SPD-Krise aus Versehen

Jetzt ist Franz Müntefering weg, und Andrea Nahles wird doch nicht SPD-Generalsekretärin. Irgendwie ist da wohl etwas schief gelaufen, und das ganz ohne Not!

Irgendwann ist mein Quantum an Mitleid für die SPD aufgebraucht. Spätestens jetzt ist das der Fall. Die Genossen haben in typisch linker, typisch tapsiger Manier einen Hauskampf geführt, und alle alle haben sie ihn verloren. Unglaublich. Da haben sie sich gerade noch über dieses wunderschöne Wahlergebnis gefreut, mit dem kaum jemand gerechnet hat, und schon, ähnlich wie 1998, passiert eine Panne nach der Anderen!

Dabei ist es völlig nebensächlich, ob die Benennung von Andrea Nahles als Generalsekretärin durch den Parteivorstand nun aus ihrer persönlichen Eitelkeit heraus erfolgte oder nicht. Die Parteiführung ist schuld, die hat das ganze nämlich laufen lassen. Und das in einer Zeit, in der etwas anderes viel wichtiger gewesne wäre, nämlich Geschlossenheit. Immerhin muss man eine große Koalition zustande bringen.

Was ist eigentlich passiert? Der Parteichef hat seinen Willen nicht bekommen. Er hat es nicht geschafft, seinen Kandidaten für das Amt des Generalsekretärs durchzusetzen. Wahrscheinlich dachte der Parteivorstand, man müsse auch die Parteilinke integrieren, und Müntefering dachte, dass er sich keinen Aufmüpfigen Generalsekretär leisten konnte. Beide hatten sie irgendwie recht. Andrea Nahles wollte unbedingt Generalsekretärin werden, die Aushängedame der Linken. Das Parteipräsidium konnte sich nicht darauf verständigen, wer von beiden den Posten nun bekommen sollte, also verschleppte man das ganze in den Parteivorstand, Nahles wurde gewählt, und in typisch sozialdemokratischer Eitelkeitsmanie trat Müntefering zurück. Der Salat war da, keiner hatte diese erdrutschartigen Auswirkungen gewollt. Der Parteirechte kann nicht mit der Parteilinken. Wer soll das ander Basis noch verstehen?

Um den Schaden zu begrenzen, hat sich Münte nun doch bereit erklärt, Minister im Merkelkabinett zu werden, und die Partei scheint sich auf Matthias Platzeck als Müntenachfolger geeinigt zu haben. Bis dahin alles klar. Aber was nun? Plötzlich kündigt Andrea Nahles ihren Rückzug an. Und damit hätte auch alles beim Alten bleiben können. Wer versteht das noch? Wer an der Basis soll das verstehen? Warum müssen sich die Sozialdemokraten eigentlich immer selbst demontieren?

Jetzt wollte ich gerade eine längere Analyse schreiben, aber jetzt ist es wieder ganz wichtig, dass ich etwas anderes tue. Mist. – Aber ein Anfang ist gemacht!

Copyright © 2005, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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