Erinnerung an Elke Bartz

Am 25. August jährte sich der Todestag von Elke Bartz, einer der herausragendsten Persönlichkeiten der deutschen Behindertenbewegung, zum ersten Mal. Aus diesem Anlass habe ich an diesem Tag einen kurzen Erinnerungstext verfasst und bei ohrfunk.de in der Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“, veröffentlicht.

In Mulfingen, einem kleinen Ort in Baden-Würtemberg, blühen die Sonnenblumen auf dem Grab von Elke Bartz. Heute vor einem Jahr starb sie nach kurzer, schwerer Krebserkrankung. Tausende von Menschen mit Behinderung werden sich heute an sie erinnern, und haben dies auch schon in den letzten Tagen getan. Vor wenigen Wochen trat das Gesetz inkraft, das es schwerbehinderten Menschen mit Assistenzbedarf ermöglicht, ihre Assistenz mit ins Krankenhaus zu nehmen. Zwar gilt das vorläufig nur für behinderte Arbeitgeber, aber es ist ein wichtiger Schritt hin zu einem selbstbestimmten Leben im Krankheitsfall. Für dieses Gesetz hat Elke Bartz in den letzten Jahren vehement gekämpft. Überhaupt hat sie sich rund zwei Jahrzehnte intensiv für Menschen mit Assistenzbedarf eingesetzt. Sie war die Gründerin und langjährige Vorsitzende des forums selbstbestimmter Assistenz. Obwohl Elke Bartz selbst nach einem schweren Unfall auf sehr viel Assistenz angewiesen war, hat sie sich nie geschont. Wenn sie nicht durch das Land reiste und Campagnen unterstützte und durchführte, beriet sie Tag für Tag, von morgens früh bis abends spät, Menschen, machte ihnen Mut, unterstützte sie bei ihrem Kampf um ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung, bei dem Schritt, Arbeitgeber für die eigenen Assistenzkräfte zu werden und bei allem, was für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen nötig war. Sie war eine unnachgiebige Streiterin, die erst langsam ans Licht der Öffentlichkeit trat. Viel mehr bewegte sie im Hintergrund und in persönlichen Gesprächen. Vor einigen Jahren trat Elke Bartz der Redaktion der Kobinet-Nachrichten bei und schrieb fleißig Artikel für den Onlinenachrichtendienst von Behinderten für Behinderte, und dies, obwohl sie durch ihre Beratungstätigkeit und die Campagnen, die sie führte, vollkommen ausgelastet war. Als ich sie einmal um ein Interview bat, musste ich einen Monat warten: Die behinderten Menschen selbst waren ihr wichtiger als die Presse. Elke Bartz war eine beeindruckende Persönlichkeit, sie fühlte mit Menschen, die durch ihre Behinderung mit starken Belastungen zu kämpfen hatten, sich gegen Entmündigung auflehnen mussten und denen oft die notwendigen Alltagshilfen verweigert wurden. Auch als sie erfuhr, dass sie unheilbar krank war, hat sie weiter gearbeitet, bis zum letzten Tag. Mit großer Eindringlichkeit und ebenso großer Gelassenheit hat sich Elke Bartz selbst über die Kobinet-Nachrichten von ihren Mitstreitern und von der Behindertenbewegung verabschiedet. Und so selten ich auch selbst mit ihr sprach, so sehr habe ich bei ihrem Tod den Verlust gefühlt, den die Behindertenbewegung und ganz Deutschland erlitten hat. Und hätte ich nicht am Tage ihres Begräbnisses geheiratet, so hätte ich ihr die letzte Ehre erwiesen, die sie verdiente.

Heute gedenken viele behinderte Menschen in Deutschland und auch jenseits der Landesgrenzen dieser starken, mutigen und engagierten Frau, deren Tipps und Ratschläge wir heutzutage leider missen müssen. Es bleibt dem neuen Vorstand des Forums Selbstbestimmter Assistenz unter ihrem Mann Gerhard vorbehalten, die Campagnen weiterzuführen, behinderte Menschen weiterhin zu beraten und zu unterstützen. Eine Aufgabe, die sicher nicht leicht ist.

Sonnenblumen erinnern überall dort an Elke Bartz, wo ein Teil ihres Herzens zurückgeblieben ist, denn wer an ihrer Beerdigung teilnahm, der hat ein Tütchen mit Sonnenblumensamen erhalten. Diese blühen nun überall in Deutschland auf Wiesen, Balkonen und in meinen Gedanken.

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Autor: Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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Eine Antwort zu Erinnerung an Elke Bartz

  1. Traudel Ziegler sagt:

    Danke Herr Bertrams für Ihre Erinnerung an Elke an ihrem ersten Todestag. Nachdem die schwere Zeit etwas verblasst und die Gedanken wieder konzentrierter sind als vor einem Jahr kann ich nur hinzufügen, dass Elke mit ihrem großen Mut uns allen für heute und künftige Zeiten ein Vorbild sein kann, was Zivilcourage anbelangt, ohne Polemik und Oberflächlichkeiten. Selbst, anfangs ohne jegliche Lobby, gefangen in einem Körper, der jederzeit streiken konnte und mit dem zu leben schon eine besondere Aufgabe war und auch ein Lebenserschwernis, diese Stärke zu haben, sich für so viele Mitmenschen einzusetzen, ist schon eine übermenschliche Leistung. Als es ihr gut ging hat man es schon fast selbstverständlich aufgefasst, dass sie all die körperliche, geistige und seelische Schwerstleistung auf sich genommen hat. Mein Bruder hat sich, im Hintergrund stehend, ebenfalls sehr stark engagiert für FORSEA und seine „Frontfrau“. Ihm wünsche ich von ganzem Herzen sehr viel Geschick und Kraft, diese Aufgaben nun alleine mit allen anderen Wegbegleitern durchzuführen.

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