Ein Jahr Barack Obama, ein kleiner Kommentar

Den folgenden Kommentar habe ich für die Sendung „17-20“ bei ohrfunk.de geschrieben und dort veröffentlicht.

Man kann die Welt in einem Jahr nicht verändern, Wunder sind in dieser Zeit ausgeschlossen. Das mag eine bittere Wahrheit sein, aber sollte sich der Präsident der Vereinigten Staaten, gemeinhin als mächtigster Mann der Welt bezeichnet, in dieser Hinsicht Hoffnungen gemacht haben, so wurden sie bitter enttäuscht. In jedem Falle aber sind die Wähler enttäuscht, die Obama vor einem Jahr begeistert ihre Stimme gaben und am 20. Januar 2009 die Straßen Washingtons säumten. Es sah alles nach einem Durchmarsch aus. Aber Obama ist eben nicht der mächtigste Mann der Welt, zum Beispiel, weil er ein Demokrat ist. Man soll es nicht meinen, aber republikanische Präsidenten haben es in der Regel leichter, ihre Pläne umzusetzen, sie richten sich auch mehr nach den Wünschen der einflussreichen Wirtschaftslobbys. Gesundheitsreform, Klima- und Umweltschutz, sowie eine außenpolitische Konsolidierung, das alles passt nicht in das Weltbild der Amerikaner, die sich selbst als die einzig wahren Guten auf der Welt sehen, die gegen das Böse mit äußerster Härte kämpfen müssen. Obama hingegen wollte mehr zuhören und Kompromisse finden.

Doch sieht man die Bilanz seiner Regierung nach exakt einem Jahr, so kann man die Enttäuschung der Wähler verstehen, die bei der notwendigen Senatsnachwahl einen Republikaner wählten und damit endgültig verhinderten, dass Barack Obama künftig gegen die Republikaner regieren kann. Zu wenig von den groß angelegten Plänen wurde bislang verwirklicht. Die halbherzige Gesundheitsreform wurde zwar durchgesetzt, aber nicht einmal Guantanamo konnte bislang geschlossen werden. Und von internationaler Konsolidierung ist die Obama-Administration weit entfernt. Kein Druck auf Israel, den Siedlungsbau zu stoppen, dabei hatten die arabischen Staaten sehr auf Obama gebaut. Kein Abflauen der Kriege in Afghanistan und dem Irak, dabei wollte der neue Präsident hier besonders schnell und klar durchgreifen und Änderungen durchführen. Keine Entschärfung der Freiheitsbeschränkungen im Inland durch die Antiterrorgesetze, dabei wäre dies ein notwendiger Schritt hin zu einer ernst gemeinten Menschenrechtspolitik. Stattdessen der verhinderte Angriff eines Einzeltäters auf ein amerikanisches Flugzeug, und die Obama-Administration benimmt sich ebenso paranuid und hysterisch wie die Bush-Regierung. Und auch hier wird suggeriert, dass strengere Sicherheitsvorschriften und mehr Einschränkungen der persönlichen Freiheit helfen würden, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Als ob nicht klar wäre, dass es eine perfekte Sicherheit nicht gibt, und als ob es nicht geboten wäre, den Bürgern mitzuteilen, dass die Einschränkung der Freiheitsrechte kein Quäntchen mehr an persönlicher Sicherheit bringen wird, eher im Gegenteil. Mit einem so kleinen Zwischenfall hat ein Einzeltäter die Antiterrorpolitik Bushs wieder aufleben lassen. Man könnte sich fast fragen, ob dies nicht eine gezielte Aktion der Geheimdienste und der Konservativen gegen die Regierung Obama sein könnte, so dilettantisch, wie sie ausgeführt wurde.

Barack Obama steht nach einem Jahr Regierungszeit vor den Scherben seiner groß angelegten Reformen und Veränderungen. An Vorschusslorbeeren mangelte es ihm nicht. Der Obama-Hype ist schon nach wenigen Monaten abgeklungen, jetzt hat den neuen Mann im weißen Haus nicht nur die politische Wirklichkeit eingeholt, er muss auch privat mit einer heftigen Ehekrise leben. Sogar den Friedensnobelpreis hat er erhalten, und angesichts der fortdauernden Kriege, bei denen gar keine besonderen Anstrengungen zu ihrer Beendigung sichtbar werden, ist die Auszeichnung eher lächerlich und wird damit ihres eigentlich sehr positiven Charakters beraubt. Man hätte bis zu einem späteren Zeitpunkt warten sollen. Und jetzt wurde ein Republikaner in den Senat nachgewählt und verhalf der Opposition zur sogenannten Sperrminorität, sie kann also alle Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren. Zweifelsohne wird sie das auch tun, und das verheißt nichts Gutes für den Fortgang von Obamas Reformpolitik. Die Welt ist seit heute um eine enttäuschte Hoffnung reicher.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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