Wahlprogramme im Vergleich – Thema Arbeit

Den folgenden Beitrag zur Bundestagswahl habe ich am 18.08.2009 verfasst und als Kommentar auf ohrfunk.de in der Sendung „17-20, der Soundtrack zum Tag“, veröffentlicht.

Schon bald sind Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, ja auch sie!, wiedereinmal aufgerufen, Ihre Stimme abzugeben, auf dass sie vier Jahre lang von unseren Politikerinnen und Politikern treuhänderisch verwaltet werde. Vermutlich wird eine zunehmende Verweigerungshaltung um sich greifen, weil viele glauben, dass die Parteien ja ohnehin fast dasselbe wollen. Weit gefehlt: Die Wahlprogramme unterscheiden sich erheblich. Es wird also Zeit, mal einen Blick auf die Themen des Wahlkampfes zu werfen und die Vorhaben der einzelnen Parteien für die Zukunft zu vergleichen. Und welches Thema wäre da besser geeignet als das Thema Arbeit? Steht und fällt doch der Erfolg einer Politik mit diesem Thema. Was also wollen die Parteien tun, um die hohe Arbeitslosigkeit zu verringern?

Es gibt einen Punkt, in dem sich, ausgesprochen oder unausgesprochen, die Parteien einig sind. Die Tarifautonomie soll grundsätzlich nicht angetastet werden. Es wird also auch weiterhin Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden obliegen, grundsätzlich die Löhne und Arbeitsbedingungen festzulegen. Allerdings gibt es unterschiede beim gesetzlichen Mindestlohn. Union und FDP lehnen diesen strikt ab. Die FDP begründet ihre Ablehnung damit, dass ein Mindestlohn zur Verdrängung von Arbeitsplätzen führe, weil die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sinkt. CDU und CSU wollen statt der Mindestlöhne ein Verbot sogenannter sittenwidriger Löhne, um gegen Lohndumping vorzugehen. Außerdem soll jeder, der vollzeit arbeitet, auch davon leben können. Die FDP will das Lohndumping hingegen in Kauf nehmen und nur dann eingreifen, wenn ein Arbeitnehmer nicht genug Lohn erhält, um seine Existenzgrundlage zu sichern. Dann soll ein staatliches Bürgergeld ausgegeben werden. Der Staat soll also ausgleichen, was die Unternehmen an Löhnen zu wenig zahlen.

SPD, Grüne und die Linkspartei hingegen sind für einen gesetzlichen Mindestlohn. Der soll, so steht es bei SPD und Grünen, bei mindestens 7,50 Euro pro Stunde liegen. Die Linkspartei nennt keine Zahl, sie will aber einen gesetzlichen Mindeslohn, der mit den Lebenshaltungskosten automatisch ansteigt. Gegen Lohndumping wollen die Linken unter Anderem dadurch vorgehen, dass sie die Leiharbeitszeit auf maximal 6 Monate und die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzen wollen. SPD und Grüne fordern mindestens eine Gleichstellung von Leiharbeitern im Betrieb, gleiche Arbeitsbedingungen und Löhne also, während sich Union und FDP zu diesem Thema nicht äußern.

Die Arbeitsvermittlung ist bei allen Parteien das zentrale Instrument, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen bzw. Menschen in Arbeit zu bringen. Die Liberalen wollen das Problem der hohen Arbeitslosigkeit durch mehr Konkurrenz angehen. Lokale Jobcenter sollen die Bundesagentur für Arbeit im wesentlichen ablösen, und sie sollen in einen Wettbewerb mit privaten Arbeitsvermittlern treten. So soll wohl die Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit erhöht werden. Die Union will ältere Menschen und Frauen fördern, um sie für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren, und sie will das Instrumentarium des Förderns und Forderns weiterhin verstärkt einsetzen. Der SPD fällt nichts besseres ein, als die Zahl der, natürlich qualifizierten, Arbeitsvermittler zu erhöhen. Die Grünen wenden sich jetzt von der einst mit der SPD gemeinsam durchgesetzten Hartzreform teilweise ab. Sie wollen „weg von der Unkultur des Misstrauens und der Sanktionierung“, hin zu „passgenauer Förderung“ der Arbeitslosen „nach ihren Fähigkeiten und Wünschen“. Nur die Linkspartei fordert die Abschaffung von hartz IV, womit nicht gemeint ist, dass die Arbeitslosen gar kein Geld mehr bekommen sollen, im Gegenteil. Nicht nur soll das Arbeitslosengeld erhöht werden, es soll auch eine massive Förderung der Arbeitssuchenden stattfinden, um sie zu qualifizieren und ihnen so bessere Möglichkeiten zu bieten. Eine staatliche Arbeitsbeschaffung, also ein kräftiges Konjunkturprogramm und verstärktes Auftreten des Staates als Arbeitgeber, runden das Paket der Linkspartei ab.

Alles in Allem kann man sagen, dass alle im Bundestag vertretenen Parteien versuchen, möglichst schnell möglichst viele Menschen in Arbeit zu bringen, statt zuzugeben, dass einfach nicht genug Arbeit für alle da ist. Und dies ist keineswegs die Schuld der Arbeitssuchenden. Über ein bedingungsloses Grundeinkommen, das nach meiner ansicht die logische Konsequenz wäre, spricht jedenfalls niemand. Somit bleibt, wie zu erwarten, ein neues Denken in der Arbeitsmarktpolitik auch weiterhin nur eine Hoffnung oder eine Utopie.

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Autor: Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Wahlprogramme im Vergleich – Thema Arbeit

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  2. Geek sagt:

    Interessanter Arikel.
    Auch gut finde ich die Arbeit zum Thema von frogged.de
    http://www.frogged.de/superwahljahr-2009-parteiprogramme.html

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