Weihnachtsgeschichte mit Computern oder: die ohrfunklose, die schreckliche Zeit

Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Chef von Ohrfunk ausging, dass das Weihnachtsprogramm gestaltet werde, zur Ehre des Senders und den Hörern allen ein Wohlgefallen. Da machte sich auch auf Jens aus dem Marburger Lande zu dem heiligen Computer, darum dass er von dem Sender Ohrfunk war, auf dass er gestalten möge, gemeinsam mit seiner Klapperkiste, welche war altersschwach. Und als sie da selbst begannen zu gestalten, kam die Zeit, dass sie sterben musste. Und so begann sie, die ohrfunklose, die schreckliche Zeit.

Der Dezember ist so ein Monat. Normalerweise findet am dritten Advent das Jahresfest meines Freundeskreises statt, diesmal haben wir es auf den vierten Advent verlegt. Außerdem ist es immer die Zeit des
Weihnachtsprogramms. In diesem Jahr waren aus Biancas und meinem Studio 14 Sendestunden zwischen dem 24. und dem 31. Dezember vorgesehen. Das war ziemlich viel, also fingen wir so früh wie möglich an. Aber die ganze Vorbereitung stand schon unter keinem guten Stern. Am Morgen des 12. Dezember stellte ich fest, dass mein Computer zu keiner Aktion mehr zu bewegen war. Er ließ sich hochfahren, alle Programme liefen, aber die gesamte CPU war ausgelastet. Verantwortlich dafür war ein Prozess, der sich SVCHost.exe nennt. Ich konnte keine Sendung produzieren, nur mit Mühe Mails abrufen und keine Musik abspielen. Keine gute Voraussetzung für eine produktive Zeit. Mein Virenprogramm sprach nicht an, aber trotzdem hatte ich die Befürchtung, es könne sich um einen Virus handeln. Also bat ich einen guten Freund, die Festplatte aus meinem 12 Jahre alten Windows-XP-Rechner auszubauen, sie bei sich einzusetzen und extern auf Viren zu überprüfen. Ein Produktionstag ging verloren.

Die Festplatte kam ohne Virenbefund zurück, aber dafür wurde mir mitgeteilt, dass es ziemlich viele Lesefehler gebe, und dass sogenannte schwebende Sektoren existierten, also Plattenbereiche, die kaputt zu gehen drohten. Das Problem mit der SVCHost.exe war aber nicht verschwunden. Ein weiterer Produktionstag ging verloren.

Am 14. Dezember recherchierte ich im Internet nach dem Problem der SVCHost.exe und kam zu erstaunlichen Ergebnissen. Manchmal trete dieser Fehler völlig unmotiviert bei XP-Rechnern auf, hieß es da, und es liege an den automatischen Windows-Updates. Wenn man die abschalte, so wurde geraten, funktioniere alles wieder normal. – Gesagt, getan, und siehe da: Der Rechner lief wieder. Allerdings blieb das Problem der altersschwachen Festplatte, das schnell gelöst werden musste. Also verbrachte ich den Tag damit, einige wichtige Daten zu retten, Ausschau nach einer kompatiblen, gebrauchten Festplatte zu halten und die Sendungen zu produzieren, die regulär noch vor dem Weihnachtsprogramm anstanden. Außerdem gab es da Vorbereitungen für unser Jahresfest zu treffen, eine Hitparade auszurechnen und Musik zusammenzustellen. Das Weihnachtsprogramm verschob ich zuversichtlich auf den Tag nach der Ankunft meiner neuen Festplatte.

Am 17. und 18. Dezember war ich ohne Computer. Für mich, der ständig mit ihm arbeitet, den größten Teil seiner Kommunikation über das Gerät abwickelt und ihn sozusagen beruflich mehr als alles andere nutzt, war das ziemlich heftig, gab mir aber auch die Gelegenheit, mit meiner Liebsten Advent zu feiern. Währenddessen Clonte mein Freund die alte 60-GB-Festplatte auf eine große 250-GB-Platte. Wir befürchteten, wir müssten Windows neu aktivieren, wenn die neue Platte mit den alten Daten in meinen Rechner eingebaut sei, aber dem war erstaunlicherweise nicht so. Windows XP ließ sich ohne Probleme hochfahren. Die Schwierigkeiten begannen erst, als ich mein Office nutzen wollte, also Mails lesen, und als es um die Audioprogramme ging. Immer hieß es, ich müsste das Produkt erneut aktivieren, da sich die Hardware verändert habe. Die Produkt-Reaktivierung bei meinem alten Office XP dauerte lange, über zwei Stunden kam die Serververbindung nicht zustande, aber letztlich war es kein Problem. Das vom Ohrfunk lizenzierte Sendeprogramm musste zwar erneut aktiviert werden, aber seine Einstellungen gingen mir nicht verloren, und auch das war schnell erledigt. Aber mein Audiobearbeitungsprogramm war uralt, die Registrierungsdaten hatte ich nicht mehr, und weil mein Rechner kein funktionierendes CD-Laufwerk mehr hatte, konnte ich auch nicht alte CD’s durchsehen. Also biss ich in den sauren Apfel und sorgte für ein neues Audiobearbeitungsprogramm, das ich einrichten und an meine Bedürfnisse anpassen musste. Damit verging der 19. Dezember. Immerhin schaffte ich es, für den 21. die reguläre Hörspielsendung zu produzieren. Und zusammen mit einem Freund nahmen wir für den Ohrfunk-Jahresrückblick die Wortbeiträge mit einem MP3-Diktiergerät auf.

Und ich bekam ein Paket. Ein Ohrfunkkollege schickte mir einen ausgemusterten XP-Rechner als Überbrückung, der allerdings viel neuer ist als mein alter Computer. Doch ich konnte mich noch nicht um dieses Gerät kümmern, erst einmal stand vom 20. bis 22. Dezember unser Jahresfest an. Dass wir während der Zeit, in der wir kaum in unserer Wohnung waren, noch ein Kräftiges Wassertropfen von der Heizung her hatten, habe ich in einem anderen Artikel ja erzählt.

Endlich: Müde begann ich am Morgen des 23. Dezember mit der Produktion des Weihnachtsprogramms. Zuerst musste die vierstündige Bescherungssendung für den heiligen Abend zusammengestellt und aufgenommen werden. Dazu musste meine Liebste noch zwei längere Geschichten lesen, die ich dann schneiden und bearbeiten musste. Aus dem Weihnachtsoratorium von J. S. Bach schnitt ich die gesungene Weihnachtsgeschichte heraus, die man dort in mehreren Teilen findet, und setzte sie als einen musikalischen Höhepunkt der Sendung zusammen. Das alles mit dem neuen Audiobearbeitungsprogramm, das ein paar Macken hat, vor allem beim Überblenden von Sprache über Musik, dem sogenannten Voice Over. Der heilige Abend brach gerade an, als die Sendung fertig war.

Und den Morgen dieses heiligen Abends, immerhin ist ja erst der Abend heilig, verbrachten wir damit, die beiden Hörspielsendungen für die beiden Weihnachtstage zu produzieren, auch wieder insgesamt vier Stunden. Erst am Nachmittag, wie in der übrigen Geschäftswelt auch, schloss mein Studio, und wir feierten den heiligen Abend bei Grünkohl, Kerzenschein und Weihnachtsmusik.

Und wo bleibt jetzt die schreckliche, die ohrfunklose Zeit, werdet ihr euch vielleicht fragen? – Nun: Die kommt jetzt. – Denn am Nachmittag des 25. Dezember begannen alle Programme, die ich aufrief, abzustürzen, und schon wenige Minuten nach dem Hochfahren stürzte auch der Rechner als ganzes wieder ab. Vermutlich, so dachte ich, lag es an der gebrauchten Platte, die wohl doch nicht so gut war, wie ich gedacht hatte. Aber ich hätte es besser wissen müssen. Mein Freund kam und steckte die alte Platte wieder an, mit der ich nur noch ein paar Tage über die Runden kommen wollte, aber es nutzte nichts. Die Abstürze setzten sich fort, ein Arbeiten war absolut unmöglich, kein Programm ließ sich mehr aufrufen. Vielleicht, so vermuteten wir, lag es an einem defekten Arbeitsspeichermodul. Das zu ersetzen lohnte sich nicht mehr.

Also packte ich am zweiten Weihnachtstage meinen neuen Rechner aus, der auch schon ein gebrauchter Rechner ist, und seither schaufele ich nach und nach die benötigte Software auf das Gerät. Programme wie die Dropbox, der Browser, die Sprachausgabe und das Mailprogramm sind bereits da, aber mit der Audiobearbeitung hapert es wieder. Vermutlich werde ich mir eine neue Soundkarte, ein neues Mikrofonkabel und einen zusätzlichen Adapter kaufen müssen. Dann gilt es, Sende- und Soundbearbeitungsprogramm erneut zu installieren, diesmal aber ohne die alten Einstellungen, die unwiderruflich verloren sind. Das Sendeprogramm mit seinen Limitern und Filtern korrekt zu installieren ist eine Kunst für sich, und ganz ähnlich ist es mit dem Schneide- und Soundbearbeitungstool, wenn erst einmal der Sound überhaupt wieder vernünftig funktioniert.

Den Jahresrückblick des Ohrfunks haben wir in Schnipseln unserem Chef zur Verfügung gestellt, der daraus die von uns beabsichtigte Sendung produziert hat. Auch die regelmäßige Hörspielsendung vom 28. Dezember hat er für uns hergestellt. Die sonntägliche Candlelight-Sendung wird aus dem Archiv kommen, aber an der Silvesterparty des Ohrfunks werden wir nicht teilnehmen können. Und vermutlich wird es 2 Wochen dauern, bis bei mir wieder alles läuft.

Zwar ist diese Zeit schrecklich, vor allem deshalb, weil es den wenigen anderen Kollegen Arbeit macht, und auch ist sie arbeitsam, weil ich so schnell wie möglich wieder in der Lage sein will, Arbeit zu übernehmen, aber es ist auch eine spannende Zeit. Wie viele von meinen alten Software-Lizenzen kann ich reaktivieren? Oder anders gefragt: Wieviel Software muss ich neu kaufen? – Und ehrlich gesagt: Mit ein paar Tagen ohne Ohrfunk kann ich auch mal leben.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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