Kleinigkeiten eines Monats

Einen Monat habe ich nichts mehr in dieses Blog geschrieben, dabei hätte es einiges gegeben, worüber man hätte schreiben können.

 

Da wäre der Schrecken, der mich erfasste, als einer meiner besten Freunde nach einem epileptischen Anfall in der Wohnung stürzte und sich einen Wirbel brach. Gott sei dank wird er wiederhergestellt werden, er hatte Glück im Unglück. Trotzdem zeigt das mal wieder deutlich, wie schnell einem was passieren kann. Meine Liebste und ich waren noch in unserem Fieber gefangen, trotzdem musste einiges organisiert werden, um unserem Freund zu helfen. Ich habe mich zum Beispiel gefragt, was aus mir wird, wenn ich einmal älter werde, ohne Familienanschluss, denn meine Familie ist entweder tot oder will nichts mehr von mir wissen, und was, wenn mir dann etwas passiert. Ich habe mir mal wieder ausgemalt, wie es wäre, beim heutigen Zustand unserer Sozial- und Pflegesysteme als Hartz-IV-Empfänger ins Krankenhaus oder später gar ins Altersheim zu müssen. Es gehört zu den Ängsten, die ich so mit mir herumschleppe. Behindert, alt oder Krank und ohne Familie, das ist für viele Menschen heute wohl der absolute Horror.

 

Eine weitere Kleinigkeit des letzten Monats ist, dass ich eine Kreativitätsblockade hatte oder teilweise noch habe. Vielleicht ist meine Grippe schuld, vielleicht aber auch nicht. Ich kenne das, es kommt ab und an über mich, dann kann ich stundenlang in meiner Freizeit hier sitzen und nichts tun, während mir die Arbeit für den Sender schwer von der Hand geht. Ich sehne mich nach Holland, möchte viele Wochen lang dorthin fahren und einfach nichts tun müssen. Irgendwann gibt es dann wieder etwas, was mich fesselt und anstachelt. Eine Frühlingsmüdigkeit ist es sicher nicht, dafür fehlt eine entscheidende Voraussetzung: Der Frühling.

 

Und dann ist da die Sache mit dem Papst. Der Rücktritt von Benedikt und das Konklave haben mich natürlich sehr interessiert. Auch wie die Medien es dargestellt haben, wie sich plötzlich ein Hype entwickelte. So manches mal habe ich nur den Kopf geschüttelt. Zum Beispiel wenn es plötzlich ungeheuer wichtig wurde, ob der nächste Papst endlich wieder ein Italiener sei oder nicht, ob es einer werden würde, der deutsche Wurzeln hat oder nicht. Wie wir sehen ist die Herkunft des Papstes nicht unwichtig, aber nicht wegen des Nationalstolzes, sondern wegen seiner Lebenserfahrung und seines Programms.

 

Ich bin als lutheranische, in Wahrheit konfessionslose Karteileiche in einer katholischen Schule aufgewachsen. Als Johannes Paul II. 1980 nach Deutschland kam, habe ich mir kurz darauf das Buch mit seinen Reden schenken lassen. Nicht, weil ich ein Anhänger des Papstes war, sondern weil ich es für eine historische Sache hielt. Mit der Zeit aber sah ich den Papst immer mehr als einen mächtigen, stock konservativen Menschen an, der einfach zu viel zu sagen hatte, der aber mit seinen Ansichten im Mittelalter zurückgeblieben war. Aber diese Papstwahl vor wenigen Tagen hat mich elektrisiert, gerade auch weil ich ein Nichtgläubiger bin. Obwohl ich weiß, dass Franziskus natürlich in vielen Punkten konservativ ist, was anderes ist bei dieser Kirche ja gar nicht möglich, hoffe ich doch auf ihn, entgegen aller Vernunft. Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Mann etwas bewegen kann, und das betrifft auch mich. Denn ob man die Kirche nun mag oder nicht, sie kann immer noch viel Einfluss auf die Gesellschaft nehmen. Wenn der Papst sich mit all seiner Macht hinter die Schwachen stellt, egal wo sie leben, ist das ein wichtiges Zeichen und kann nicht übersehen werden. Ein bisschen träume ich, wie in meiner Jugend, von besseren Zeiten. Es wird immer viele Dinge geben, in denen ich nie mit dem Papst übereinstimmen werde, aber das muss ich auch nicht. Vielleicht bin ich naiv, vielleicht will ich für einen Moment die abartigen Machterhaltungen, die Menschenrechtsverletzungen, die Inquisitionen und Hexenverbrennungen dieser Kirche nicht sehen, sondern nur das, was sie mit einem entschlossenen Papst an ihrer Spitze bewirken könnte, wenn sie wollte.

 

Ich erinnere mich an einen Film, in dem ein Osteuropäer zum Papst gewählt wurde, der dann verlangte, dass die Kirche ihren Reichtum zugunsten der Armen aufgab. Wie viel Widerstand gab es da bei den Kirchenoberen, aber, Hollywood machte es möglich, der Papst setzte sich schließlich durch. In einer Kurzgeschichte von Patricia Highsmith versuchte ebenfalls ein Papst so etwas und wurde dafür ermordet. Aber dieser Papst mit dem bescheidenen und humorvollen Auftreten, mit seiner südamerikanischen Lebensgeschichte, der könnte etwas bewirken. Natürlich nicht in allen Punkten, aber vielleicht doch, was die soziale Schere betrifft, zumindest die zwischen den Weltregionen. Es wird immer etwas an jedem Papst auszusetzen geben, und leider sind es allzumeist linke Dogmatiker, die jeden auf seine Menschenrechtskonformität prüfen, bis auf linke Führer, die sie entschuldigen und als Helden verehren. Ich bin selbst links im Geiste, aber ich muss dafür nicht die Verehrung für Verbrecher und die Verachtung für Leute mitkaufen, die nicht ganz eindeutig sind in ihren Lebenswegen. Wenn Papst Franziskus etwas Positives für die sozial Schwachen in seinem Amt bewirkt, dann bin ich gerne bereit, ihm das gegen seine mögliche Kollaboration mit der argentinischen Militärjunta aufzurechnen, die er im übrigen auch deshalb unterstützt haben könnte, um wenigstens ein wenig Einfluss auf die Entwicklung zu behalten. Wer bin ich, dass ich über diesen Papst richte? Ich hoffe lieber, dass er Gutes bewirken wird in seinem Amt.

 

Worüber soll ich noch plaudern? Sex, Monarchie, Musik, Software, das Wetter, das Essen oder das schlechte Fernsehprogramm? Ich glaube, ich belasse es mal hierbei.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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Eine Antwort zu Kleinigkeiten eines Monats

  1. Thorn sagt:

    „Worueber soll ich noch plaudern…“
    Zypern und die Bank-Runner ist gerade angesagt.

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