Die gestrige Elefantenrunde

Gesternabend in der ARD und Phoenix gab es die „Elefantenrunde“ mit den Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien. Und es war besser als das Kanzlerduell vor einer Woche.

Als Angela Merkel und Gerhard Schröder vor über einer Woche aufeinandertrafen, stritten sich vier Moderatorinnen und Moderatoren um die Gunst der zwei Gäste. Gestern war es erfreulicherweise umgekehrt, es gab sechs Gäste und nur zwei Moderatoren. Man konnte sich trotz der Polemik und trotz der inzwischen weit verbreiteten Unart, dass Politiker nicht auf die Fragen der Journalisten eingehen, ein Bild von den Spitzenkandidaten machen. Im Grunde unterhielten sie sich miteinander, tauschten Wahlkampfphrasen aus und benutzten die Fragen der Journalisten als angenehme Unterbrechung ihres Redeflusses. Stoiber und Fischer waren cool, Fischer mit seiner bekannten humoristischen Zusatzfunktion, aber guten, spitzen Argumenten. Westerwelle und Gysi fand ich überheblich, obwohl manches, was Gysi sagte, nachdenkenswert war, und Schröder und Merkel versuchten es mit staatsmännischem Gehabe, wie schon vor einer Woche. Es gelang mäßig, zumindest was Frau Merkel betraf, die übrigens im Ausweichen der Fragen die unangefochtene Meisterin war.

Ich vermisse die Elefantenrunden früherer Jahre, wie damals in den achtzigern. Vier oder sechs, manchmal sogar acht Politiker um einen Tisch in einem Studio, ohne großes Publikum, mit zwei Journalisten, die Fragen stellen, und die Politiker antworten. Dann wirft ein anderer was ein, und sie antworten sich gegenseitig. Aber es ging damals konzentriert um Sachthemen, und die Fragen wurden tatsächlich beantwortet. Die Wahlkampfmanager hämmerten den Politikern nicht ein: „Egal was die fragen, sag auf jeden fall folgendes…“ – Sondern sie brachten den Kandidaten bei, zuzuhören und wirklich nicht nur stereotyp zu antworten. Damals konnte man sich wirklich noch ein Bild der Lage machen. Klar: Sie haben auch schon mit Statistiken und Zahlen um sich geworfen, heute mit Namen und stereotypen Sätzen, ohne aufeinander einzugehen. Und die Journalisten verkauften es als Erfolg. Sicher: Im Vergleich zum Zweierduell war es das auch, obwohl … – Dann kann man auch so ein zweierduell gucken, da kann man länger und intensiver bei einem Thema verbleiben. Mir fiel nur auf, dass Schröder und Merkel die Argumente weiterhin ausgetauscht haben, die sie schon vor etwas mehr als einer Woche hatten.

Die spannende Frage bleibt: Was passiert, wenn es keine schwarz-gelbe Mehrheit gibt? Und: ist dann nach der Wahl vor der Wahl?

Copyright © 2005, Jens Bertrams.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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6 Antworten zu Die gestrige Elefantenrunde

  1. Jochen sagt:

    Ja, was passiert nach der Wahl. Was mich beunruhigt, bzw. tierisch aufregt, ist dass Alle – natürlich aus wahltaktischen Gründen, das will ich ja gar nicht absprechen – mit utopischen, da demoskopisch nicht haltbaren, Koalitionsaussagen (Rot-Grün/Schwarz-Gelb) ins Rennen gehen und damit schon im Vorfeld das Wahlvolk über die spätere Koalitionsbildung belügen. Was sollen sie denn nach der Wahl machen? Zu ihrem Wort stehen und noch einmal Neuwahlen ausrufen? Wohl kaum! Es wird dann eine große oder eine Ampelkoalition geben und schwupps, haben sie schon wieder ihr Wort gebrochen.

    Strange World!

  2. Das Nest sagt:

    Also mir hat Fischer echt am besten gefallen! Das bestätigt nur meinen Wahlentschluß. Waren die Elefantenrunden früher wirklich besser oder fällt das in die Kategorie: Früher war alles besser? Jedenfalls kann man im „Interview der Woche“ im Deutschlandfunk gelegentlich auch noch zu was inhaltlichem kommen. Nur mal so als Tipp!

  3. @Jochen: Natürlich belügen sie uns, was die Koalitionsaussagen angeht. Aber das gehört zum Wahlkampf. Das ist wohl weniger ein bewusstes Lügen, als vielmehr der Versuch, Selbstsicherheit auszustrahlen.

    @Nest: Es fällt nicht in die Kategorie „Früher war alles besser“. Ich sagte, dass die „Elefantenrunden“, also die Gespräche der Spitzenkandidaten, der Partei- und Fraktionsvorsitzenden früher besser waren. Man ist aufeinander und auf die Fragen der Journalisten eingegangen, es wurde mehr diskutiert, und es war kein Publikum im Studio, was noch zusätzlich ablenkte. Die Journalisten, vor allem Ernst-Dieter Lug, waren kompetente Gesprächspartner und gingen auch inhaltlich in die Tiefe.

    Dass man im Interview der Woche im Deutschlandfunk tolle Sachen hören kann, habe ich nie bestritten. Aber das ist keine Elefantenrunde, sondern ein Einzelgespräch.

  4. Maggi sagt:

    War Gysi überhaupt dabei? Ich hab ihn nicht gesehen.
    Und ausserdem: jedes Problem ist eine neue Chance, wenn man sie als solche sieht und verwendet.

  5. Andre sagt:

    so etwas überhebliches und unverfrorenes wie Hr. Schröder abgeliefert hathabe ich bishernoch nicht erlebt. Waren Drogen im Spiel, Alkohol, Testosteronüberschuss,…??? Wer weiss….

  6. Olli5 sagt:

    Brunello-Görhard hat zugeschlagen!

    Wie machtbesoffen sind der und sein Fraktionschef Münte?
    Hatte Freund Görhard vor der Sendung im Siegesrausch etwa zuviel Brunello getankt? Zwei oder drei, gar vier?
    Hat er sich die verlorene Wahl etwa schön gesoffen?

    Fragen über Fragen, die dem wählenden Bürger wohl nie beantwortet werden!

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