Hoffnung auf Rohani – ein neuer, machtloser Präsident des Iran

Der Iran hat einen neuen Präsidenten. Im Westen hofft man auf einen freundlicheren Umgangston und eine Lösung des Atomkonflikts. Doch es ist wahrscheinlich, dass Hassan Rohani diese Erwartungen nicht erfüllen kann. Das hat verschiedene Gründe.

Vor der Wahl im Juni sprach man von Hassan Rohani als einem konservativen, aber gemäßigten Kandidaten. Einen Reformer wollte man ihn nicht nennen. Keiner der vom geistlichen Führer und vom Wächterrat des Iran zugelassenen Präsidentschaftskandidaten erhielt dieses Prädikat. Nach der Wahl wird er aber als großer Hoffnungsträger gefeiert. Vor allem vermutlich, weil es keine Alternative gibt. Der 65jährige Rechtsgelehrte und Geistliche übernimmt eine schwere Aufgabe. Er soll dafür sorgen, dass die weltweiten Wirtschaftssanktionen gegen sein Land aufgehoben werden. Um das zu erreichen braucht er die Zustimmung des geistlichen Führers Ajatollah Chamenei. Und er muss eine Verhandlungslösung im Atomkonflikt mit dem Westen anstreben, die vor allem die USA zufrieden stellt und trotzdem die Radikalen im eigenen Land nicht vor den Kopf stößt.

Der iranische Staatspräsident ist in Wirklichkeit nicht das Oberhaupt des Landes. Rechtlich betrachtet wird der Iran vom sogenannten entrückten 12. Imam der Schiiten regiert. Er ist eine Art Messias und soll eines Tages zurückkehren. Die oberste Autorität in der Zwischenzeit liegt beim obersten Rechtsgelehrten oder geistlichen Führer. Seit 1989 ist das Seyyed Ali Chamenei. Der Staatspräsident ist erst der nächste in der Hierarchie der islamischen Republik. Er ist gewissermaßen für die weltlichen Angelegenheiten verantwortlich. Allerdings kann er keine freien Entscheidungen treffen. Jedes Gesetz, das er ins Parlament einbringt, jeder Minister, den er vorschlägt, kann vom obersten Rechtsgelehrten oder davor noch vom Wächterrat kassiert werden.

So muss der neue Staatspräsident Hassan Rohani erst einmal dafür sorgen, dass er ein Kabinett zusammenstellen kann. Im Parlament und im Wächterrat haben die Konservativen und Radikalen die Mehrheit. Bei den letzten Wahlen waren nur wenige Reformkandidaten vom Wächterrat zugelassen worden. Außerdem war die Wahlbeteiligung unter den Anhängern einer Reformpolitik sehr gering. Im Reformlager herrschte Resignation. Das wirkt sich nun auch auf die Zusammenstellung des Kabinetts aus. Die Minister müssen nämlich vom Parlament und dann vom geistlichen Führer bestätigt werden.

Sollte es Rohani gelingen, geeignete Kompromisskandidaten zu finden, muss er eine pragmatische Außenpolitik anstreben und vor den Radikalen rechtfertigen. Dabei hat er in einigen Punkten überhaupt keinen Spielraum, selbst wenn er eine andere Politik wollte, was bezweifelt werden darf. Die Feindschaft zu Israel ist nicht verhandelbar. Dasselbe gilt für die Unterstützung des Syrischen Präsidenten Assad und der libanesischen Hisbollah-Miliz und der Hamas-Bewegung. Alle Hoffnungen, mit Rohani könnte eine Lösung des Nahost-Konfliktes möglich werden, sind zumindest vorläufig vergeblich. Trotzdem muss sich der Präsident dem Westen annähern, wenn er der nationalen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen will.

Ein Grund für die Hoffnung der westlichen Regierungen auf Entspannung ist Rohanis bisheriger Werdegang. Er studierte teilweise in Großbritannien und schrieb dort seine Doktorarbeit. Im Jahre 2003 wurde er zum Leiter der Atomverhandlungen mit dem Westen ernannt. Binnen weniger Tage erzielte er mit deutschen, britischen und französischen Diplomaten einen Kompromiss. Der Iran sollte nur so viel Uran anreichern dürfen, wie für die zivile Nutzung der Kernenergie nötig war. Im Gegenzug wurde ihm das grundsätzliche Recht auf eigene Urananreicherung zugestanden. Großbritannien, Deutschland und Frankreich signalisierten Zustimmung. Allerdings wurde der Kompromiss durch die Bush-Administration in den USA verhindert.

Heutzutage wäre derselbe Kompromiss nicht mehr möglich. Damals besaß der Iran nur wenige Zentrifugen zur Urananreicherung, heute verfügt er über die 10fache Anzahl. Auch unter Staatspräsident Rohani wird sich der Iran nicht mehr darauf einlassen, ihre Zahl unter westlicher Aufsicht drastisch zu reduzieren. Wie ein neuer Kompromiss aussehen könnte, kann man derzeit noch nicht abschätzen.

Hassan Rohani ist kein Reformer, sondern ein gemäßigter Geistlicher. Doch selbst wenn er ein Reformer wäre, könnte er sich schon verfassungsmäßig nicht gegen den obersten Rechtsgelehrten und den von ihm dominierten Wächterrat durchsetzen. Schon einmal hat es den Versuch gegeben, die iranische Presse zu liberalisieren. Wegen Unvereinbarkeit mit dem islamischen Recht wurden die entsprechenden Gesetze vom Wächterrat kassiert. Das kann sich jederzeit wiederholen. Um einen Umschwung auch in der iranischen Atompolitik zu bewirken, muss Rohani die geistlichen Eliten und auch die Radikalen für sich gewinnen. Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihm das gelingt.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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