Der Hund kommt!

Manchmal hat die große Politik Pause. Ganz bestimmt ist das so, wenn der Hund kommt.

847 Tage lebte kein Hund in unserem Haushalt. Das ist lang, bedenkt man, dass meine Liebste und ich 14 Jahre lang einen felligen Hausgenossen hatten. Es war der Führhund meiner Liebsten, eine golden-retriever-Dame namens Holly. Wir bekamen sie im Februar 1995, und sie hatte es sehr schwer. Eigentlich war sie als Führhund nicht geeignet, aber es gab damals kaum Qualitätskriterien für Führhunde. Am Anfang, das weiß ich noch, versteckte sie sich unter unserer Eckbank im Wohnzimmer, wenn außer uns beiden jemand anwesend war. An mich und meine Liebste allerdings gewöhnte sie sich sofort. Schon am ersten Abend nahm sie vorsichtig ein Schweineohr vom Beistelltisch, oder sie legte mir beim Pizza-Essen den Kopf aufs Knie. Das Dumme war nur, dass man ihr in der Hundeschule das Spielen abtrainiert hatte mit der völlig unglaublichen Begründung, blinde Menschen könnten nicht mit ihren Hunden spielen. Holly war anfangs eine ängstliche kleine Hundefrau, der meine Liebste mit einer heimischen Hundetrainerin eine kräftige Nachschulung verpasste. Die Hundeschule interessierte sich nicht dafür. Auf Kreuzungen blieb Holly plötzlich stehen, weil ein Regenschirm in der Nähe war, sie hatte Angst vor Straßenbahnen und ähnlichen Verkehrsmitteln.

Aber wenn sie eine Baustelle meistern sollte, war Holly ein echtes Ass. Was sie ausgerechnet an Baustellen so mochte, frage ich mich bis heute.

Auch mit dem echten Vertrauen dauerte es ein paar Wochen, Unsicherheit überwog am Anfang. Wir beide waren ja auch vorher keine Hundehalter gewesen, auch wenn wir ein paar Erfahrungen mit Hunden in unseren Familien hatten. Als unsere Hundedame im Sommer 1995 bei unserem Aufenthalt in den Niederlanden beim Baden im See plötzlich ins Wasser sprang und den Gummiring schnappte, den wir zu dritt einander zu warfen, und als sie diesen Ring meiner Liebsten brachte, wussten wir: Jetzt stimmts.

14 Jahre hat Holly bei uns gelebt, und wir haben viel mit ihr erlebt. Einmal war sie vergiftet, einmal hatte sie Katzenseuche. Plötzlich versagte im Alter ihr Gehör, dann auch ihre Augen, trotzdem schlug sie sich mit der Nase weiter durchs Leben. Noch anderthalb Wochen vor ihrem Tod im März 2009 hat sie einem Freund von uns ein Pizzastück aus der Hand gestohlen, der hatte aber auch den Fehler gemacht, es ihr praktisch hinzuhalten.

Es war schlimm, als meine Liebste die Entscheidung fällen musste, sie einzuschläfern, aber sie war alt, schwach und am Morgen gestürzt und stand nicht mehr auf. Zu entscheiden, dass ein einem anvertrautes Wesen nun sterben soll, ist eine schlimme Sache, und das sage ich, der die Entscheidung zwar mit trug, sie aber nicht selbst fällen musste.

Als alles vorbei war, haben wir geglaubt, dass wir nie wieder einen Hund wollten. Die letzten anderthalb Jahre, als der Hund krank war, geführt hatte sie schon eine Weile nicht mehr, konnten wir nicht mehr gemeinsam weggehen oder schon gar nicht verreisen, nicht mehr Zug fahren, und mussten oft genug aufwachen und hinhören, was der Hund tat. Das war anstrengend, und obwohl wir es gern getan haben, war da sogar eine Art Erleichterung. Doch ab Frühjahr 2010 kam der Wunsch nach einem Vierbeiner langsam in unser Leben zurück, erst mit Zweifeln, später mit immer größerer Klarheit, dass wir das doch wollen. Meine Liebste entschied sich am 3. September vergangenen Jahres, sich nun ernsthaft wieder um einen Hund zu bemühen. Am Ende wurde es ein Hund der Schweizerischen Führhundschule in Allschwil.

Morgen, am 5. Juli 2011, wird Boa, so der Name unserer neuen Hundedame, hier einziehen. Dann kommt Leben in die Bude. Natürlich ist sie ein ganz anderer Typ als Holly. Weil man in der Schweiz mit sehr viel Liebe und Witz, guten Ideen und sehr viel Sachverstand Blindenführhunde ausbildet, so dass sie ihre Arbeit mit Freude machen, kriegen wir nun ein aufgewecktes Wesen, das sich auf jeden Ausflug im Geschirr freut. Gleichzeitig spielt sie gern, zum Beispiel mit Mehrwegflaschen. Ich glaube, wir werden sehr viel Freude haben, und meine Liebste kriegt einen tollen Führhund. Natürlich sind wir aufgeregt und freuen uns auf Boa.

Das wollte ich nur mal schnell erzählen.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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5 Antworten zu Der Hund kommt!

  1. Sammelmappe sagt:

    Ich bin ja die große Angsthäsin, wenn es um Hunde geht und sehe meistens zu, dass ich einen Sicherheitsabstand halte. Trotzdem freue ich mich sehr mit euch beiden über Boa. Das wird bestimmt eine schöne Zeit, die ihr mit ihr haben werdet.

    Daher auch von mir: Herzlich Willkommen liebe Boa!

    P.S. Der neue Header im Blog ist sehr ansprechend.

  2. Tanja Höhmann sagt:

    na das hört sich doch super an! ich freu mich riesig für euch und wünsch euch mit der lieben boa ab morgen viel spass! ich freu mich auch schon drauf sie irgendwann kennenzulernen!

  3. Jens Bertrams sagt:

    Denk an Heelderpeel. Da ginge es. Ich hab da auch noch wen zum Kennenlernen!
    🙂

  4. Renate Frei sagt:

    gratuliere zum neuen hund.möget ihr viel freude mit ihm haben.lg

  5. Jens Bertrams sagt:

    Danke dir, Renate.

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