Reichensteuer auf Anfrage

Meine Frau befahl mir, künftig in meinem Blog auch mehr über positive Dinge zu schreiben, sozusagen als Ausgleich für die dauernd von mir verbreiteten oder kommentierten schlechten Nachrichten. Ohne Hoffnung und positive Beispiele wäre ein gutes Engagement oft nicht möglich. Mit diesem Posting trage ich ihrem Befehl Rechnung.

Die französische Regierung will schnellstmöglich eine sogenannte Reichensteuer erheben. Ihre Höhe soll 3 % betragen, und sie soll so lange gelten, bis Frankreich die europäischen Stabilitätskriterien im Bezug auf die jährliche Neuverschuldung wieder erfüllt. Jahreseinkommen von 500.000 Euro und mehr sind davon betroffen, meldete die Tagesschau gestern. (Ich füge den Link nicht ein, weil die Tagesschau ja inzwischen dazu gezwungen wird, ihre Meldungen nach kurzer zeit zu Depublizieren. Solange die Tagesschau ihrer Informationspflicht nicht nachkommt und nachkommen darf, darf ich auch einen Link auf eine nur zeitweilig zur Verfügung stehende Seite verweigern.) Nun sollte man meinen, die Reichen Frankreichs protestieren, verlassen das Land, verüben massenhaft Kapitalflucht. Aber nichts dergleichen geschieht. Mehrere Konzernchefs hatten sogar öffentlich angeboten, sich mit ihrem Privatvermögen an der Lösung der Schuldenkrise Frankreichs zu beteiligen. Können Sie sich das in Deutschland vorstellen? Ich kann es, wie ich in einem Bericht über den deutschen Reeder Peter Krämer schrieb. Dass es Menschen gibt, die reich sind und dazu noch ein gerüttelt Maß an Verantwortungsgefühl ihr eigen nennen, freut mich aufrichtig, und das ist mehr Reichtum, als materieller allein bieten kann.

Bei all den negativen Tendenzen, die wir in unserer Gesellschaft feststellen, gibt mir diese kleine Episode zu denken. Dass unsere deutsche Regierung keine solchen Schritte wie die Franzosen unternimmt, spricht mehr gegen die Regierung als gegen die Reichen. Das Argument, warum das in Deutschland unmöglich sei, ist oft, dass man „die Reichen“ nicht zu einer Kapitalflucht anregen will. Vielleicht sind aber viele besser als ihr Ruf. Ich lerne jedenfalls, dass es keinen Sinn ergibt, Menschen allein deshalb zu verurteilen, weil sie reich sind. Das mag eine Binsenweisheit sein, ist aber für viele sozial engagierte Kopfhelden und Provokateure keine Selbstverständlichkeit.

Einer, mit dem ich in letzter Zeit interessanten politischen Austausch hatte, behauptete, ich sei ein Idealist. Er bezog das auf meinen Bericht über London, in dem ich eine bessere Erziehung mit positiven Werten als eine der Lösungsmöglichkeiten für das Generationsproblem vorschlug. Seiner Ansicht nach ist die Ökonomie des kapitalistischen Systems das große Übel. Da wir aber keine Alternative zum gemäßigt kapitalistischen System haben, zur berühmt-berüchtigten sozialen Marktwirtschaft, bin ich gern Idealist. Und Berichte wie dieser hier bestärken mich in diesem Streben. Wenn die Leute mit Geld selbst anbieten, ihren Beitrag zur Lösung einer Krise zu leisten, hebt sich das meiner Meinung nach sehr wohltuend ab von dem, was man sonst über Manager und Banken hört. Das rechtfertigt auch einen gewissen Idealismus.

Viele sagen, die Welt ist durch und durch schlecht. Das ist etwas, was ich auch an den sogenannten Verschwörungstheoretikern kritisiere. Es ist egal, um welches Thema es sich handelt, überall wittern sie Gemeinheiten von Seiten der Regierenden. Natürlich stimmt es, dass wir oft belogen und betrogen werden, aber vermutlich nicht in 100 % aller Fälle. Man sollte sich um die Dinge kümmern, von denen man es ziemlich sicher weiß, sich aber nicht erschlagen lassen von der Fülle der bösen Ereignisse und Manipulationen.

Ich finde, die Initiative der französischen Manager, ihren Beitrag zur Schuldentilgung zu leisten, verdient Respekt und Anerkennung. Es ist ein ermutigendes Signal. Einige Zeitungen schrieben bereits, dass die Reichensteuer in Frankreich ein Vorbild für ganz Europa sein könnte.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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