Hut mit Schleier – Königin Beatrix und ihr eigener Kopftuchskandal

Während wir in Deutschland über die Kredite und Medienbeeinflussungen unseres Bundespräsidenten debattieren, geht es in den Niederlanden derzeit um Hut mit Schleier der Königin. Nicht als Klatschnachrichten über modische Bekleidung, sondern als ernst gemeintes Politikum über die verfassungsmäßige Stellung der Monarchin.

Königin Beatrix geht nie wählen. Persönlich ist sie zwar Bürgerin der Niederlande, hätte also eigentlich auch das Wahlrecht inne, doch in der Staatstheorie repräsentiert sie das Land, die Nation selbst. Und repräsentieren meint hier, dass im symbolischen Sinne die Königin die Nation ist. Die Nation ist natürlich überparteilich, sie hat keine politische Meinung, sie ist vielfältig und ausgewogen. Ob Trix, wie sie von der Familie genannt wird, ganz im Geheimen vielleicht doch eine Briefwahl durchführt, entzieht sich meiner Kenntnis. Sicher ist aber, dass sich die Monarchin öffentlich jeder politischen Äußerung enthält. Laut der niederländischen Verfassung ist der Monarch unverletzlich, für seine Äußerungen sind die Minister verantwortlich. Das bedeutet, dass die Königin nur im Auftrag und auf Anordnung ihrer Regierung politische Äußerungen von sich gibt, die nicht als ihre persönliche Meinung missverstanden werden dürfen. Der Bundespräsident der BRD, von einem Wahlmännergremium zumindest mittelbar demokratisch ins Amt gehoben, ein Amt auf Zeit natürlich, darf wenigstens aus eigenem Antrieb heraus gesellschaftliche und auch teilweise politische Meinungen äußern, wenn sie auch nicht mit einem Machtanspruch verbunden sind. Sie werden als Denkanstöße formuliert und sind möglichst allgemein gehalten. Aber was der Bundespräsident sagt ist viel konkreter als das, was die niederländische Königin von sich gibt. Die nämlich hat keinerlei demokratische Legitimation. Ihre Existenzberechtigung ist rein gewohnheitsrechtlich und traditionell begründet.

Berücksichtigt man dieses Staatsverständnis, wird einem schnell klar, warum die folgenden Ereignisse in unserem Nachbarland zu einem politischen Skandal wurden.

Vom 8. bis 11. Januar 2012 besuchte die niederländische Königin offiziell die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman. Im Verlauf dieses Staatsbesuches besichtigte sie zusammen mit ihrem Sohn Willem-Alexander und ihrer Schwiegertochter Maxima auch zwei Moscheen, darunter die größte der Welt in Abu Dhabi. Neben dem modischen Hut, der ein Markenzeichen ihrer öffentlichen Auftritte ist, trug die Königin in der Moschee einen Schal, der ihr Haupt verhüllte. Für die Gastgeber war dies ein Zeichen des Respekts für lokale Sitten und Bräuche. Für Geert Wilders, den rechten Brandstifter im eigenen Land, der seit 2010 die Minderheitsregierrung aus Liberalen und Christdemokraten unterstützt, war es eine Akzeptanz der Frauenunterdrückung im Islam. Er brachte mehrere Anfragen ins Parlament ein, auf die Außenminister Uri Rosenthal und Premier Mark Rutte, beides Liberale, knapp reagierten: Die Königin passe sich auch beim Besuch von Synagogen und christlichen Kirchen den jeweiligen Sitten an, hieß es von Seiten der Regierung.

Doch damit nicht genug. Auch die Hoheiten reagierten gegenüber Journalisten auf die Vorhaltung des Rechtspopulisten. Prinzessin Maxima wies eloquent darauf hin, dass es in Oman nicht um die Unterdrückung der Frau gehe. 70 % der Studienanfänger seien Frauen, und mehr Frauen als Männer machten ihren Studienabschluss. Königin Beatrix reagierte knapper und schroffer. „Einfach Unsinn“, kommentierte sie die Äußerungen von Geert Wilders.

Natürlich hatte sie damit gleich den nächsten Skandal provoziert. Es handle sich, so der zurechtgewiesene Wilders, um eine politische Äußerung, die der Monarchin nicht zustehe. Die Regierung befindet sich in einer Zwickmühle, denn sie will ihren Unterstützer Wilders nicht verlieren, gleichzeitig kann sie aber auch die Königin nicht im Regen stehen lassen. Sie muss die politische Verantwortung für die königliche Retourkutsche übernehmen, denn sonst hätte Beatrix in der Tat nicht gemäß der Verfassung gehandelt. Nur wenn sich ihre Äußerungen mit der Meinung der Regierung decken, sind sie zulässig und erlaubt. Ministerpräsident Mark Rutte bestätigte denn auch bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz, die Königin habe ihre Äußerungen im Einklang mit den Ansichten der Regierung getätigt, was von Teilen der Opposition lautstark bestritten wird.

Und dann gibht es da noch den dritten Skandal, der mich tatsächlich an Christian Wulff erinnert. Vor ein paar Tagen nämlich warnte Rechtsanwalt Udo Vetter, der Herausgeber des Law Blogs, vor all zu beleidigenden Witzen über den Bundespräsidenten. Diese könnten als Verunglimpfung des Staatsoberhauptes strafrechtlich verfolgt werden. In den Niederlanden brachte eine satirische Fernsehsendung ein Bild mit den Köpfen von Königin Beatrix und Kronprinz Willem-Alexander. Sie waren per Photomontage auf nackte Körper gesetzt worden. Kommentar des Sprechers: „Die Königin passt sich bei ihrem Staatsbesuch in Papua-Neuguinea den lokalen Sitten an.“ Nach der Ausstrahlung der Sendung hagelte es Proteste königstreuer Niederländer. So könne man mit dem unverletzlichen Staatsoberhaupt nicht umgehen, dass für seine Handlungsweise nicht zur Rechenschaft gezogen werden könne, hieß es. Recht haben die Monarchisten, denn was Königin Beatrix auch tut, tut sie auf Anweisung ihrer Regierung.

Ich bin nicht sicher, ob man über diese politischen Spielchen lachen oder weinen sollte. Wenn ich irgendwo einen Besuch mache mit dem Ziel, das Verhältnis zwischen meinem Land und einem anderen zu verbessern, dann provoziere ich keinen Eklat. Respekt bedeutet nicht, dass man alle Verhaltensweisen des Gegenübers akzeptiert oder gar billigt. Es bedeutet lediglich, dass man die Menschen, mit denen man umgeht, nicht schon durch Gesten vor den Kopf stößt. Diskutierren kann man über viele Dinge, aber nur in seltenen Ausnahmefällen erscheint mir eine öffentliche Provokation angebracht.

Über die Frage, ob das Bedecken des Hauptes allein schon ein Symbol der Unterdrückung der Frau ist, kann man vermutlich jahrelang debattieren. Es hat sich bei uns so festgesetzt, so verkürzt auf dieses Symbol. Viele glauben, dass man, wenn man das Kopftuch verbietet, damit die unterdrückung der Frau im Islam beendet. Das ist natürlich blanker Unsinn. Man verbannt das sichtbare Symbol lediglich aus der öffentlichen Wahrnehmung, man ändert aber nichts an den Ursachen. Wie so oft in den letzten Jahren macht es sich unsere politische Klasse sehr einfach. Geert Wilders ist ein Meister der Vereinfachung, Hauptsache, er erringt Aufmerksamkeit und dadurch Wählerstimmen.

Königin Beatrix jedenfalls hat sich lediglich an diplomatische Gepflogenheiten gehalten. Ihr die Akzeptanz der Unterdrückung der Frau vorzuwerfen, ist schlicht absurd, da ist „Unsinn“ noch eine harmlose Entgegnung. Es wäre an der Regierung, und nicht an der durch ihre verfassungsmäßige Stellung von Geburt an gebundenen Monarchin, wirkungsvoll für die Gleichberechtigung der Frauen zu kämpfen, und zwar überall auf der Welt.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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