Der Fußball, die Medien und der Präsident

Den folgenden Kommentar habe ich am 23. Juni 2010 auf ohrfunk.de veröffentlicht.Wer fliegt denn nun nach Südafrika, sollte die deutsche Fußballnationalmannschaft ins Endspiel der 19. Fußballweltmeisterschaft kommen? Joachim Gauck oder Christian Wulff? Ganz sicher wird Angela Merkel dabei sein, denn allein die Endspielteilnahme wird das schlechte Abschneiden der Regierung im Inland für einen Moment vergessen lassen. Das unwürdige Gezerre, Geschiebe, Geschacher und Gezänk ums Sparpaket, die Gesundheitsreform und die Regierungsfähigkeit von Union und FDP wird immer mehr Bürger zu politikverdrossenen Einzelgängern machen. Und ja: Der Regierung wäre dies nützlich. Wer kein Interesse an Politik hat, der geht auch nicht wählen, der straft die Regierung auch nicht ab, der lässt sich auch die härtesten Einschnitte ins soziale Netz als Rettungspaket verkaufen. Alle reden, wie immer, von Krise. Dabei ist das Einzige, was krisenhafter ist als vor einem oder zwei Jahren, der Journalismus. Der braucht nämlich die Krisen- und Sensationsmeldungen. Denn die tatsächlichen Nachrichten im Wirtschaftsbereich sind doch eher ermutigend: Der Geschäftsklimaindex steigt, die Arbeitslosigkeit geht, wenn auch sehr langsam, zurück, und der Staat muss weniger Schulden machen als befürchtet. Das wird zwar mitgeteilt, gleich aber vom Krisengeschrei wieder übertönt.

Viele prophezeihen ja das Ende der Regierung. Streit um die Gesundheitsreform, das Sparpaket, die Steuern, die Bundeswehr und viele andere Themen sorgen dafür, dass die Journalisten täglich den Sturz der Regierung herbeischreiben. Aber sie wird den Damen und Herren von der Presse den Gefallen nicht tun. CDU und FDP sind in einer komfortablen Position. Bei Neuwahlen würden sie radikal verlieren. Es wäre sogar möglich, dass man stabile Verhältnisse links der Mitte erreichen könnte. Das muss unter allen Umständen verhindert werden, und allein deshalb wird die Regierung halten. Und da sich in drei Jahren ohnehin kaum noch jemand von denen, die die Regierung nicht wählen würden, für Politik interessiert, kann man hoffen, dann wieder einen Sieg zu erringen, wenn auch mit einer sehr geringen Wahlbeteiligung. Dass man gleichzeitig den sozialen Frieden im Land zerstört hat, ist nicht so wichtig, denn sollte es Ausschreitungen von der Politik enttäuschter Unterschichtler geben, hat man gleich wieder einen Grund, die Sicherheitsgesetze zu verschärfen.

Was aber, wenn die DFB-Auswahl nicht ins Endspiel kommt? Nun, auf die Politik dürfte das keinen Einfluss haben. Der Fußball ist ebenso wenig Grund für einen Aufschwung, wie die verhinderte Wahl Christian Wulffs zum Bundespräsidenten Grund für das Scheitern der christlich-liberalen Regierung wäre. Wenn auch die sächsische FDP Gauck statt Wulff wählen wird, die Mehrheit in der Bundesversammlung hat er immer noch, selbst wenn die Linken am Ende doch Gauck wählen sollten. Das scheint aber fast unmöglich, denn nachdem Luk Jochimsen gesagt hat, die DDR sei kein unrechtsstaat gewesen, würde sich wohl Joachim Gauck kaum noch von den Linken wählen lassen. Ach Frau Jochimsen, das war ungeschickt und viel zu juristisch spitzfindig für unsere moderne Medienwelt. Sicher war die DDR im juristischen Sinne kein Unrechtsstaat, denn es gab keine offen diskriminierenden Gesetze wie im dritten Reich, alles war rein juristisch demokratisch und fortschrittlich aufgebaut, es handelte sich nicht einmal um ein ein-parteien-System. Alles richtig: Aber wer will bestreiten, dass es sich im Alltag für den einzelnen Bürger um einen Unrechtsstaat, oder sagen wir Willkürstaat, gehandelt hat? Aber das mache man mal den Sensationsmedien begreiflich.

Wer fliegt denn nun eigentlich nach Südafrika: Christian Wulff oder Joachim Gauck? Ich lege mich mal fest und sage „gar keiner“, denn die deutsche Mannschaft wird das Endspiel nicht erreichen, so sehr man sie auch zunächst in den Himmel lobte, um sie einige Tage später wieder zu verteufeln, in den Medien.

Und was ist jetzt mit Nordrhein-Westfalen? Nein: Davon werden wir euch in unserer nächsten Geschichte erzählen.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
Dieser Beitrag wurde unter erlebte Geschichte, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Der Fußball, die Medien und der Präsident

  1. nbranx sagt:

    sehr gut geschrieben! gefällt mir! stellt sich mir doch auch die frage warum überhaupt ein politiker zum endspiel fahren muss – im grunde sind es nur wieder kosten die entstehen und die von steuerzahler übernommen werden müssen. 🙂 für die allgemeine stimmung wäre es doch sehr schön und aufheiternt wenn deutschland ins endspiel kommen würde mit oder ohne politiker….

Schreibe einen Kommentar