Wir sind Weltmeister!

Wir sind Weltmeister!

Entschuldigung, das weiß natürlich jeder. Warum schreibe ich es dann noch mal auf? Viele Antideutsche unter meinen Gesinnungsgenossen tragen jetzt vermutlich Trauer, aber ich freue mich richtig für die DFB-Auswahl.

Bevor das Turnier startete, es ist ungefähr einen Monat her, habe ich gesagt: „In Brasilien kann niemand anders als Brasilien gewinnen, schon aus purer Selbsterhaltung der Selecao.“ Wie sich gezeigt hat, war der Druck für die armen brasilianischen Spieler zu hoch. Ein Teil ihrer Niederlagen gegen Deutschland und die Niederlande ist sicher auf diesen ungeheuren Druck zurückzuführen, im eigenen Land auch den Titel zu holen, damit sich das alles auch gelohnt hat, die Proteste, die harten Maßnahmen der Regierung, die gigantischen Ausgaben für das Fußballfest und die Not derer, die von ihren Wohnplätzen vertrieben wurden, damit man dort dann Stadien bauen konnte, die nun nie mehr verwendet werden. Diesem Druck konnte die Mannschaft nicht standhalten, und genau deshalb tun sie mir leid, obwohl sie oft auch überhebliche Weltklassefußballer sind, die manchmal auch sehr unfair sind. Ronaldo wünschte Klose z. B. eine Verletzung an den Hals, damit er ihn als ewiger WM-Torschützenkönig nicht überholen konnte. Außerdem hielt ich die Brasilianer tatsächlich für die Fußballgötter, die immer gewinnen, oder es zumindest immer glauben. Darum hatte ich keine besonderen Erwartungen an das deutsche Team.

Aber dann schlugen sie Portugal klar, und das war ein schönes Spiel. Dass das zweite Spiel gegen Ghana nicht mehr so schön war, hatte ich erwartet, die zweiten Spiele sind bei Deutschland immer schlecht. Das dritte gegen die USA, das vierte gegen algerien und das fünfte gegen Frankreich waren wieder besser, wenn auch nicht besonders hochklassig. Aber weil es nicht reines Glück sondern vor allem Können war, was ihnen half, gönnte ich ihnen die Siege.

Und dann war da dieses Halbfinale gegen Brasilien. Es war ein absolutes Ausnahmespiel, ich wusste sofort, dass sich das im Finale nicht wiederholen würde. Gegen die Niederlande hätte Deutschland vielleicht höher gewonnen, gegen Argentinien aber war trotz dieses geschichtlichen Sieges im Halbfinale kaum etwas zu holen.

Aber die Mannschaft hat gekämpft, sie hat nicht aufgesteckt und ihr Bestes gegeben gegen eine agressiv spielende und hinten mauernde argentinische Auswahl. Und deshalb gönne ich ihnen so richtig diese Weltmeisterschaft. Sie haben es sich verdient, meinen Glückwunsch.

Vor einem Monat sagte ich, nur Brasilien könne im eigenen Land Weltmeister werden. Ich war mir sicher, bei einem Aufeinandertreffen Deutschlands mit den Brasilianern würde die deutsche Mannschaft sicher verlieren, wie im Finale des Jahres 2002. Aber es kam ganz anders, und darüber freue ich mich.

[Fußball, Sport, Weltmeisterschaft, Fußball-Weltmeisterschaft, Brasilien, Titelgewinn]

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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