„Er ist wieder da!“

Gerade habe ich ein Buch gelesen. Es ist von Timur Vermes und heißt: „Er ist wieder da“. Es geht, und bitte lest trotzdem weiter, um Adolf Hitler.

 

Adolf Hitler wacht im August 2011 plötzlich auf einem leeren Grundstück in Berlin auf. Erst glaubt er, er erlebe nur eine kurzfristige Feuerpause mit, dann erkennt er anhand von Zeitungen, dass er 66 Jahre verloren hat. Stur und fanatisch wie er ist, macht er sich sofort daran, ganz von vorne anzufangen, um Deutschland wieder zum Führerstaat zu machen und selbst an die Macht zu gelangen. Und zwar schafft er es ins Fernsehen, weil alle ihn für einen außerordentlich guten Comedian halten. Und als Comedian darf man Dinge sagen, die politisch verboten sind und als Volksverhetzung gelten. Die Medienwelt schießt sich positiv auf Hitler ein, und unsere Nation erliegt dem bestechend echten Comedian.

 

Das ist jetzt bitte keine offizielle Zusammenfassung, nur eine ungefähre Inhaltsbeschreibung, damit ihr wisst, wovon ich rede.

 

Mit beeindruckender Detailgenauigkeit hat sich der Kabarettist Vermes in die Schreib- und Sprechweise Hitlers eingearbeitet und in seinem aus der Ich-Perspektive erzählten Buch exzellent eingesetzt. Während man am Anfang noch lacht über die Erklärungen, die sich Hitler über die Zustände der heutigen Welt zurechtlegt, bleibt einem das Lachen mehr und mehr im Halse stecken. Ich habe mich immer gefragt, wie ein polternder Redner mit sich überschlagender Stimme und Hetzparolen so viele Menschen begeistern konnte. In diesem Buch lerne ich es, denn es ist so einfach. Es geht nur, wenn der Protagonist tatsächlich an seine Mission glaubt, wenn er tatsächlich glaubt, das Beste für sein Volk zu wollen, und wenn er dessen Nöte klar erkennt, benennt und Lösungen aufzeigt. Radikale Lösungen vielleicht, aber Lösungen, die gut tun, weil sie durchgreifend sind. Im Buch kommt noch die Ebene hinzu, dass man den scheinbaren Comedian nicht ernst nimmt, ja dass er sogar in die Rolle eines Verteidigers von Pluralismus und eines Gegners rechter Gewalt schlüpfen kann, ohne mehr dafür zu tun, als sich von rechten Schlägern zusammenschlagen zu lassen, weil er die NPD für einen verweichlichten Haufen hält und das öffentlich sagt. Weil seine Geradlinige NSDAP-Propaganda heutzutage ja nur Kunst sein kann, wird sie teilweise als das Gegenteil dessen interpretiert, was Hitler sagt, und er gewinnt immer mehr Anhänger.

 

Ich kenne das aus Holland: Da gibt es Leute, die wählen den Rechtspopulisten Geert Wilders, weil der gegen Europa ist. Sie haben vielleicht vor 10 Jahren Pim Fortuyn gewählt, oder doch seine Partei, weil er Probleme ansprach, über die niemand anders redete, wenn er dies auch in provokant direkter und radikaler Weise tat. Darüber hörte aber so mancher hinweg. Ich kann noch gar nicht alles fassen, was dieses Buch für mich gezeigt hat, und ich werde es bestimmt ein zweites mal hören müssen. Sicher ist aber, dass ich nach dieser Lektüre die Anziehungskraft und die Wirkung der Propaganda der Nazis besser verstehe als früher, wo ich in der Schule lernte, dass die NSDAP Angst und Ressentiments in der Krise schürte, und dass Hitler ein Blender war.

 

Ich habe „Er ist wieder da“ als Hörbuch genossen, es wird in gekürzter Form von Christoph Maria Herbst gelesen. Und der ist ein hervorragender Leser. Er imitiert leicht Hitlers Stimme, vor allem aber eine Redeweise mit Pausen und Betonungen und Gefühlslagen, die wirklich fesselnd ist. Kann man mit Hitler lachen? Ja, man kann, auch wenn man nie vergisst, mit wem man da lacht. Ich kann dieses Buch nur empfehlen.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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