hartz-Gesetzgebung mit vorbereitet, die Millionen Menschen als Faulenzer, Drückeberger und

Sozialschmarotzer in der Hängematte stigmatisiert hat. Und ich rede jetzt nicht vom Geld, sondern ausdrücklich nur von dem

Menschenbild, das dahinter steht und durch die Formel vom Fördern und Fordern verharmlosend ausgedrückt wird. Einem solchen

Mann kann ich meine Stimme nicht geben, auch wenn er im TV-Duell durchaus Dinge gesagt hat, die mich an meine

sozialdemokratischen Zeiten erinnerten. Nur kann ich gerade ihm die soziale Gerechtigkeit nicht glauben, die er angeblich

anstrebt.

Es bleibt dabei: Für mich kommen nur die Linkspartei und die Piraten in Frage. Und ich wünsche mir, dass die Piraten in den

Bundestag kommen, eine Partei, die die Bürgerrechte ins 21. Jahrhundert mitnimmt und weiterhin verteidigt; Trotz des

Internets und des 11. September.

Jetzt ist Mitternacht, der Wahltag beginnt. In weniger als einem Tag werden wir wissen, wie es weitergehen soll. Und ich

werde jetzt ruhig schlafen gehen, und morgen früh mache ich mich daran, eine Sendung zu produzieren.

© 2009, Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
Dieser Beitrag wurde unter Behinderung, erlebte Geschichte, Leben, Politik, Wahltag veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Endlich mal wieder Nachgedacht und meine persönliche und politische Mitte gesucht

  1. Pingback: Twitter Trackbacks for Mein Wa(h)renhaus » Endlich mal wieder Nachgedacht und meine persönliche und politische Mitte gesucht [jens-bertrams.de] on Topsy.com

  2. Pingback: Mein Wa(h)renhaus » Endlich mal wieder Nachgedacht und meine … | Blog Germany - Easy anda Fast Blog Search

  3. Pingback: Sammelmappe » Abschied vom Sommer und weitere Lesetipps

  4. Sammelmappe sagt:

    Das ist ein sehr langer, sehr persönlicher Artikel zu dem ich dich beglückwünsche. Ich möchte nur zu zwei kleinen Aspekten etwas kommentieren. Das erste ist das Gefühl der Griesgrämigkeit, das kenne ich auch und es wichtig, es ernst zu nehmen und manchmal auch mal wieder einen Schritt zurückzutreten, damit man auch wieder die anderen Dinge sehen kann kann. (Blöder Vergleich, aber du weißt, was ich meine, hoffe ich) Andererseits ist es eben auch wichtig, dass die Dinge, die verkehrt laufen, immer und immer wieder angesprochen werden, dass sie beim Namen genannt werden und das ist eben keine lustige Angelegenheit, das ist öde – aber notwendig.
    Wichtig ist halt, dass man ab und zu sich Abstand einräumt und die Dinge des Lebens geniesen kann, die vom politischen Themen unberührt sind.
    Zu der zweiten Angelegenheit: Dass die Forderung, dass das Blindengeld nicht abgeschafft werden sollte, eine Forderung nach Almosen ist. Das ist nicht richtig. Denn richtig ist, dass dieses Geld gebraucht wird. Jedenfalls von denen, die wenig Geld haben. Es ist einfach ein Unterschied, ob ein gesunder nichtbehinderter Mensch wenig Geld hat oder ein kranker oder behinderter Mensch. Das sind keine Almosen! Diese Leistungen als Almosen anzusehen, das ist genau das, was sich bestimmte Menschen wünschen. Es geht darum, Menschen zu denunzieren, sie auf ihre „Leistungsfähigkeit“ zu reduzieren. Es geht darum durch Sprache auszugrenzen. So wie du zu Recht, dieses Hängematten-Schmarotzer-Bild kritisierst. Kritik ist nicht Jammern!
    Bleib weiter kritisch und stark. Aber vergiß die Freude nicht.

  5. @Sammelmappe: Vielen Dank! Ich glaube, dass Christiane nicht das Blindengeld meinte, sondern sie hat wohl ein wenig gefühlt, was hinter meiner Angst, am Rande der Gesellschaft zu stehen, wenn Schwarz-Gelb an die Regierung kommt, wirklich steckte. Man gerät hin und wieder in eine etwas übertriebene Jammerstimmung, und dann verdammt man alles und jeden. 🙂 Aber um meine Lebensfreude braucht sich dabei niemand Sorgen zu machen. Die bleibt. Ich merke eben nur, dass ich anders mit Politik umgehe als früher, und dass mich das manchmal in den nichtpolitischen Alltag verfolgt, weil ich halt ein sehr politischer Mensch bin.

  6. Das Nest sagt:

    ja, das mit der Stille, die man während dieser riesenüberflutung an Infos braucht, kann ich sehr, sehr gut verstehen. Und auch, wie gut das tut, wenn man sie sich dann einräumt. Und man merkt es Deinem Artikel auch an.

  7. Christiane sagt:

    Huch, ich lese gerade erst, was ich „angerichtet“ habe… Es geht mir nicht um Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen. Es gebt mir um Hartz IV. Das sind für mich nicht mehr als Almosen, auch jetzt schon und auch nach der Kürzung durch Schwarz-Gelb oder wen auch immer.
    Die Beschäftigungsquote behinderter Menschen liegt bei 20% in Deutschland, soweit ich weiß. Das heißt 80% arbeiten nicht. Für mich ist es keine Lösung Hartz IV zu erhöhen (oder zu kürzen), sondern die Leute in Lohn und Brot zu bringen. Und zwar nicht nur wegen des Geldes, sondern weil das die Lebensqualität behinderter Menschen verbessern würde. Wiederum nicht nur wegen des Geldes, sondern weil Arbeit auch eine soziale Funktion hat: Man hat eine Aufgabe, trifft Kollegen, ist gefordert, hat Erfolge etc.
    Mich ärgert die schlechte Beschäftigungsquote genauso wie Dich Hartz IV ärgert. Ich glaube auch nicht, dass die Mehrheit nicht arbeiten will, sondern die Probleme viel komplexer sind, gerade bei behinderten Menschen. Aber keiner bietet für diesen komplexen Probleme Lösungen an. Die Erhöhung von Hartz IV wäre eine Notlösung, mehr nicht. Es würde die finanzielle Lage der Leute etwas verbessern, aber nicht die soziale Lage. Auch wenn man Hartz IV verdoppeln würde: Große Sprünge kann man davon immer noch nicht machen und die soziale Funktion von Arbeit ist immer noch nicht gegeben. Almosen eben.
    Ansonsten stimme ich Dir zu. Ich bin mit Schwarz-Gelb auch nicht glücklich (auch wenn ich Merkel für eine gute Kanzlerin halte – schau Dir mal das Video mit ihr und People First an). Aber Hartz IV ist nur ein Symptom, keine Lösung des Problems.

Schreibe einen Kommentar