Ende der Ära Berlusconi?

In Europa hat das große Regierungssterben begonnen. Während Rating-Agenturen die französischen Banken aufgrund eines Computerfehlers falsch einstufen und sich dafür entschuldigen, fallen so nach und nach die Regierungen Sloweniens, Griechenlands und Italiens. Alles wegen der Euro-Krise, alles wegen der immensen Schuldenberge.

Am Samstag Abend wurde aus dem dritten Abgang des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ein Medienereignis. Während im Präsidentenpalast der scheidende Premier sein Rücktrittsgesuch übergab, feierten draußen die Römer, als hätten sie im Frühmittelalter einen despotischen Papst verjagt. Jubelnd und hupend ging es durch die Stadt. Aber Papa Silvio zeigte sich unverdrossen. Er werde an seiner Wiederkehr arbeiten, sagte er im Fernsehen zum Abschied, denn Italien habe eine geschichtliche Wende vollzogen, als man ihn zum Ministerpräsidenten gewählt habe. Bescheiden war der Bunga-Bunga-König noch nie. „Instead of government we had a stage, instead of ideals a primadonnas rage“, möchte man den Italienern mit Ernesto Che Guevara im Musical „Evita“ zurufen, aber sie würden es nicht verstehen. Drei mal haben sie Silvio Berlusconi gewählt. In den letzten 15 Jahren hat er Italien maßgeblich geprägt. Dreimal hat er das Amt auch wieder verlassen, und viele Menschen haben gejubelt, nur um ihn kurze Zeit später erneut ins Amt zu wählen.

Deshalb verstehe ich den Jubel der Römer nicht. Sie jubeln über den Abgang eines Mannes, den sie selbst gewählt haben, wieder und wieder. Und sie jubeln, nachdem er ihnen die schwersten Lasten aufgebürdet hat, die sie je erlebt haben. Die Quittung werden sie in wenigen Wochen und Monaten schon durch Streiks und Demonstrationen dem Nachfolger präsentieren, dem Technokraten Mario Monti. Der soll nämlich als Wunderheiler Italien aus der Krise führen. Als ob das so einfach wäre. Auf ihm lastet die Verantwortung, und auf ihm lasten die Erwartungen des Volkes, das nichts von seinem Wohlstand preisgeben will, obwohl viele Italiener gar keinen Wohlstand besitzen. Wenn Monti ihnen auf Druck der Europäer nun Silvios Abschiedsgeschenk der Einsparungen und Sozialkürzungen als bittere Pille verordnet, werden sie ihn, Monti, zur Verantwortung ziehen. Und vier mal dürfen Sie raten, wen die Italiener dann ins Amt wählen werden?

Keiner versteht, warum die Regierungen im Augenblick reihenweise zurücktreten. Mit einem Regierungswechsel aber wird an der sogenannten Krisensituation gar nichts geändert. Warum sind die Staaten so verschuldet? Warum stürzen die Volkswirtschaften ab, obwohl die Auftragsbücher voll sind und die großen Konzerne hohe Gewinne einfahren? Warum spricht man von einer so großen Krise? Selbst führende Wirtschaftswissenschaftler raten inzwischen dringend zu einer Umverteilung von oben nach unten, weil das ganze System sonst zusammenbricht. Würde man Spekulationen im Nanosekundentakt an der Börse verbieten, Spekulationen, die mit dem tatsächlichen Wert von Aktien der Unternehmen nichts zu tun haben, würden die unproduktiven Börsenspekulanten auch nicht dauernd Milliarden aus den Volkswirtschaften ziehen und als Gewinne einstreichen. Und die Staaten müssten nicht aufgrund fehlgeschlagener Spekulationen 500 Milliarden ausgeben, um die Banken zu retten, die uns das alles eingebrockt haben. Ein Grund für die hohen Staatsschulden sind die Banken, denen das Geld immer weiter in den Rachen geschoben wird, während die Kernaufgaben der Staaten vernachlässigt werden. Und die daraus entstehenden Schulden muss sich der Staat dann auch noch von denselben Banken mit horrenden Zinsen versalzen lassen.

Das habe ich schon oft gesagt. Aber man kann es auch nicht oft genug sagen. Dass Silvio Berlusconi jetzt zurückgetreten ist, finde ich in ordnung, aber es ist töricht, einem Mann wie Mario Monti zuzutrauen, sozusagen im Alleingang die italienischen Schulden zu beseitigen, ohne dass das Volk etwas davon merkt. Und weil es etwas davon merken wird, ist die Chance auf eine Rückkehr Berlusconis gar nicht so klein, obwohl alle Medien vom Ende einer Ära sprechen, vermutlich zum dritten mal.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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