Relaunch des Terraners – Meine Meinung über Perry Rhodan Neo

Seit vielen viele Jahren lese ich die Sciencefiction-Heftserie Perry Rhodan. Ich mag positive Menschheitsutopien. Darum war ich auf den jetzt erfolgten Neustart sehr gespannt, und dies ist mein erster persönlicher Eindruck.

Vor mehr als 50 Jahren startete „Perry Rhodan“, die größte SF-Heftserie der Welt. Seit 4 Monaten nun wird die Geschichte der Menschheit in der Zukunft in der Serie „Perry Rhodan Neo“ neu erzählt. Vermutlich vor allem, um jüngere und neuere Leser auf die Hauptserie aufmerksam zu machen, doch in dem Projekt steckt Potential, wenn man nicht nur an kurzfristige Geschäftsinteressen denkt. Die ersten 9 Bände sind inzwischen erschienen, und ich habe sie alle gelesen.

Wer kennt nicht die Geschichte von Perry Rhodan? Im Jahre 1971, so erzählen es die Autoren im Jahre 1961, trifft die erste bemannte amerikanische Mondexpedition auf der Rückseite des Mondes auf ein außerirdisches Raumschiff, das dort notgelandet ist. Perry Rhodan, der Kommandant der Expedition, nimmt daraufhin Crest, einen alten, kranken außerirdischen Wissenschaftler, mit zur Erde, um ihn von seiner Leukämie heilen zu lassen. Als dank für diese Heilung schenkt der Wissenschaftler Rhodan und seinen Freunden das unendliche Wissen seines Volkes, der Arkoniden, die die Herrscher eines Sternenreiches mit mehr als 10.000 bewohnten Planeten sind. Mit diesem Wissen, und mit Crest und der arkonidischen Kommandantin Thora an seiner Seite, gelingt es Rhodan trotz heftigen Widerstands der alten Eliten, die Menschheit zu einen, und nach und nach das arkonidische Erbe zu übernehmen, denn das Volk der Arkoniden ist träge und dekadent geworden. Die Schlagkräftigen, disziplinierten und schnell vereinten Terraner werden binnen weniger Generationen zum mächtigsten Volk in der Galaxis. Und Perry Rhodan bleibt ihr Führer, denn er und seine Freunde haben die Unsterblichkeit erhalten, nachdem sie ein galaktisches Rätsel lösten. So bricht die Menschheit in ein neues Zeitalter auf, das ihr gehören sollte, zumindest in den optimistischen sechziger und frühen siebziger Jahren.

Perry Rhodan hat immer den Zeitgeist verfolgt. Aus dem Wissenschaftsoptimismus und einer gewissen Obrigkeitshörigkeit der ersten Jahre wurde ein immer stärker einsetzender Kulturpessimismus, andererseits eine Lockerung der militärischen Sitten, und ein sehr sehr bemühter Umgang mit der Gleichberechtigung der Frau setzte ein, der bis heute nicht wirklich normal geworden ist. Aber wie denn auch, in der Gesellschaft hat sich das Thema ja ebenso wenig erledigt.

So viel zur klassischen Perry-Rhodan-Serie. Warum aber einen Neustart? Mir fallen dafür einige Gründe ein. In den ersten 500 Heften wird teilweise eine Technik verwandt, die wir heute längst hinter uns gelassen haben. Neben fantastischen Antigrav-Generatoren und Andruckabsorbern, Transformgeschützen und Fiktivtransmittern gibt es als Herzstück der Schiffseinrichtungen Computer, sogenannte Positroniken, die ihre Ergebnisse über Lochstreifen ausgaben und auch durch solche programmiert wurden. Perry Rhodan konnte die Lochstreifen mit den Fingern lesen, was allerdings ein bemerkenswerter sozialer Fortschritt wäre, es wäre sozusagen wie eine Blindenschrift. Neben diesen eher technischen Gründen sind ganz klar die sozialen und politischen Umstände zu nennen. Wer heute die Geschichte der Vereinigung der Menschheit liest, der kann sie kaum mit sich und seiner Erde von heute in Zusammenhang bringen. Politische Konstellationen und auch soziale und menschliche Verhaltensweisen waren in den sechzigern anders, die Technikgläubigkeit war viel ausgeprägter als heute. Auch wurden in der Originalserie die Arkoniden als Überwesen dargestellt, bis sich ihr Bild nach einer Weile relativierte und sie zu Schlappschwänzen mutierten.

Die Neo-Serie möchte nun den Beginn der neuen Menschheitsgeschichte aus der Sicht unserer heutigen Welt heraus extrapolieren. Darum wurde die Handlung ins Jahr 2036 verlegt, und der Ton ist ein ganz anderer. Man geht von einer negativen Weltentwicklung bis 2036 aus. Die USA werden zu einer verkappten Diktatur, Russland wird zu einem neofeudalen, zaristischen Großreich, Iran, Pakistan, Indien, sie alle sind neue Global Player auf der politischen Bühne. Es gibt Stationen der Großmächte auf dem Mond, und sie melden sich plötzlich nicht mehr, weshalb Perry Rhodan zum Mond geschickt wird, um nach dem Rechten zu sehen, doch man weiß bereits von dem außerirdischen Raumschiff. Auch hier wird der Leukämiekranke Crest mit zur Erde genommen, auch hier landet Rhodan anstatt in den USA in der Wüste Gobi, errichtet mit Hilfe arkonidischer Roboter eine Stadt und versucht, mit seinen bescheidenen Mitteln eine neue Zeit der Menschheit einzuläuten. In beiden Serrien leistet die Menschheit anfangs heftigen Widerstand, in beiden Serien spielen geistig mutierte Menschen mit besonderen Fähigkeiten eine Rolle, in beiden Serien wird das Raumschiff der Arkoniden auf dem Mond vernichtet, und nur ein Beiboot bleibt zurück. Trotz dieser Grundpfeiler entfernt sich die Handlung von Perry Rhodan Neo von ihrem Original, und das gefällt mir größtenteils sehr gut.

Ein wichtiger Unterschied ist, dass nicht die Technik so sehr im Vordergrund steht. In der Neo-Serie kann arkonidische Technik auch mal versagen, und Crest und Thora sind eben nicht auf allen Gebieten Experten und können nicht alles reparieren. Seitenweise Funktionsbeschreibungen von Triebwerken und Generatoren fehlen völlig. Die Technikverliebtheit ist einer nüchternen Betrachtung technischer Möglichkeiten gewichen. Eine gute Entwicklung, auch wenn ich den Verdacht habe, dass sie hauptsächlich deshalb so durchgeführt wurde, um die Helden der Serie in möglichst aussichtslose Situationen zu bringen. Damit sind wir auch schon beim einzigen Negativpunkt der Serie, sie ist wieder voll im Zeitgeist. Und der ist nun mal pessimistisch. Es fehlt mir der Optimismus der Protagonisten, lustige Anekdoten, mehr Hoffnung, auch mal das Gefühl, dem Unrechten oder „Bösen“, wie man so schön sagt, ein Schnippchen schlagen zu können. Es fehlt die positive Utopie, die zumindest trotz des Spannungselements teilweise verwirklicht wird. Trotz der immer wieder heraufbeschworenen Krisen ist ein Teil der Faszination der Perry-Rhodan-Serie, dass es den Menschen in dieser Utopie tatsächlich besser geht. Das ist bis jetzt nicht zu erkennen, die Helden sind entweder etwas blass, oder etwas verkniffen, und wenn sich Rhodan und seine Mitstreiter eines Tages durchsetzen, ist mir das mit mehr Blut erkauft, als es mir für eine Utopie lieb ist. Andererseits bleibt wegen der zurückgefahrenen Technikverliebtheit mehr Platz für Charakterbeschreibungen. Man muss nicht gleich ein ganzes Heft verwenden, um eine Lebensgeschichte zu erzählen, aber die Beschreibung von Menschen und die Darstellung sozialer Gegebenheiten gefällt mir. Ein einfacher Bankangestellter aus der klassischen Serie wird zu einem Investment-Banker umfunktioniert, der seinen Beruf an den Nagel hängte und ein Heim für Straßenkinder gründete. Man kriegt mehr von einfachen Menschen mit, und hoffentlich auch, wie sich ihr Leben mit der Zeit zum Positiven wandelt.

Auffällig ist nach meiner Ansicht, dass einige Charaktere von unterschiedlichen Autoren merkbar unterschiedlich dargestellt werden. Der erste Gegenspieler Rhodans, der chinesische General Baijun, ist so ein Beispiel, oder auch der Generalsekretär der chinesischen KP, der bei seinem ersten Auftreten von Baijun nicht besonders beachtet wurde, beim zweiten Treffen aber als der große Überpolitiker dargestellt wurde, vor dem sich selbst der gewiefte Baijun in Acht nahm, und der am Schluss doch nur ein einfacher Machtmensch war, obwohl er vorher bei einem Gespräch mit dem General als sehr klug und überlegt dargestellt wurde. Vielleicht müssen sich die Autoren noch etwas aufeinander einspielen.

Ich hoffe, dass die Neo-Serie uns erhalten bleibt. Sie bietet Perspektiven, eine fantastische und doch vorstellbare Geschichte der Menschheit zu erzählen. Überwaffen wie der Psychostrahler, mit dem Arkoniden anderen Lebewesen ihren Willen aufzwingen können, und von dem Rhodan anfangs in der klassischen Serie regen Gebrauch machte, fehlen in der neuen Serie ganz. Dafür kommt es auf viele Menschen an, die etwas gemeinsam vollbringen sollen und wollen. Ein tolles Konzept, von dem ich hoffe, dass man es konsequent beibehält, ohne Rhodan zu blass werden zu lassen. Und man sollte nie vergessen, dass es sich um eine Utopie handelt. Sie sollte auch ein paar positive Züge tragen. Es kann nicht darum gehen, die Wirklichkeit von heute in die Zukunft zu übertragen, sondern aus der Wirklichkeit von heute eine bessere Zukunft zu gestalten.

Weiter so, perry Rhodan Neo! Ich bin sehr gespannt, mehr als auf die derzeitige Handlung der klassischen Serie!

p. S.: Ich wollte und will nicht zu viel über den Inhalt verraten, deshalb bleiben meine Ausführungen und Beispiele eher vage.

 

Hier ist der Link zur Perry-Rhodan-Homepage

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Relaunch des Terraners – Meine Meinung über Perry Rhodan Neo

  1. wow damit hast Du mich jetzt neugierig gemacht beide Serien zu lesen ~ danke schoen!

  2. Martin6078 sagt:

    Meine Meinung zu Perry Rhodan NEO. Ich habe vor ein paar Tagen den Nr.11 gelesen und erst vorgestern habe ich ihn zuende gelesen! Es zog sich hin wie Gummi, man sagt bei einem Motor, die Drehmomentkurve flacht ab. Nach dem jetzt 11. gelesenen Band steige ich aus. Ich hatte mir mehr davon versprochen, schade! Mir gefällt überhaupt nicht, dass die Autoren Perrry Rhodan jeder grünen Sau, die um die Welt gejagt wird hinterher laufen lassen. Am liebsten würden sie die Arkonidenschiffe mit Solar- oder Windenergie antreiben und verzichten somit lieber auf detailiertere Schilderungen…
    Zuviel verkorkster Zeitgeist befindet sich offen ausgebreitet in den Romanen wieder. Das geht auf Kosten einer glaubwürdigen Handlung, die mir auch wie Jens hier schreibt viel zu düster und absolut humnorlos geschildert wird. Banale Nebensächlichkeiten werden zu sehr aufgebläht und wirklich wichtige Sachen bleiben unbeantwortet. Leider habe ich auch einige schwere Bugs festgestellt- zb. Ernst Ellert betreffend, für mich absolut unverständlich. Da haben die Autoren einfach irgendetwas vergessen, die Handlung wirkt fragmentiert,wie unfachmännisch amputiert! Da ist die seltsame Schilderung der 1. Nuklearexplosion während der Landung der Stardust mit Reg an Bord. Die geschilderten 1 MT Stärke, welche Perrys Raumanzug unbrauchbar machte und die Stardust zerstörte hätte normalerweise alle Menschen und auch die Bewacher im Umkreis von 20km in Asche verwandeln müssen! Die Liste ist mittlerweile ellenlang an Ungereimtheiten. Während Reginald Bull das merkwürdige Fluggerät baut, steht Perry verträumt auf den Dächen von Terrania…
    So werde ich in Zukunft meine PR Classic in guter Erinnerung behalten.
    Mit freundlichen Grüßen an Alle:
    Martin

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