Anschlag auf die niederländische Königin – Das ende einer alten Volksfesttradition?

Am 30. April 2009 wurde während eines Volksfestes ein Anschlag auf die niederländische Königin verübt. 21 Verletzte und 5 Tote forderte dieser Gewaltakt, darunter der Attentäter selbst, der, so denkt man heute, aus persönlichem Frust heraus gehandelt hat. Mitten in den ersten Stunden, nur drei Stunden nach dem Anschlag, habe ich einen Kommentar für ohrfunk.de geschrieben und in der Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“ veröffentlicht.

Es ist vermutlich der dritte politisch motivierte Anschlag in den Niederlanden binnen sieben Jahren. Während des Volksfestes zum sogenannten Königinnentag in Apeldoorn, bei dem die Königin und ihre Familie anwesend waren, fuhr ein Auto durch die Absperrungen und versuchte offenbar, mit dem historischen Kleinbus zusammenzustoßen, in dem sich die königliche Familie befand. 21 Menschen wurden von dem Mann hinter dem Steuer des Autos angefahren, 2 wurden getötet. Eine fröhliche Menge von mehreren tausend Menschen hatte sich versammelt, um festlich mit ihrer Königin den hundertsten Geburtstag der äußerst beliebten Exkönigin Juliana, der Mutter der heutigen Königin Beatrix, zu begehen. Um 10 Minuten vor 12 geschah die ungeheuerliche Tat, von der noch niemand genau weiß, ob es sich um einen vorsätzlichen anschlag, die Tat eines verwirrten Menschen oder einen schrecklichen Unfall handelt, ein Anschlag scheint aber durchaus möglich. Seit sieben Jahren, seit der Populist Pim Fortuyn von einem linken Umweltaktivisten erschossen wurde, kommt das kleine Land nicht zur Ruhe. Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, aber auch die Offenheit und Bürgernähe der Politik waren Themen, die stark diskutiert wurden. Bis zum Anschlag auf Fortuyn war es üblich, dass der Premierminister der Niederlande auf seinem Fahrrad zur Arbeit fuhr, oder dass die Königin, vor allem Juliana, in einem Einkaufszentrum in Den Haag einkaufen ging. Nach diesem Anschlag wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft. Und als im November 2004 der umstrittene und oft provozierende Filmemacher Theo van Gogh von einem Islamisten brutal ermordet wurde, ergriff Angst jenes Land, das sich so viel auf seine Offenheit, Toleranz und Freiheit eingebildet hatte. Aber absolut niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass es einmal die Königin treffen könnte. Und so absolvierte sie ihre Arbeits- oder Festtagsbesuche im Land stets in der Nähe der einfachen Menschen, sprach mit ihnen, absolvierte sportliche Übungen, die man sich für sie ausgedacht hatte, scherzte und feierte ihren Ehrentag. Das alles, so sagen Experten, wird nun nicht mehr gehen, denn die Sicherheit wird zukünftig auch in diesem so offenen und toleranten Land alles bestimmen. Mindestens 2 Menschen, die einfach nur feiern wollten, die gekommen waren, um vielleicht einen Blick auf die königliche Familie zu werfen, Hände zu schütteln, der Musik zuzuhören, zu tanzen und zu singen, bezahlten mit ihrem Leben. Bei uns in Deutschland gibt es kaum Ereignisse, die uns mit unserem Land identifizieren und so viele fröhliche Besucher anllocken. Der Königinnentag in Holland war ein Volksfest für Jedermann. Was auch immer dieses furchtbare Ereignis verursacht hat, es ist das erste Mal, dass ein Königinnentag so brutal gestört und an sein Ende gebracht wurde.

Ich selbst habe einen Teil meines Lebens in den Niederlanden verbracht. Ich fühle mich mit dieser kleinen, freundlichen Nation verbunden, die sich eine volksnahe Königin leistet, die über den Parteien steht und nie in Verdacht kommt, in politische Ränkespiele verwickelt zu sein. Ich habe die unverkrampfte Feierstimmung am Königinnentag immer genossen, sie kam direkt aus der holländischen Seele, direkt aus dem Orangen Herzen des Landes. Ich fühle Trauer, so wie sie die Menschen fühlen müssen, die in Apeldoorn zusammengekommen waren, und ich finde es schrecklich, dass die Wahnsinnstat eines Einzelnen so traumatische Auswirkungen auf ein Land haben kann, wie es die Mordanschläge auf Pim Fortuyn und Theo van Gogh hatten. Die Königin und ihre Familie blieb unverletzt heute, aber das Land selbst, die Volksseele, hat mit Sicherheit schweren Schaden genommen.

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Autor: Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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