Ich muss unbedingt vom Radio schwärmen!

Ohrfunk.de ist ein kreatives, flexibles, ehrenamtliches und äußerst engagiertes Radioteam. Wir leisten fast schon mehr als so mancher andere, bekanntere Sender.

Seit Mitte Februar bin ich statistisch betrachtet jeden Tag mindestens eine Stunde irgendwo in irgendeinem Radio zu hören. Schuld daran ist ohrfunk.de. Wenn ich mir überlege, wie wir in kurzer Zeit einen Sender dieser Klasse aus dem Boden gestampft haben, komme ich echt mal ins Schwärmen, und ich denke, das kann ich mir auch mal leisten.

Ohrfunk.de ist ein informatives und unterhaltendes Radioprogramm. Es hat viele Facetten und ein ausgewogenes, vielseitiges Musikprogramm. Insgesamt arbeiten 5 bis 8 Leute ständig für den Sender, weitere fünf ungefähr liefern Sendungen zu und stiften auch Ideen. Damit füllen wir ein Programm, dass immerhin in der Woche, und zwar ohne Wiederholungen, 31 Stunden umfasst. Das sind viereinhalb Stunden pro Tag. Die Wiederholungen umfassen 27 Stunden, und damit kommen wir auf 58 Stunden Programm. Der Rest, also nur noch 110 Stunden pro Woche, wird mit einem Musikteppich überbrückt. Das alles von im Grunde sieben oder acht Leuten, die ja auch noch ihren Berufen nachgehen. Nicht jede kann täglich acht Stunden in die Arbeit beim Radio stecken, wie ich es im Augenblick tue. Aber weil es mir so einen großen Spaß macht, macht es mir auch überhaupt nichts aus.

Ich habe schon mal geschrieben, wie eine Sendung zustande kommt, aber ich möchte es am Beispiel meiner letzten Updatesendung noch einmal wiederholen. Ich bin mehrere Male auf ohrfunk.de zu hören. Jeden Donnerstag mache ich abends zwischen 19 und 21 Uhr das Update, unser werktägliches Abendmagazin. an jedem vierten Sonntag gibt es das Infocafé von mir, eine vertiefende Sendung, die sich mit 1 bis 2 Themen befasst, meist aus dem politischen oder gesellschaftlichen Bereich. Jeden Sonntagabend präsentiere ich zusammen mit meiner Liebsten Bianca die Sendung Candlelight, die ich auch schon hier im Lokalradio mache. Eine Woche spiele ich alte marburger Sendungen, die andere Woche mache ich live. Und hin und wieder mache ich auch Samstags den Ballroom, eine Party mit unseren Hörern und ihren Wünschen. Natürlich mache ich auch Beiträge für die Update-Magazine meiner Kollegen.

Wenn ich nun eine solche Sendung vorbereite, nehmen wir mal das letzte Update von gestern, dann geht meine Arbeit schon früh los:

Montags nachmittags, in diesem Falle der 10. April, beginnt mein erster Arbeitsschrit. Ich suche die Hörspiele für die donnerstäglichen Hörspieltipps aus verschiedenen Internetquelen zusammen. Weil das relativ einfach ist, nimmt es nicht viel Zeit in Anspruch. Also habe ich es nebenher gemacht, während ich verschiedene CD’s für eine Specialsendung von Bianca rippte, die am Ostermontag ihre erste eigene Sendung auf ohrfunk.de hat. Außerdem recherchierte ich noch für einen Beitrag über den 45. Geburtstag der bemannten Raumfahrt. Diese drei Sachen konnte ich relativ problemlos gleichzeitig machen, denn die CD’s arbeiteten ja praktisch von selbst.

Am Dienstagmorgen sammelte ich die Hörfiltipps zusammen. Jeden Donnerstag bringen wir einen Überblick über die Hörfilme der kommenden Woche, und über die Hörspiele vom Wochenende. Da es sich diesmal um die Osterwoche handelte, gab es verdammt viele Hörspiele und Hörfilme zu sammeln. Abe auch das Sammeln der Hörfilme geht relativ schnell, und ich konnte nebenbei den Weltraumbeitrag produzieren, was mehrere Stunden in Anspruch nahm.

Gegen 14 Uhr nahm ich mit Bianca und einem Studiogast ein großes Interview für die nächste Infocafé-Sendung auf. Sie findet am 23. April statt, und weil ich vorher kaum noch dazu komme, dieses Interview zu bearbeiten, musste es so früh aufgezeichnet werden. Obeohl ich eigentlich immer ein schlechtes Zeitmanagement hatte, muss ich mich inzwischen echt daran gewöhnen, alles so früh wie möglich zu machen.

Mittwochsmorgens bin ich nicht zu hause. Ein paar Freunde und ich haben es uns zur Gewohnheit gemacht, uns bei einem Frühstück zu treffen. Um 11 Uhr geht es los, also habe ich vorher noch Mails bearbeitet, natürlich auch Mails, die sich mit dem Radio befassten, ein paar Vorschläge für die Update-Sendungen der nächsten Tage waren auch dabei. Bianca und ich hüten gerade für einen Nachbarn eine Katze, und darum habe ich mich vor dem Frühstück mit der Versorgung dieses Zimmertigers auseinandergesetzt.

Ab 2 Uhr ging es aber los. Bislang hatte ich ja nur Hörspiel- und Hörfilmtipps, und ehrlich gesagt hatte ich kaum eine Ahnung, was ich sonst noch in der zweistündigen Sendung bringen sollte. Für solche Notfälle gibt es meistens eine Lösung. Wir können kostenlose O-Ton-Pakete mit vorgeschlagenen Beitragstexten verschiedener Institutionen wie Krankenkassen, Autofirmen, Wirtschaftsinstitute, Versicherungen und so weiter herunterladen, müssen dann nur noch den zu dem O-Ton gehörenden Beitrag sprechen, und können diese Dinger als Kurzbeiträge in unseren Sendungen verwenden. Ich bin ja froh, dass es diese Möglichkeit gibt, aber man muss wissen, dass da leichte Werbung in den Beiträgen steckt, natürlich für die Institution, die den Beitrag zur Verfügung gestelt hat. Das würde ich nur im Notfall bringen, denn es handelt sich da nur zum Teil um journalistisch recherchierte Beiträge, wie sie uns eigentlich für Magazinsendungen vorschweben. Also mussten eigene Beiträge her. Bianca ist im Marburger Tauschring, und sie schlug mir vor, die Initiatorin des Tauschrings doch mal um ein Interview zu bitten. Also telefonierte ich herum, erreichte die Dame schließlich und musste erfahren, dass sie an diesem Tag und auch am nächsten Morgen keine zeit hatte. Außerdem hatte ich auf ein Interview gehofft, das mir ein Bekannter, der auch als Journalist teilweise arbeitet, zur Verfügung stellen wollte. Leider kam es nicht, und der Typ war in Urlaub gefahren. Also war guter Rat teuer. Ich begann also erst einmal mit den Routinearbeiten:

„15:28 – 18:13 Uhr: Schneiden und bearbeiten der Hörspieltipps für Donnerstag.“ So steht es in meinem Arbeitsprotokoll. Ich ließ Bianca die Hörspieltipps auflesen, die Datei hatte 24 Minuten, ich musste sie radiotauglich erheblich kürzen, Fehler und zu lange Pausen wegschneiden, das ganze mit der Hörspielmusik unterlegen und die Datei nachher mit den richtigen Tags und Bezeichnern versehen, damit unsere Hörer in ihrem Programm sehen können, was gerade läuft. Die Hörspiele waren am Ende 13 Minuten lang. Das ist eine Arbeit, die ziemlich viel Konzentration erfordert. Eigentlich soll ja ein Hörer gar nicht mitkriegen, dass geschnitten wurde, darum sollen unnatürliche Pausen, wo beispielsweise ein Atmen abgeschnitten wird, vermieden werden. Außerdem sollen die Pausen nicht zu lang und eigentlich auch nicht zu kurz sein. Das eine wirkt abgehackt, das andere erheblich zu hektisch. Da die richtige Geschwindigkeit, das richtige Tempo zu finden, ist bei jedem Beitrag wieder neu eine Herausforderung.

„18:30 – 18:35 Uhr: Mail an Annik Rubens wegen Interviewanfrage.“ Schon vor vier Wochen habe ich die beliebteste deutsche Podcasterin Annik Rubens interviewen wollen. Damals aber hatte sie wegen ihres gerade neu erscheinenden Buches so viel zu tun, dass sie keine Zeit hatte. Mit ihrem Podcast „Schlaflos in München“ ist Annik die Wegbereiterin des Mediums hier in Deutschland geworden. Nun also schrieb ich ihr eine Mail und bat sie um das Interview. Eine Stunde später hatte ich eine Antwort: „Morgen bin ich weg, es geht nur heute Abend“. Ich sagte ihr für etwas später zu.

„19:05 – 19:10 Uhr: Interviewanbahnungsgespräch mit W. Sch. zum Thema Regionalgeld.“ Bianca brachte mich auf die Idee, über das gießener Regionalgeld zu berichten. Sie kennt einen Menschen aus dem Tauschring, der mir auch vom marburger Lokalradio her bekannt war. Der engagiert sich für dieses Regionalgeld. Ich fand die Idee gut, rief ihn an und vereinbarte mit ihm ein Interview für den kommenden Morgen, 9 Uhr.

„19:28 – 20:12 Uhr: Interview und Rückinterview mit Annik Rubens.“ Es war eine tolle Sache, sich mit Annik Rubens zu unterhalten, und das spannende war auch, sie machte gleich ein Rückinterview für ihren Podcast. Die Nr. 316 von „Schlaflos in München“ enthält unser Interview.

„20:47 – 21:33 Uhr: Nachbearbeitung des Rubens-Interviews und Mailbeantwortung in der Radiomailingliste.“ Auch ein Interview will bearbeitet werden. Das Vor- und Nachgespräch muss weggeschnitten, die Lautstärke so eingestellt werden, dass das Interview nicht leiser oder lauter ist als die umliegende Musik, und auch hier müssen wieder Namen und Tags gesetzt werden.

In unserer Mailingliste schlug mir mein Redaktionskollege Jürgen vor, etwas über die Neuheiten auf dem Unterhaltungselektronikmarkt zu bringen, vor allem über Lautsprecher. Ich sagte ihm, dass mir das recht wäre, wenn ich noch Platz in der Sendung hätte.

„23:21 – 01:22 Uhr: Schneiden und Nachbearbeiten der Hörfilmtips der kommenden Woche.“ Wie bei den Hörsielen, so müssen auch die Hörfilmtipps bearbeitet werden. Es waren so unglaublich viele, dass ich ziemlich Arbeit damit hatte und zwei Stunden brauchte.

Ihr könnt mir glauben, dass ich ziemlich müde war, als ich dann ins Bett fiel. Eigentlich bin ich ein Frühaufsteher und ein Spätschläfer, aber wenn das über mehr als eine Woche so geht, dann merke ich hin und wieder doch etwas Müdigkeit.

„13.04.2006: 09:01 – 09:23 Uhr: Interview mit W. Sch. zum Regionalgeld in Gießen.“ Das war in einem Schwung aufgenommen und dauerte als solches 15 Minuten.

„09:51 – 10:07 Uhr: Interview mit Jürgen über neues auf dem Lautsprechermarkt.“ Das Interview selbst war schnell gemacht. Zwischen den Beiden Aufnahmen versorgte ich noch die zu hütende Katze.

„10:07 – 10:36 Uhr: Schneiden und Nachbearbeiten der Interviews.“ Wie oben. Nur ging es hier schnell, weil ich nur Anfang und Schluss wegschneiden musste jeweils. bei dem Interview mit Annik Rubens war zwischenzeitlich die Verbindung ausgefallen, drum musste ich da auch mittendrin wegschneiden, hier war das nicht nötig und ging dementsprechend fix.

„11:10 – 12:22 Uhr: Erstellung des Anfangs-, Stundenwechsel- und Endjingles mit Absage für heutiges Update.“ Normalerweise würde ich natürlich am Anfang und auch am Ende live meine An- und Absagen machen. Aber meine Technik erlaubt es mir derzeit noch nicht, über Musik zu sprechen. Darum muss ich alles, wo über Musik gesprochen wird, vorproduzieren. Das sind bei Update die Ansagen am Anfang und am Ende, und die Ansage zum Beginn der zweiten Stunde. Also muss das vorproduziert werden, und bis zu diesem Zeitpunkt muss auch klar sein, in welcher Reihenfolge die Beiträge abends gesendet werden. Also sprach ich die Ansagen ein, wobei ich aufpassen musste, dass sie nicht zu lang für die Musik wurden. Und dann unterlegte ich sie mit den dazugehörigen Jingles.

„12:58 – 13:33 Uhr: Wetter-Produktion.“ Also eigentlich bin ich ja nicht fürs Wetter zuständig, das macht Petrus schon ganz alleein:-). – Aber ich muss die Vorhersage lesen. Und wie oben gilt: Es wird über ein Jingle gesprochen, also muss es vorproduziert werden. Wetterquellen gibt es einige, aber es sollte dann noch gut formuliert und flüssig vorgetragen werden. Ich glaube, selbst wenn ich ein Mischpult hätte und live über Musik sprechen könnte, würde ich es beim Wetter nicht tun. Da brech ich mir die Zunge ab!

Dann habe ich erst einmal gefrühstückt.:-)

„15:28 – 16:03 Uhr: Produktion von Programm- und Computerhinweisen.“ Ich hatte inzwischen die Meldung gelesen, dass Microsoft am 11. Juli den Support für Windows 98 einstellt. Das fand ich vermeldenswert, und außerdem wollte ich auf unser mit viel Engagement und Liebe erstelltes Osterprogramm hinweisen. Wir alle senden Ostern, anstatt irgendwo bei der Familie zu sitzen und es uns gut gehen zu lassen. Also produzierte ich Kurzmeldungen. Auch die werden natürlich über Musik gesprochen…

„16:03 – 16:40 Uhr: Musikauswahl und Playlistenerstellung, Zeitberechnung und

Moderationsvorbereitung.“ Wir haben einen großen Musikpool, aus dem ich in der Regel einfach 25 Lieder auswähle, weil das für 2 Stunden in jedem Falle genug ist. per Zufallsgenerator wird dann eine Playliste erstellt, in die die Interviews und Tips, Sendererkennungsjingles, das Wetter, die Kurzmeldungen und die Nachrichten, sowie die Jingles am Anfang, zur neuen Stunde und am Ende mit eingebaut werden. Dann schaue ich nach, wie viel Zeit das ganze einnimmt. Erst dann überlege ich mir genau, was ich in der Livemoderation sagen will, es darf ja in der Regel nicht zu viel sein, es muss ja in die Restzeit passen. Wenn ich damit fertig bin, kann es eigentlich los gehen. Ich war an diesem Donnerstag mal sehr früh, normalerweise bin ich immer erst kurz vor Sendungsbeginn, also gegen halb sieben, fertig. Was für ein Glück, dass wir die Hörspiel- und Hörfilmtipps einen Tag früher gemacht haben. Die hätten nämlich an diesem Tag nicht mehr reingepasst.

12
Stunden dauerte die Vorbereitung auf diese Updatesendung. Wenn ich mir das überlege, dann fällt mir immer wieder ein, was man über deas gute Kochen sagt: So lange dauert es, ein Gericht fertigzustellen, und so schnell ist es dann verspeist.

Das alles machen Axel, Steffi, Jürgen, Eberhard, Carsten und ich in der Freizeit, und Claus, Sven, Wencke, Sabine und Andy, und natürlich unseren Nachrichtenstefan sollte man da auch nicht vergessen, die selbst Sendungen machen oder uns Beiträge zuliefern. Wir sind einfach ein klasse Team bei Ohrfunk.de – Und ich hoffe, dass das noch lange so weiter funktioniert. So kann man mit wenigen Leuten einen kleinen, anspruchsvollen Sender aufbauen, und das macht mich ehrlich gesagt auch etwas stolz.

Wir sind also, wie oben schon einmal gesagt, ein kreatives Team. Wir bieten Flexibilität, Kreativität, guten Teamgeist und viele Sendemöglichkeiten. Wir wünschen uns nicht nur ein geneigtes Ohr bei den Hörerinnen und Hörern, sondern vielleicht auch ehrenamtliches Engagement, Tatkraft und Ideenreichtum bei eventuellen Machern. Wenn da also jemand mitliest, der Lust hat, auch ein wenig Radio zu machen, dann schau dir doch die Seite www.ohrfunk.de an und melde dich mal bei uns. Es lohnt sich!

Copyright © 2006, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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