Anschlag auf die Rundfunkfreiheit – Der Fall Brender

Weiland wollte der alte… (für alle Nachgeborenen: So nannte man den ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Konrad Adenauer (CDU)) … Weiland wollte der Alte also eine Deutschland Fernsehen GmbH gründen. Sie sollte eine hundertprozentige Tochterunternehmung des Bundes sein, und ihre Posten sollten folgerichtig auch von der Bundesregierung besetzt werden. Nix da, sagte da das Bundesverfassungsgericht, der Rundfunk in Deutschland muss staatsfern und frei von politischer Einflussnahme bleiben. Na gut, denkt sich der politische Urenkel Adenauers, Roland Koch heißt er und ist derzeit Ministerpräsident in Hessen, dann eben anders. Und so entstand die Kontroverse um den ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender.

Es ist pikant, dass das ZDF anstelle jener von Adenauer gewünschten Deutschland Fernsehen GmbH entstand, per Staatsvertrag der Länder nämlich. Die ARD bestand und besteht aus 9 selbstständigen Rundfunkanstalten, die ein gemeinsam bestücktes Fernsehprogramm organisieren. Das ZDF hingegen kennt keine Länderanstalten. Wer hier den meisten Einfluss hat, der hat ihn auf eine bundesweit tätige Medienorganisation mit großer Wirkung. Und das genau ist es, was Roland Koch will.

Nikolaus Brender ist ein Journalist mit viel Erfahrung, früher Auslandschef des WDR für Südamerika, Moderator des Weltspiegels, aber auch kurzfristig bei der „Zeit“ beschäftigt. Brender ist sicher ein unbequemer Journalist, aber seit 2000 ist er Chefredakteur des ZDF, und er hat in diesem Job schon einiges geleistet. Vor allem hat er sich eben dadurch Respekt erworben, dass er sich jeder parteipolitischen Einflussnahme immer strikt widersetzt hat. Als sich 2002 Edmund Stoiber beschwerte, seine Wahlniederlage sei unter Anderem auf einseitige Berichterstattung des ZDF zurückzuführen gewesen, verwahrte sich Brender deutlich gegen diese Kritik. 2005, bei der Elefantenrunde nach der vorgezogenen Bundestagswahl, wehrte er sich als Mitmoderator gegen Schröders unverschämte Journalistenschelte und musste den damals noch amtierenden Bundeskanzler in seine Schranken weisen. Außerdem wird von ihm immer gesagt, er nehme Beschwerden von Parteien immer nur schriftlich entgegen, um sie besser dokumentieren zu können. Selbst gehört Nikolaus Brender keiner Partei an.

Dieser Journalist alter Schule, dem jedenfalls die Unabhängigkeit des Journalismus extrem wichtig ist, muss nun seinen Sessel beim ZDF räumen. Schuld ist die Mehrheit der Unionsmitglieder im Verwaltungsrat des Senders, der in der hauptsache nach parteipolitischem Proporz besetzt ist. Dort erhielt die Vertragsverlängerung, die die Intendanz angestrebt hatte, keine Mehrheit. Im Grunde war dies seit mehr als einem halben Jahr klar. Der hessische Ministerpräsident Koch behauptet zwar, es gebe sachliche Gründe für diese Entscheidung, er kann sie aber kaum stichhaltig erklären. Die Angeblichen Verluste bei der Zuschauerquote lassen sich kaum belegen. Außerdem hat Koch durchaus verlauten lassen, dass die CDU in den letzten Jahren Wahlen gewonnen habe und dass dies auch in der Medienlandschaft Folgen haben müsse. Er wolle einen Journalisten, so Koch, mit dem man reden könne. Und das ist der eigentliche Skandal: Bislang haben sich Journalisten durch ihre Unparteilichkeit für einen Posten qualifiziert. Unparteiliche Medienvertreter galten als hervorragende Kompromisskandidaten. Jetzt ist es erstmals genau umgekehrt: Die CDU will einen Journalisten an der Spitze des ZDF, der das richtige Parteibuch hat, oder mit dem man zumindest über die Wünsche der Union reden kann. Gegen eine solche parteipolitische Einflussnahme hat sich Brender immer gesträubt, und deshalb muss er nun gehen.

Dieses Vorgehen der Unionsmitglieder im ZDF-Verwaltungsrat hat seit der Ankündigung vor einem halben Jahr massive Kritik hervorgerufen. Nicht nur fast sämtliche Mitarbeiter des ZDF stellten sich hinter Brender, was übrigens von der CDU als Solidarisierungsdruck abgetan wurde, sondern auch fast die gesamte Medienwelt Deutschlands, bis hin zu durchaus konservativen Zeitungen wie FAZ und Die Welt. 35 renomierte Staatsrechtler bezeichneten den Vorgang als einen unerhörten Anschlag auf die Staatsferne des Rundfunks und die Rundfunkfreiheit. Das hat es noch nie gegeben. Doch von all dem ließ sich die CDU-Mehrheit im ZDF-Verwaltungsrat nicht beirren.

Irgendetwas ist faul in unserer Medienlandschaft, wenn die Politik so einfach Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nehmen kann, um willfährige Berichterstattung zu erreichen. Unbequeme Journalisten, die den Auftrag des Rundfunks noch ernst nehmen, werden beiseite gedrängt, und die Landespolitiker einer Partei, die sich schon so oft wie eine deutsche Staatspartei gebärdet hat, bedienen sich aus dem Angebot der Rundfunksender, bestimmen, was ihnen passt, was gesendet wird und welche Fragen nicht gestellt werden dürfen. Es geht in diesem Poker in keiner Weise mehr um Demokratie, es geht um Macht. Das Schlimme ist, dass öffentlicher Protest keinerlei Wirkung mehr hat. Die Regierenden tun dies als eine Art Zwangssolidarisierung ab, weil sie es einfach nicht sehen wollen. Bislang musste man wenigstens noch auf anstehende Wahlen Rücksicht nehmen, aber mit so komfortablen Mehrheiten für die Union und die FDP ist alles Andere ein Kinderspiel. Wozu brauchen wir eine freie Presse? Die Union weiß schon, was für die Bürger das Beste ist. Silvio Berlusconi hat es ihnen vorgemacht, Roland Koch macht es ihm nach. Bislang konnte man in solchen Fällen immer noch sagen, dass ein öffentlicher Protest mit einem langen Atem hilfreich sein könnte. Jetzt hilft nur noch das Bundesverfassungsgericht. Aber die einfachen Bürger sind in diesem Falle gar nicht berechtigt, ein Verfahren anzustrengen. Es geht um die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit der entsprechenden passagen im ZDF-Staatsvertrag. Und das kann man nur über eine Normenkontrollklage regeln. Es müssten sich also eine Regierung oder eine Fraktion des Bundestages zur Klage bereit finden, und wer wird das schon tun? Die Zeiten könnten sich ja auch mal wieder ändern, und vielleicht könnte man dann selbst Einfluss nehmen…

Warum hat eine Landesregierung, die zugeben kann, Gutachten zur Verfassungsmäßigkeit von Studiengebühren quasi gefälscht zu haben, immer noch so viel Macht, die Medienfreiheit in Deutschland über die Hintertür einschränken zu können? Nikolaus Brender ist dafür im Augenblick ein tragisches Beispiel. Ganz gleich, ob man mit seinen Ansichten übereinstimmt oder nicht, er ist ein überparteilicher Journalist, und genau diese Eigenschaft ist der Grund, warum er entlassen wird. Wenn das Schule macht, dann spielt Qualifikation bald keine Rolle mehr im deutschen Journalismus, oder nur noch eine untergeordnete. Das Parteibuch ist dann wirklich wichtig. Warum nur erinnert mich diese Praxis an Staaten wie die DDR oder das deutsche Reich vor 1945?

© 2009, Jens Bertrams

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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2 Antworten zu Anschlag auf die Rundfunkfreiheit – Der Fall Brender

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  2. Rose sagt:

    …gegen Bekannte, Kollegen und andere verteidige ich mich dahingehend, dass ich lieber Gebühren für Rundfunk und Fernsehen zahle – in der Hoffnung, dass an Nachrichten doch etwas mehr rüberkommt, als bei den Privaten. Und dann so etwas. Wir bezahlen und Roland Koch benimmt sich so, als gehöre ihm der Sender. Mit welchem Recht?

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