Ein politisch unkorrekter Wutausbruch zum Fall Dominique Strauss-Kahn

Dieser beitrag ist nicht sachlich, nicht besonders durchdacht, und er erhebt keinerlei Anspruch auf journalistische Ausgewogenheit. Er ist politisch unkorrekt. Und sagen Sie jetzt nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt. – Ach ja: Manchmal muss man auch politisch unkorrekte Dinge sagen.

Jeder mag Verschwörungstheorien. Ich nicht! Trotzdem: Heute kann ich einfach nicht anders. Immerhin, ich habe fast 2 Monate nichts zu dem Fall geschrieben.

Die spektakuläre Anklage gegen den Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat sich ja wohl in Luft aufgelöst. Irgendwie hatte ich das erwartet, und ich hätte das Mitte Mai schon schreiben sollen, dann wäre ich jetzt vermutlich als Hellseher berühmt. Manchmal passieren Dinge, die bei etwas genauerem Nachdenken sehr durchschaubar sind.

Eine 32jährige Frau aus Guinea, die seit Jahren im new yorker Sofitel-Hotel arbeitete, bezichtigte Strauss-Kahn am 14. Mai der versuchten Vergewaltigung. Sie sei in seiner Suite von dem Franzosen belästigt worden. Auf dem Flughafen wurde der Ex-IWF-Chef festgenommen, kurz bevor seine Maschine das Land verließ. Die Frau hatte leichte Verletzungen und hatte sich ordnungsgemäß in einem Krankenhaus behandeln lassen. Es hatte auch schon zweimal zuvor Vergewaltigungsvorwürfe gegen Dominique Strauss-Kahn gegeben. Es sah so aus, als habe der Mann nun ein echtes Problem, die Hotelleitung bescheinigte der Klägerin, sie sei eine langjährige Angestellte, an deren Glaubwürdigkeit es keinen Zweifel geben könne.

Und jetzt sind genau diese Zweifel aufgetaucht. Zweifel, die ich genau so erwartet habe. Bei der Einreise vor vielen Jahren in die USA soll die Frau falsche Angaben gemacht haben, die nicht näher spezifiziert werden. Über eine erfolgte Massenvergewaltigung in ihrem Heimatland soll sie gelogen haben. Wie will man das heute noch herausfinden? Außerdem, so räumt die Staatsanwaltschaft ein, habe sie 28 Stunden nach der Festnahme Strauss-Kahns mit einem Freund telefoniert, der im Gefängnis sitzt, und sie habe ihm gesagt, dass „der Typ“, also Strauss-Kahn, genug Geld habe und dass sie wisse, was sie tue. Die New York Post bezeichnete die Frau sogar öffentlich als Prostituierte und mutmaßliche Kriminelle.

Übrig bleibt also eine geldgeile Afrikanerin, die schon bei ihrer Einreise gelogen hat, und die gerade im Bereich Vergewaltigung besonders gern die Unwahrheit sagt. Alle aufrechten Männer haben es schon immer gewusst: Dominique Strauss-Kahn, der große Finanz- und Lebemann, muss unschuldig sein, egal, ob dieses Zimmermädchen etwas Anderes sagt.

Natürlich muss man mit den billigsten Rassen-, Konsum- und Asylklischees diesen Vorwurf gegen einen mächtigen Finanzmann kippen. Und natürlich ist die Frau eben genau das: Nur eine Frau.

Wir leben im 21. Jahrhundert, zumindest sollten wir das. Wir bilden uns so viel ein auf Zivilisation, Menschenrechte und all die anderen Errungenschaften der aufgeklärten Moderne. Nicht zuletzt reden alle von Gleichberechtigung der Geschlechter. Wenn aber die absolut unmittelbarste Voraussetzung für Gleichberechtigung nicht gegeben ist, die sexuelle Selbstbestimmung und die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und in der Gesellschaft, kann es nichts werden damit, dann sind es nur hohle Worte. Solange eine Frau Angst haben muss, sich irgendwo aufzuhalten, nur weil es immer noch Männer gibt, die unbedingt ihren Machtwahn befriedigen oder bestenfalls ihren Frust an körperlich Schwächeren auslassen müssen, so lange leben wir eben nicht in einer gleichberechtigten Gesellschaft. Und wenn sich schon eine Frau traut, auch einen mächtigen Mann anzuzeigen, dann ist es ein Zeichen von Unzivilisiertheit, dass wir nicht objektiv ermitteln. Warum, so frage ich mich, wurde eigentlich das Telefon der Frau abgehört? Da muss man ihr doch von vorne herein eine Lüge unterstellt haben und nach Beweisen für diese Vermutung gesucht haben? Für mich ist das purer Sexismus! Oder es ging von Anfang an nur darum, Strauss-Kahn reinzuwaschen.

Vielleicht hat das Telefonat, das in einem seltsamen afrikanischen Dialekt geführt worden sein soll, und das man deshalb erst nach 6 Wochen übersetzen konnte, in Wirklichkeit gar nicht stattgefunden? Den Inhalt kann ohnehin keiner überprüfen, eine exotische Sprache ist da sehr praktisch. Vielleicht ist es nur Teil des Plans, Dominique Strauss-Kahn raus aus dem Gefängnis und rein in die Medien zu bringen? Das könnte, muss aber nicht, mit dem französischen Wahlkampf zu tun haben. Mal schauen, was man mit der Französin macht, die ihn jetzt ebenfalls wegen Vergewaltigung angezeigt hat.

Es gibt Augenblicke, da schäme ich mich dafür, ein Mann zu sein. Dafür, dass es immer noch Männer gibt, die nicht mit dem Kopf denken. Dafür, dass ihnen die einfachsten Regeln zwischenmenschlichen Respekts abgehen. Das ist für mich völlig unabhängig von der Frage, ob Strauss-Kahn in diesem speziellen Fall schuldig ist oder nicht. Aber die Würde eines mutmaßlichen Vergewaltigungsopfers auf diese medienwirksame Weise zu demontieren und in den Schmutz zu treten halte ich für Geschlechtsbarbarei!

Natürlich bin ich für die Unschuldsvermutung. Sie soll sogar für Reiche gelten, so tolerant will ich sein. Ich bin auch dafür, die Frau zu bestrafen, wenn sich objektiv herausstellen sollte, dass sie den Ex-IWF-Direktor falsch belastet hat. Aber stellen Sie sich mal vor, sie werden niedergeschlagen, gedemütigt oder so etwas, gehen zur Polizei und erfahren dann, dass man Ihnen nicht traut und von dem Moment an ihr Telefon abhört, weil Sie eine bekannte, mächtige Person beschuldigen. Was würden Sie dann tun? Was, wenn Ihr Leben in den Zeitungen nicht nur ausspioniert wird, sondern wenn dann Lügen über sie verbreitet werden? Mich erinnert dies an „die verlorene Ehre der Katharina Bluhm“. Mindestens 40 Jahre nach dem offiziellen Ende des Patriarchats gelingt es durch das Ansprechen einfachster männlicher Instinkte immer noch spielend, den Ruf einer Frau zu ruinieren, die – unterstellen wir ihr Ehrlichkeit, weil ja auch hier die Unschuldsvermutung gilt – nur ihre Rechte einfordert. – Was? – Ja, genau. Unschuldsvermutungen gelten sogar für Frauen!

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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