Missbrauch wohin das Auge sieht – Ein Rundumschlag

Ich gebe zu, dass dieser Kommentar, der bei Ohrfunk.de am 18. März 2010 veröffentlicht wurde, in einem wütenden Zustand entstand. Aber ich bereue nichts.Was erwarten Sie von einer Schule, deren Träger sich Nächstenliebe und Barmherzigkeit, Gnade und Güte auf die Fahnen schreiben? Sicher: Es wird immer mal Einzelfälle geben, in denen Einzelpersonen über die Stränge schlagen und das hohe Ideal verraten. Aber zu hunderten, in mindestens 20 Ländern der Erde, hin und wieder mit Billigung der eigenen Obrigkeit, zumindest aber mit schweigender Duldung oder peinlich berührtem Wegschauen? Haben Sie das erwartet? Haben Sie erwartet, dass tausende von Jungen und auch einige Mädchen in christlichen Schulen regelmäßig misshandelt und sexuell missbraucht wurden und vermutlich werden? Sind das wirklich noch die Einzelfälle verirrter Seelen, denen man mit Milde und Barmherzigkeit begegnen muss? Muss die Kirche sich demonstrativ hinter Amtsträger stellen, die ihre Schutzbefohlenen immer wieder systematisch quälen? Darf die Obrigkeit dieser Kirche, die sich für unfehlbar in Glaubensfragen hält, diesem Massenphänomen schweigend gegenüberstehen?

Ich höre sie schon, die Reflexhaften Widersprüche nach dem Motto: „Es sind nach wie vor Einzelfälle, die Religion ist nicht schuld, auf keinen Fall hat das etwas mit dem Zölibat zu tun.“ Anstatt Güte, Nächstenliebe und Gnade für die Opfer walten zu lassen, anstatt beschämt und demütig vor Gott und den Menschen das Haupt zu senken, anstatt mit mächtigem Besen auszumisten, was seit Jahrhunderten hätte ausgemistet werden müssen, erhebt die heilige Mutter Kirche ihr stolzes Haupt in ungebrochener Rechtfertigung und Vertuschung. Wie Menschenverachtend muss die Struktur einer Kirche und ihrer Religiösen Regeln sein, dass derart abscheuliche Sexualverbrechen an den Schwächsten immer wieder und überall vorkommen konnten? Wie tief muss man das Fundament unseres christlichen Abendlandes eigentlich ausgraben und umgestalten, um solches in Zukunft zu verhüten? Was soll aus der größten Religionsgemeinschaft der Welt werden, wenn sie mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, die Frauen nämlich, so konsequent verachtet und fürchtet? Den Priestern reicht es offenbar nicht, mit Jesus und der Mutter Kirche verheiratet zu sein.

Aber wie wir wissen, ist sexueller, durch allgemeine Strukturen geförderter Missbrauch in religiösem Kontext kein Problem des Christentums allein. Im Jemen zum Beispiel wird die Hälfte aller Mädchen mit 8 oder 10 Jahren verheiratet, und natürlich wird dies mit dem Koran begründet. Es ist selbstverständlich, dass sie dann bereits sexuellen Verkehr erdulden müssen. Dass jetzt kleine Mädchen die Scheidung verlangen, wühlt die jemenitische Gesellschaft ganz schön auf. Schon höre ich wieder die professionellen Abwiegler: „Das sind Einzelfälle. Das hat nichts mit dem Islam und dem Koran, nichts mit der Religion zu tun, das ist ein Stammesproblem.“ Wirklich? In Afrika die Beschneidung, in Arabien die häusliche Unterdrückung und die Verbannung aus dem öffentlichen Leben, im Jemen die Zwangsheirat im Kleinkindalter mit schweren psychischen und physischen Folgen, bei der Hälfte der weiblichen Bevölkerung? Einzelfälle? Stammesprobleme ohne religiösen Bezug? 99 Prozent der Muslime würden so etwas nie tun und sind ganz normale Leute, heißt es immer. Daran glaube ich nicht! Die Strukturen sind alt, überholt und geschaffen zur Unterdrückung von Menschen, geschaffen zur Ausübung von Macht und Autorität. Nicht nur im Islam, auch in der katholischen kirche. Wir sind nicht besser als der Islam, auch wir dürfen nicht mit dem Finger auf sie zeigen, nur haben es mehr Menschen in Europa vermocht, sich von den autoritären religiösen Strukturen zu lösen.

Oder doch nicht? Ein Fernsehexperiment französischer Wissenschaftler treibt mir einen Schauer über den Rücken. Es wurden Kandidaten für eine fingierte Fernsehshow gesucht, die einer Testperson bei falscher Beantwortung von Fragen Stromstöße verabreichen, Stromstöße bis zu 450 Volt. Die Testperson war ein Schauspieler, die Stromstöße waren fingiert, die Kandidaten wurden vom Publikum und einer hübschen Moderatorin angefeuert, und sie konnten die Testperson nicht sehen, nur hören. 80 Prozent der ausgesuchten Kandidaten gingen unter dem Gejohle des Publikums und mit der Anfeuerung der Moderatorin so weit, Stromstöße bis 450 Volt auszuteilen, auch als die Testperson flehte und bettelte und schließlich ganz verstummte. Die neue Religion, das neue Ventil unserer versteckten Machtgelüste, ist das Fernsehen, vor allem die Privatsender, die in ihren Reality-TV-Experimenten immer weiter gehen und die Menschenwürde in keiner Weise mehr achten.

Wie sollten sie auch in einer Welt, in der nicht die Nächstenliebe zählt, nicht die Hinwendung zu den Schwachen, sondern Macht, Geld und Einfluss. Wo Humanismus nur noch ein Ausdruck der Schwäche ist, muss auch die Religion nicht mehr zur Nächstenliebe, sondern nur noch zum Gehorsam erziehen. Was wir dringend brauchen, sind neue Werte. Werte, die Abstand nehmen von den religiösen oder finanziellen idealen, Werte, die es Autoritäten wie Priestern, Wissenschaftlern oder heißen Moderatorinnen unmöglich machen, Menschen zu quälen, zu missbrauchen oder medienwirksam zu Tode zu foltern.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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5 Antworten zu Missbrauch wohin das Auge sieht – Ein Rundumschlag

  1. Eva sagt:

    Zu der rhetorischen Frage, ob wir Leser/innen solch ein Verhalten von der Kirche erwartet hätten, eine unrhhetorische Antwort: Ja. Geprägt haben diese Erwartungen 3 Bücher, nämlich „ich war die Geliebte des Bischofs“ (Autorin fällt mir gerade nicht ein, lässt sich aber sicher recherchieren) und das „Ketzerbrevier eines altöttinger Ministranten“ von Fritz Letsch. Nicht zu vergessen „Persilscheine und falsche Pässe“ von Ernst Klee. In allen 3 Büchern geht es um die Verlogenheit der katholischen Kirche, in zweien auch um das sehr von Doppelmoral geprägte Verhältnis der kath. Kirche zur Sexualität. Und natürlich hat das etwas mit dem Zölibat zu tun, aber nicht nur. Und natürlich hat das etwas mit Religion zu tun, aber nicht nur. Durch den Zölibat bindet die kath. Kirche vermehrt Menschen an sich, die von vornherein ein problematisches Verhältnis zum Thema Sexualität haben, und jede Religion, egal ob Christentum, Islam oder andere, ist ein Gebilde aus ethischen Forderungen, und es liegt leider in der menschlichen Natur, diese Ideale mit Füßen zu treten. Zumindest in _der_ natur, die ehrgeizig genug ist, sich in Machtpositionen hochzuarbeiten. Früher hatte ich ein positiveres Mnenschenbild, aber die Erfahrung hat mich in diesem Fall leider eines Schlechteren belehhrt.

  2. Eva sagt:

    Da hatte ich doch noch etwas vergessen: Das Experiment im Fernsehen ist nicht ganz neu In den 80ern erzählte uns Elftklässlern am Gymnasium unser Deutschlehrer von dem gleichen Experiment, nur dass es damals noch nicht mit Beteiligung des Fernsehens durchgeführt wurde. Die Ergebnisse wren ähnlich.

    Sorry für die Tppfehler.

  3. Ron sagt:

    Wenn jemand ein scheussliches Bild im Internet findet und es im Browsercach seines Rechners landet hat er Hausdurchsuchungen, Anschuldigungen und ist gebrandmarkt als Kinderschänder bis zum Ende seiner Tage. Bei einem katholischen Priester sieht es anders aus, wenn überhaupt wird er versetzt und kann seinen perversen Neigungen weiter gehen. Letzt rief mich jemand von unserem katholischen Kindergarten an (ging um Spenden) und als ich meinte ich werde nichts für Katholiken spenden, nicht eher sie ihren Schweinestall aufräumen, meinte sie so eine Unverschämtheit und legte auf.

  4. Flug sagt:

    Das kann doch einfach nicht wahr sein! Ich frage mich schon seid Jahren, warum es immer noch das Zölibat in der katholischen Kirche gibt. Denn ich bin mir sicher, dass es damit zusammenhängt! Wer möchte denn in der heutigen Zeit auf Familie und Sexualität verzichten? Das zieht doch einfach Menschen mit krankhaften Neigungen an und begünstigt ihren perversen Dran noch zusätzlich. Jeder Mensch hat sexuelle Wünsche und braucht Befriedigung auch ein Priester! Es ist einfach erschreckend, was oder passiert ist und das die Kirche bescheid wusste, aber nichts unternommen hat ist für mich ein Grund aus der Kirche auszutreten!

  5. Bieler sagt:

    [b]Der stinkende Schmutz aus christlichem Geist[/b]
    Die aktuellen Veröffentlichungen und Ermittlungsverfahren zu Missbrauchsfällen innerhalb kirchlicher Organisationen wie Klöstern, Schulen, Pfarreien zeigen überdeutlich nicht nur die verbrecherischen Entartungen der vergangenen Jahrzehnte im Namen einer Christusfigur.
    Sie untermauern auch die Berichte über alle Verbrechen, die aus dem Mittelalter bekannt sind.
    Sie zeigen auf die Ursachen der Völkermorde und Naturzerstörungen während der Besiedlung Amerikas:
    Juden- und Christentum – ich unterscheide hier NICHT – basieren auf der Entwertung aller Naturerscheinungen und sind die Ursache für die Entartung menschlicher Vernunft.

    Das Kranke und Widernatürliche lag schon früzeitig in der Wiege der monotheistischen Entwicklung: Inzucht, Kindermord, Verstümmelungen und Folter.

    Menschen, welche rechtschaffen erzogen wurden und sich „gutgläubig“ in die Gesellschaft einbringen wollten und immer noch wollen, wurden und werden vergiftet vom Wahn dieses jüdisch-christlichen Irrglaubens.

    Die Ursachen dieser Krankheit liegen offen zutage und sind für jeden Menschen sichtbar: Negierung der Natur.
    Natur aber ist Fortpflanzung und jeder Eingriff in diesen natürlichen Mechanismus muss zwangsläufig in krankhafter Entartung münden.

    Nicht zufällig zeigen sich diese Entartungen in sexueller Verirrung und niederer Denkungsart, wie sie nur bei Menschen zu finden ist – nicht bei den Tieren.

    Nicht zufällig werden Gläubige gezwungen bzw. genötigt, sich an Sexualorganen beschneiden zu lassen!
    Es ist kein Zufall, wenn Kinder sexuell missbraucht werden von Trägern christlicher Autorität!

    Das Christentum in seiner Gesamtheit ist als die gewaltigste Umweltverschmutzung seit über 2000 Jahren zu betrachten.

    Der Islam, die modernere Variante des Judentums, ist v.a. schlicht und gewalttätig, weil deren Anhänger über eine geringere Urteilskraft verfügen.
    Sie setzen auf Terror, anstatt auf Diskurs und Meinungsstreit.

    Das Christentum hingegen ist Ausdruck einer tief verwurzelten geistigen Krankheit, geboren aus Schwäche, Minderwertigkeit und Fortpflanzungsunfähigkeit.

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