Mein Wahltag 2013

Hier ist mein persönlicher Wahlbericht. Die Reihenfolge der Einträge ist umgekehrt chronologisch. Während des Tages war das für die Lesbarkeit besser, jetzt ist es etwas mühsam. Vielleicht stelle ich das Ganze noch mal um, aber nicht jetzt.

 

 

23.09.2013, 04:37 Uhr: Fertig. – Jetzt ist schluss, meine Wahlbeobachtungen gehen zu Ende. Aber womit? Mit der Aussage, dass das Ergebnis schlimmer als meine Prognose war? Die CDU war 3 Prozentpunkte besser, die SPD mehr als 2 Prozentpunkte schlechter als von mir erwartet. Ich bin nur froh, dass es für die Union dann doch nicht zur Alleinherrschaft gereicht hat.

 

Mehr schreibe ich jetzt nicht, ich bin vollkommen erschöpft und muss schlafen. Nach rund 20 Stunden beende ich hiermit meinen persönlichen Wahlbericht.

 

Gute Nacht!

 

4 Uhr: Endlich, ich habe einen Kommentar geschrieben, und ich glaube, der ist auch ganz gut geworden. Ich lese ihn jetzt auf und schneide ihn.

 

 

03:30 Uhr: Die FDP schafft es tatsächlich in Hessen. Na was für ein Glück für sie, dann haben sie wenigstens einen Grund zum Feiern und um sich damit Mut zu machen für die nächsten Wahlen. Ich weiß nicht, ob sie wirklich abgeschrieben sind oder nicht.

 

 

03:05 Uhr: Endlich habe ich die Zahlen für den Bund. CDU-CSU liegen bei 311 von 630 Sitzen und verfehlen knapp die absolute Mehrheit. Die SPD kommt auf 192 Sitze, die Linken auf 65 und die Grünen auf 63. Was für eine Wahl. Haben die Leute überhaupt nichts begriffen? Das Ergebnis lässt Frau Merkel mit Recht von sich behaupten, mehr als nur alles richtig gemacht zu haben. Ich fasse es nicht, und jetzt, in der Stille der Nacht, wo mich nur mein Computer stört, weil er so laut rauscht, kommt es mir richtig zu Bewusstsein. Ich glaube, ich fange mal an, darüber zu schreiben, bevor ich ermattet niedersinke.

 

 

02:35 Uhr: Offizielle Bekanntgabe des vorläufigen amtlichen Endergebnisses der Bundestagswahl soll jetzt ungefähr in 10 Minuten stattfinden. Ich hatte genug Zeit, meinen virtuellen Schreibtisch aufzuräumen, damit ich nicht noch einmal einschlief. Jetzt aber ist in Hessen der Krimi wieder los gebrochen. Nach der jüngsten Hochrechnung aller Institute hat es die FDP hier knapp in den Landtag geschafft. Na, das wird die Fortsetzung der schwarzgelben Regierung sein, wenn es klappt. Und damit ein Motor für künftige Wiederkehr. Ein Lichtblick in dunkler Nacht sozusagen.

 

Die Piraten fangen jetzt an, nach Schuldigen für ihr Scheitern zu suchen, öffentlich, auf Twitter und in Foren, wie sich das für die Piraten gehört. Aber okay, das ist auch gelebte Demokratie, solange die Aussagen inhaltlich irgendwie haltbar sind und sich nicht nur auf Pöbelei um der Pöbelei willen beschränken. Das Thema NSA, also der große amerikanische Spähangriff auf die ganze Welt, sei nur für 17 % der Wähler Wahlentscheidend gewesen, ließ einer auf Twitter verlauten, und fügte hinzu: „Ihr seid also alle Deppen.“ Eine andere Frau auf Twitter meinte, wenn die SPD nicht zu stolz wäre, könnte rot-rot-grün die Mandelentzündungskoalition sein. Nun ja: Nach Jamaika und Bahamas vielleicht mal was Anderes.

 

 

01:40 Uhr: Das amtliche Endergebnis soll verkündet sein, aber ich habe es noch nicht auf dem Schirm. Union verpasst doch absolute Mehrheit. Damit wird es im Bund noch mal spannend. Was wird Angela Merkel suchen? Rot oder grün? Auf jeden Fall kann sie die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat damit spalten und destabilisieren. Nur ich armer Tropf schlafe gleich ein. Wenn ich die Zahlen hätte, würde ich langsam mal los legen.

 

 

01:20 Uhr: Auf der Seite des Wahlleiters verfolge ich die letzten Wahlkreise, die noch fehlen. 4 sind es noch. Gerade bin ich im Sitzen leicht eingenickt. Problem ist, dass ich die Sitzverteilung brauche, um meinen Kommentar schreiben zu können. Ich hoffe, dass es jetzt schnell geht. Ich bin wirklich müde.

 

 

00:35 Uhr: 284 von 299 Wahlkreise sind ausgezählt: Bald kommt das vorläufige amtliche Endergebnis. Dann kann ich das ganze mal auf mich wirken lassen und über einen Kommentar nachdenken.

 

Die SZ schrieb: Steht Merkel für Biedermeier oder ist sie Thatchers Nachfahrin? Ich finde, beides trifft es irgendwie. Sie ist so unaufgeregt bieder im Inland, und so knallhart im Ausland, dass sich das meiner Ansicht nach nicht widerspricht.

 

Wenigstens hat Hans Christian Ströbele das einzige Direktmandat für die Grünen geholt. Super Ergebnis, er macht das ja ab und an mal in seinem Wahlkreis.

 

Wieder wollen sich alle sicher sein, dass jetzt FDP und AFD den Einzug ins Parlament nicht schaffen. Glück gehabt wegen der AFD, Glück bekommen wegen der FDP.

 

 

23.09.2013: 00:05 Uhr: Die Sendung Candlelight ist beendet, der Tag der Wahl auch. Aber immer noch wird fleißig gezählt. Und ich habe gerade festgestellt, dass ich während der Sendung vom Stream gefallen bin. Das bedeutet, dass die Aufnahme, die automatisch gemacht und für die Wiederholung verwendet wird, Lücken enthält und zerstückelt ist. Das muss ich bis Mittwoch korrigieren. Gott sei dank nicht heute Nacht, aber gemacht werden muss es doch, und es wird mich 1 bis 2 Stunden kosten, obwohl es eigentlich eine kleine Sache ist. Aber so große Dateien zu laden und zu speichern dauert unverhältnismäßig lange mit meinem Rechner.

 

Der Wahlkrimi wegen der FDP und der AFD geht weiter, obwohl man damit schon nicht mehr rechnete. Was hat die Leute dazu bewogen, für Angela Merkel zu stimmen? Ich weiß es nicht, aber ich weiß, dass wir so oder so schweren Zeiten entgegen gehen. Entweder die Union regiert allein, dann kann sie vieles durchsetzen und ist nicht gerade verpflichtet, bürgerfreundlich zu sein, oder sie braucht die SPD, und dann verliert die ihr letztes Bisschen Profil.

 

Und das Dümmste an der Sache ist, dass ich hier auf das Endergebnis warten muss!

 

 

23:15 Uhr: Die süddeutsche Zeitung behauptet, die FDP könnte es doch noch in den Bundestag schaffen. Nimmt denn das gar kein Ende? Erst Merkels großer Sieg, und jetzt auch noch mal die FDP? Das würde ich irgendwie nicht aushalten. Hoffentlich ist das nur eine Zeitungsente. Habe auch bei ARD und ZDF nichts davon gehört. Ich mache meine Sendung tapfer weiter.

 

 

22:32 Uhr: Die ruhige Musik macht mich noch müder, aber es kehrt so etwas wie bleierne Entspannung ein.

 

Kristina Schröder zieht sich zurück aus dem Ministeramt für mehr Zeit mit der Familie. Schön für sie, Häme hat sie zumindest dafür nicht verdient.

 

Anne Murrey singt im Hintergrund: „You needed me“, wie die CDU einst die FDP. Die ist draußen aus dem Bundestag, und das ist das eigentlich historische dieser Wahl. Aber seit einer Stunde wird über die absolute Mehrheit nichts mehr gesagt. Hat sich das nun erledigt? Wenn man selbst Radio macht, kommt man nicht dazu, Radio zu hören. Paradox aber wahr. Ich will nicht bis halb vier auf das Ergebnis warten müssen, aber ich muss wohl, erst dann kann ich was schreiben zum Wahlausgang für die morgige Zeitzone.

 

 

22:03 Uhr: Nach dem Abendessen bin ich ziemlich kaputt, aber endlich satt. Meine Sendung Candlelight beginnt. Es scheint, als würde die CDU es doch nicht mit der absoluten Mehrheit schaffen. Das wäre die zweite gute Nachricht heute.

 

 

20:55 Uhr: Warten auf das Essen, und ich hab eigentlich keine Zeit. Drüben hören sie die Elefantenrunde in unserer privaten Wahlparty. Ich geselle mich mal dazu.

 

 

20:34 Uhr: Die Sendung ist beendet. Es gab Pannen, aber es hat funktioniert. Jetzt werde ich etwas essen, und dann kommt die nächste Sendung ab 22 Uhr.

 

Absolute Mehrheit für die Union? Das wäre schrecklich. Aber die SPD ist trotz ihres leichten Zugewinns nur ein Wicht gegen Merkel, obwohl sie so inhaltsleer ist. Die Linken haben mich enttäuscht.

 

Ich bin schon jetzt müde. Dabei muss ich noch eine Sendung und dann einen Wahlkommentar. Und morgen Vormittag eine Literaturecke und die Zeitzone für Dienstag vorbereiten.

 

Gott sei dank ist die FDP wohl endgültig draußen, ein geschichtsträchtiges Ereignis.

 

Absolute Mehrheit für die Union gab es bislang nur zwischen 1957 und 1961. Mir graut. Aber vor lauter Arbeit bin ich noch nicht zum Grauen gekommen. Eine Freundin übernahm das und sagte: „Ich bin im Schockzustand.“ Dem kann ich nur zustimmen. Wie blöd müssen die Wähler eigentlich sein? Jetzt habe ich erst einmal Hunger.

 

 

20:15 Uhr: Jetzt bin ich doch mal vom Rechner gefallen, die ersten größeren Pannen ereignen sich. Mein Chef Eberhard in Berlin fiel auch vom Stream und Skype gab kurz auf. Bis jetzt lief es ansonsten richtig gut. Warten auf das Gespräch mit Franz-Josef Hanke. Mal sehen, ob der auch mich verstehen kann.

 

 

19:32 Uhr: Gespräch mit Mirien Carvalho Rodrigues geführt. Das war eine Zitterparty, ob Skype mit macht, aber es hat größtenteils funktioniert. Dabei konnte ich aber nicht nach den Hochrechnungen schauen. Jetzt endlich ein vorproduzierter Beitrag, mein Interview mit Hubert Hüppe, dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung. Jetzt kann ich nachlesen.

 

19:03 Uhr: Die CDU könnte eine absolute Mehrheit haben. Wahnsinn! Abe wenigstens ist die FDP raus.

 

18:50 Uhr: Schwieriges Arbeiten während der Wahlsendung. Merkel will mit dem Ergebnis verantwortungsvoll umgehen. Mal sehen, was das heißt. Bei der FDP sollen Köpfe rollen.

Ich bin nicht so aufgeregt, wie man denken könnte, macht spaß, auch wenn ich keine gute ARbeitsmöglichkeit habe.

 

18:30 Uhr: Mist. Bei der nächsten Hochrechnung ist der Ohrfunk nicht dabei, der Beitrag, der jetzt läuft, läuft 8 oder 9 Minuten. Ich bin größtenteils zufrieden, aber ich würde gern Twitter lesen, und Skype ist für meine Sprachausgabe zu laut. Über Skype bin ich mit Berlin verbunden.

 

18:20 Uhr: Mein Skype ist zu laut, ich kann keine Tweets lesen und bin davon abgeschnitten. Kleine Pannen gibt es immer. Ansonsten bin ich wenigstens zu hören.

 

 

18:03 Uhr: CDU 42, SPD 26, Grüne und Linke 8, FDP und AFD nicht drin. Hammer, fast absolute Mehrheit für Union bei den Sitzen. Aber das kommt noch. Warte auf meinen ersten Einsatz. Komme kaum zum Schreiben.

 

17:57 Uhr: Erster Beitrag läuft, ich bin noch nicht dabei.

 

17:53 Uhr: Wahlsendung beginnt, ich bin schrecklich aufgeregt. Die Leitung zu meinem Chef nach Berlin steht. Wir gehen um kurz nach 6 nach der ersten Prognose sofort in medias res.

 

 

17:30 Uhr: Gleich geht es los. Unsere Gäste sind da, und wir haben die ersten Debatten geführt über Bildungspolitik, über die Ängste der Wähler, die Politikverdrossenheit, darüber, dass Parteien viel lügen, schon, wenn sie beginnen. Interessante Standpunkte und kritische Begleitung der Wahl, aber es war nicht so platt, wie es sich hier in der Zusammenfassung anhört. Jetzt wird es für mich zeit, die technische Leitung nach Berlin zu prüfen, in 24 Minuten beginnt die Sendung. Schaltet ein: www.ohrfunk.de.

 

 

16 Uhr: Die Wahlbeteiligung liegt etwas höher als vor 4 Jahren bislang. Mal sehen, ob das am Ende auch noch so ist. Das allein wäre jedenfalls eine erfreuliche Entwicklung. Vielleicht sind doch viele Protestwähler dabei.

 

In den letzten 2 Stunden wollte ich es ruhiger angehen lassen, aber es funktionierte nicht. Mein Rechner hat gesponnen. Ein häufiges Phänomen in letzter Zeit. Er ist 11 Jahre alt. Ich muss mir einen neuen besorgen, aber das ist teuer, und die Umstellung kostet Zeit. Jedenfalls wollte er nicht so, wie ich das wollte. Ich fürchtete schon, er käme gar nicht mehr hoch, als ich ihn wegen Langsamkeit herunter fuhr, aber nach 30 Minuten war er wieder da. Hoffentlich hält er den Abend und die Nacht durch. So was passiert auch immer an wichtigen Tagen.

 

Wir warten auf Gäste, aber noch ist keiner da. Wenn sie zu spät kommen, haben sie von mir nichts mehr, weil ich dann im Studio sitze.

 

 

14 Uhr: Die Bild am Sonntag und Pro 7 veröffentlichen heute noch Umfragen. Auf Twitter bieten Abgeordnete aller Couleur heute noch Hilfe für unentschlossene Wähler an, damit man sie in letzter Sekunde noch wählt. In Marburg stellt eine große Partei ein Wahltaxi zur Verfügung, das Wählerinnen und Wähler zur Wahl bringt mit dem Hintergedanken, dass die Partei dadurch Stimmen erhält. Was für ein unwürdiges Schauspiel. Ich bin ja strikt dafür, dass die Veröffentlichung und eigentlich auch die Durchführung von Wahlumfragen in der letzten Woche vor der Wahl verboten werden, und Wahlkampf sollte es am Wahltag selbst auch nicht mehr geben. Und ich finde auch, dass sich der Wahlkampf auf die Inhalte und die sie vertretenden Personen konzentrieren sollte. Sachen wie das Wahltaxi sollten ebenfalls verboten sein. Das heißt: Man könnte so was einrichten, aber dann von Seiten aller Parteien gemeinsam, ohne *einer* den Vorzug zu geben. Ich finde das wirklich unwürdig!

 

Skype läuft, mein Rechner wird mir heute hoffentlich nicht mehr ausfallen, wie in den letzten Tagen oft. Ich bete zu dem Gott, an den ich nicht glaube und den wir Menschen uns gemacht haben, dass alles gut gehen möge. In solchen Situationen wünschte ich, es gäbe ihn doch und ich hätte ihm immer genug Stiere geopfert … oder so ähnlich.

 

 

13:26 Uhr: Auch in den Niederlanden wird über die deutsche Wahl berichtet. Dort, wie auch in einigen anderen Nachbarländern, glaubt man an einen Sieg Angela Merkels. Besonders fällt auf, dass ein drittel der Wählerinnen und Wähler immer noch nicht wissen, wen sie wählen werden. Das sind wirklich viele. Wer allerdings am Ende noch so unentschlossen ist, der wird vermutlich das Bewährte wählen. Die Wechselwähler, die selbstbewussten Wähler, die wissen das auch schon vorher, denke ich.

 

Die ersten Vorbereitungen für die Sendung heute Abend habe ich getroffen, mit Franz-Josef Hanke habe ich die Zeit ungefähr abgestimmt. Hört doch mal rein bei www.ohrfunk.de ab 17:55 Uhr bei unserer Wahlsendung. Musiksuche für Candlelight ist mein nächstes Thema. Danach werde ich noch mal etwas Ruhe rein bringen, die Nacht wird lang genug.

 

 

12:50 Uhr: Gerade hat der Spiegel einen Artikel mit möglichen Koalitionen herausgegeben. Eine große Koalition ist da als wahrscheinlich, eine weitere schwarz-gelbe Regierung als möglich genannt worden. Rot-Grün gilt genau so wie eine CDU-Grünen-Koalition als unwahrscheinlich. Eine Ampel mit Grünen, SPD und FDP, eine Koalition mit CDU, FDP und Grünen oder AFD, eine rot-rot-grüne Koalition sowie alle anderen möglichen Spielarten werden ausgeschlossen. So wird es wohl sein. Vermutlich gibt es eine große Koalition unter Angela Merkel. Trotzdem reden alle vom Wahlkrimi, um die Spannung ansteigen zu lassen. Ich glaube, ich werde mich mal um meine Technik kümmern, mein Skype muss laufen, ich muss ein Vorgespräch mit Franz-Josef Hanke führen, meine Candlelight-Sendung muss vorbereitet sein. Das Radio mischt sich so langsam in den Tag. Richten wir mal die persönliche Spannung aufs professionelle.

 

 

12:32 Uhr: Es scheint, als gäbe es eine recht hohe Wahlbeteiligung. Das an sich ist schon mal gut. Und außerdem haben wohl viele Leute per Brief gewählt. Vermutlich die, die heute in München auf dem Oktoberfest sind. Ich schaue schon mal, wer heute Abend auf Twitter schnell und gründlich Prognosen und Wahlergebnisse veröffentlicht. Der Bundeswahlleiter ist langsamer als ARD und ZDF, was das betrifft.

 

Noch herrscht hier Ruhe. Meine Liebste und ich sitzen an den Rechnern und befassen uns beide vermutlich mit der Wahl, aber geredet wird nicht, nur die Computertastaturen klappern.

 

Ich gebe mal eine persönliche Wahlprognose ab: Die Piraten schaffen den Einzug nicht, sie liegen bei rund 2 %. Die CDU/CSU kommt auf 39, die SPD auf 28, die FDP auf 5, die Grünen auf 9 und die Linke auf 8 %. Dann haben wir noch die AFD, die kommt auch auf knapp 5, schafft es aber so gerade nicht. Der Rest ist Kleinkram. Ich hoffe ja, dass ich mich irre, und ich hoffe, meine Wahlprognose entmutigt niemanden, aber das ist so das, was ich derzeit fühle.

 

 

12:08 Uhr: Wir haben jetzt in aller Ruhe gefrühstückt und uns über wahlfremde Themen unterhalten. Das muss heute auch sein bei einem Tag, der so lang wird. Ich werde das Liveblog der Zeit-Redaktion vermutlich auch verfolgen, und ich habe derzeit Schwierigkeiten mit den auf Twitter und Facebook falsch angegebenen Adressen dieses Artikels.

 

Eine Freundin meinte, ich sollte den Beitrag umstellen und immer das Neueste zuerst publizieren, wie eben ein Liveblog. Ich mache das mal, obwohl das normalerweise nicht meine Art ist, ich bleibe gern in der Chronologie der Ereignisse, und jetzt haben wir so eine Art umgekehrte Chronologie. Ich bin eben doch weniger ein Online-Journalist als vielmehr ein Geschichtsinteressierter.

 

Die letzten 68er werden jetzt den Bundestag verlassen, zumindest was die Bekannten angeht. Ausnahmen sind immer noch Wolfgang Schäuble und Christian Ströbele. Die nachwachsende Generation habe keine politische Vision, sagt der Deutschlandfunk heute in einer Sendung. Da ist, glaube ich, was dran. Wenn ich alte Bundestagsaufnahmen höre, in denen noch wirklich um Werte und Ideen gerungen wurde, kommt mir das heutzutage wie eine Juristenversammlung vor.

 

 

10:50 Uhr: Es war ein schöner Spaziergang am Sonntag Morgen zum Wahllokal im Gemeindehaus der Kirche in unserer Straße. Als wir eintraten, war das Wahllokal voll. So voll hatten wir es bei den letzten Wahlen nicht erlebt. Aber es wurde schnell klar, warum das so war: Ein ganzer Schwung von Leuten war gerade aus der Kirche gekommen. Während unserer Anwesenheit wurde es erheblich leerer. Wir haben dann zusammen 10 Stimmen abgegeben: Jeder eine für die Landratswahl und je 2 für Bundestag und Landtag. Es war eine gelöste Stimmung, und am Schluss läuteten die Kirchenglocken. Trotz all der Skandale, trotz dieser verkommenen politischen Klasse habe ich in diesem Jahr mit mehr Überzeugung gewählt als bei den letzten Wahlen, und zwar ohne dabei zum Protestwähler geworden zu sein. Das war ein gutes Gefühl.

 

Die Wahlhelfer wollten unbedingt unsere Schablonen sehen und schauen, wie sie funktionieren. Es hat sie fasziniert. Die Landtagsschablone war ein wahnsinns Monster, so viele Möglichkeiten hätten wir zur Wahl gehabt.

 

Jetzt sind wir wieder zurück und werden Frühstücken, bevor ich mich wieder an die Vorbereitung der Radiosendung heute Abend mache. Außerdem erwarten wir ab 4 Uhr Gäste, und nach der Wahlsendung kommt meine normale Sonntagssendung Candlelight, und nach der muss ich für die morgige Zeitzone noch einen Ergebniskommentar schreiben, einsprechen und schneiden. Vor 4 Uhr werde ich vermutlich nicht ins Bett kommen.

 

 

10:06 Uhr: Ich habe gerade ein Tagesschauinterview mit dem Bundeswahlleiter gelesen. Interessant, mal zu erfahren, wie sein Wahltag aussieht. Jetzt aber gehen wir wählen.

 

 

09:27 Uhr: Meine Liebste und ich fragten uns gerade, wer wohl heute von unseren Freunden alles wählen gehen wird. . Hoffentlich so viele wie möglich. Aber einer ist darunter, der wurde vom Wahlomaten an die NPD verwiesen, was ihn und uns schockte. Ein verbitterter Mann, den die Politik schon fast zum Feind der Demokratie gemacht hat. Mich verstört das zutiefst, weil dieser Mensch ein so guter Freund von mir ist. Ich habe seine zunehmende Verbitterung gespürt, konnte aber nichts dagegen tun. Ängste und Wut bestimmen sein Leben, auch wenn er selbst von den meisten Dingen gar nicht betroffen ist. Das erinnert mich daran, dass in den Niederlanden viele Menschen Geert Wilders gewählt haben, den Rechtspopulisten, gerade in Gebieten, in denen es wenige Ausländer gab. Aus Angst vermutlich, die sogenannte Ausländerschwemme werde sie eines Tages ereilen. Mit diesen dumpfen Ängsten spielt auch die NPD und die AFD.

 

Außerdem hat mir meine Liebste von einer Busfahrt berichtet, bei der ein Herr sie unbedingt davon überzeugen wollte, nicht links zu wählen. Rot sei Stillstand, sagte er, das könne man schon an der roten Ampel sehen. – Meine Liebste hatte aber die richtige Antwort parat: Lieber ein wenig Nachdenken, als mit Volldampf in die falsche Richtung brettern.

 

Wir werden jetzt auch mal langsam wählen gehen, und das noch vor dem Frühstück!

 

 

 

09:02 Uhr: Der Beitrag auf dem Blog ist geschaltet, der Computer begleitet mich mit ewig lautem Rauschen. Jetzt wird es Zeit, offiziell aufzustehen. In den letzten 22 Minuten kamen auf Twitter fast 500 Nachrichten mit dem Tag #btw13 an. Die werde ich natürlich nicht alle lesen. Meine Filter muss ich mir noch aussuchen. Irgendeine Nachrichtenagentur oder so, ich weiß es noch nicht. Aber heute Abend muss ich es wissen. Ich bin aufgeregt wegen unserer Wahlsendung. Selten habe ich eine so aktuelle Sendung mit moderiert. Hoffentlich klappt alles. Auch der Ohrfunk kann aktuell sein, das will ich beweisen.

 

 

Sonntag, 22. September 2013, 08:21 Uhr: Ich bin noch müde, aber geistig bin ich hell wach. Es ist Wahltag, und wie bei den letzten beiden Bundestagswahlen auch begleite ich diesen Tag auf meinem Blog. Noch weiß ich nicht, wie das Wetter ist, noch habe ich kein Radio eingeschaltet, noch habe ich auf Twitter keinen Filter eingerichtet, mit dem ich den Hash-Tag #btw13 verfolgen werde. Noch bin ich nicht der Radiojournalist, sondern der einfache Mensch, der sich für Politik interessiert, und für den heute trotz allem ein besonderer Tag ist.

 

Trotz allem! Trotz Spähskandal und Sanktionspraxis, trotz mangelhafter Behindertenpolitik, trotz der ganz großen Koalition der etablierten Parteien.

 

Ich weiß noch, wie das früher war. In den achtziger und neunziger Jahren habe ich auf einen Politikwechsel gehofft, da habe ich begeistert die Wahlsendungen und die Umfragen verfolgt. Ich hatte wirklich das Gefühl, Teil des Souveräns zu sein. Seit mich Gerhard Schröder und seine SPD so maßlos enttäuschten, seit sie mich vom mündigen und würdigen Bürger zum Hartzer machten, zum „Fall“, der gefordert wird, sanktioniert, bespitzelt und mit Misstrauen beäugt, habe ich die Begeisterung für die Politik verloren. Oder vielleicht ist das nicht ganz richtig, ich habe das Vertrauen in die Politik nach und nach verloren, habe sie mit nüchternen Augen zu betrachten gelernt.

 

Trotzdem: Der Wahltag ist und bleibt etwas Besonderes. Nicht, weil ich die Macht spüre, etwas verändern zu können. Das ist vorbei, gerade in den letzten Jahren hat sich das gelegt, nur eine Massenbewegung könnte etwas verändern, die mit den etablierten Parteien nichts zu tun hat und doch demokratisch, sozial und rechtsstaatlich ist. Nein: Ich betrachte den Wahltag als den Tag, an dem ich deutlich machen kann, dass ich an der Demokratie festhalten will. Heute ist der Tag, den Politikern zu zeigen, dass wir trotz allem die Institution „Demokratie“ wollen und hoch halten. Deshalb gehe ich wählen, und deshalb sitze ich hier und schreibe, noch bevor ich den ersten Bissen gegessen und den ersten Schluck Kaffee getrunken habe. Deshalb beobachte ich die Menschen und die Netzwerke, deshalb mache ich auch heute Radio…

 

… und singe ein fröhlich Liedchen dabei!!!

 

Das solltet ihr auch tun! Geht wählen!

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Mein Wahltag 2013

  1. Pingback: Aus meinem Privatblog: Mein Wahltag 2013 - Wahlen, Wahl, Grundrechte, Demokratie, Bundestagswahl - Mein Wa(h)renhaus

  2. Sabine Barth sagt:

    „Heute ist der Tag, den Politikern zu zeigen, dass wir trotz allem die Institution “Demokratie” wollen und hoch halten. Deshalb gehe ich wählen…“ (…) „… und singe ein fröhlich Liedchen dabei!!!“
    Lieber Jens,
    du sprichst mir aus dem Herzen!
    Auch ich hoffe, dass möglichst viele ein Zeichen für die Demokratie setzen. Und dafür, dass wir ein Interesse daran haben, was „die da oben“ machen, dass wir, die sie vertreten, genau beobachten. Und bereit sind, unsere Stimme hörbar zu machen.
    Geht wählen!
    Sabine

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