Der Boobs Quake Day – eine kreative Antwort

Den folgenden Kommentar habe ich am 27.04.2010 auf ohrfunk.de veröffentlicht.Na? Hat es bei Ihnen gerumst? Ich meine: Sind Sie gestern in den Genuss eines richtig schönen Erdbebens gekommen? Ein iranischer Geistlicher hatte es indirekt prophezeiht. Ach: Haben Sie das nicht gehört? Nun: Wir vom Ohrfunk gehen gern gegen Bildungslücken vor, also hören und staunen Sie:

Seit einigen Tagen weiß die wissenschaftliche Welt, wie Erdbeben entstehen. Man nehme eine Horde ganz normaler Frauen, lasse sie sich ganz normal kleiden so wie es dem frühlingshaften Wetter angemessen ist. Diese Frauen sind schuld am Erdbeben, sagt zumindest der iranische Geistliche Kasem Sedeghi. Der Imam, der in Teherans größter Moschee das Freitagsgebet leitet, sagte vor ein paar Tagen: „Viele Frauen, die sich nicht angemessen kleiden, verführen junge Männer zur Unkeuschheit und verbreiten Unzucht in der Gesellschaft, was letztendlich zu Erdbeben führt.“ Einzige Rettung, um nicht in den Trümmern begraben zu werden, sei die strikte Einhaltung religiöser Vorschriften und die Hinwendung zu Gott, erklärte der Geistliche. Vielleicht macht er damit auf die jungen Menschen in Teheran Eindruck, die seit Monaten in vielerlei Hinsicht den Aufstand gegen das klerikale Regime proben. Zum Beispiel tragen junge Frauen, die im Iran verpflichtet sind, praktisch ihren ganzen Körper zu bedecken, eng anliegende Mäntel, die mehr zeigen als verhüllen. Teheran liegt in einem Erdbebengebiet, und die Angst vor einem gewaltigen Beben in den nächsten Jahren ist dort sehr groß. So groß, dass sogar der iranische Präsident Ahmadinedschat vielen Bewohnern riet, aus Teheran wegzuziehen. So lautet also die kaum verhüllte Botschaft: „Junge Frauen Teherans: Wenn es hier demnächst krachen sollte, seid ihr schuld!“

Die wissenschaftlich interessierte Internetgemeinde reagierte auf die einzige Art, die in diesem Falle angemessen ist, mit einem wissenschaftlichen Feldversuch. Angeführt von der Bloggerin Jennifer McCreight wurde gestern überall auf der Welt die Aktion „boob quake“ durchgeführt. An diesem Tag sollten alle Frauen, die sich beteiligen wollten, in ihrem für Sedeghi provozierendsten Outfit herumlaufen und ihre Brüste zeigen, sowohl auf der Arbeit, als auch privat. Sollte Sedeghi mit seiner These von den Erdbeben recht haben, so erklärte die beherzte Bloggerin, sollte es den Frauen doch gelingen, wenigstens einen kleinen Erdstoß hin zu bekommen, der anmessbar sein sollte. Darum meine Frage, ob Sie ein Erdbeben erlebt haben. Allerdings hat sich Sedeghi nicht darüber ausgelassen, in welchem zeitlichen Zusammenhang die Ereignisse stehen. Was wäre, wenn das Erdbeben, das zum gestrigen „Boobs quake“ passt, erst in fünf Jahren erfolgt? Dann braucht es schon einen Kasem Sedeghi, um das zu erkennen und zu deuten.

Der deutsche Blogger und Wissenschaftskenner Lars Fischer veröffentlichte nun in seinem „Fischblog“ eine andere These. Die letzten Erdbeben hätten in Haiti und Chile stattgefunden, Gebieten also, die für ihre Religiösität bekannt seien. Vermutlich hingen die Erdbeben mit der Religion zusammen und würden durch sie ausgelöst. Auch in Deutschland sei dies zu beobachten: Die meisten Erdstöße erfolgten im katholischen Süden und Westen, während der größtenteils atheistische Nordosten tektonisch gesehen ruhig sei. Diese These klingt, bei aller Toleranz, recht einleuchtend. Und wenn Sie, wie ich auch, kein Erdbeben erlebt haben am Boobs Quake Day, dann dürfen wir die These des Herrn Sedeghi wohl als wissenschaftlich unhaltbar betrachten.

Schlimmer ist, was er in den Köpfen derjenigen Menschen hinterlässt, die sich von ihm geistige Führung und Rat erhoffen. Was muss dieser Mann, was muss der Islam, ja was muss jede Art patriarchalischer, monotheistischer Religion für eine Angst vor der sanften Macht der Frauen haben. Eigentlich müssten all diese Männer so sehr zittern, dass Mutter Erde selbst sich schütteln müsste.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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