Geert Wilders beendet die Tolerierung der niederländischen Regierung

Nach 18 Monaten ist heute (21. April) die Tolerierung der niederländischen Minderheitsregierung aus Christdemokraten und Liberalen durch die Rechtspopulisten unter Geert Wilders beendet worden. Vermutlich wird es binnen eines halben Jahres Neuwahlen geben. Es wären die fünften binnen 10 Jahren.

14,2 Milliarden Euro wollte die mitte-rechts-Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte in den nächsten 2 Jahren einsparen. Damit sollte die Netto-Neuverschuldung auf 2,8 % des Bruttosozialprodukts gedrückt und die sogenannten Maastricht-Kriterien der europäischen Union erfüllt werden. Kernpunkte des Sparprogramms waren die schnelle Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 66 Jahre, das Einfrieren der Beamtengehälter und Einsparungen bei der Entwicklungshilfe, aber auch andere Maßnahmen, vor allem Einschnitte ins soziale Netz. Seit dem 5. März verhandelten die Minderheitsregierung aus Christdemokraten und Rechtsliberalen und der Rechtspopulist Geert Wilders von der Freiheitspartei, der die Regierung toleriert, im Catshuis, dem Amtssitz des Ministerpräsidenten, über dieses Sparpaket. Die Popularität von Wilders hatte in den letzten Monaten nachgelassen. Gestern war die Koalition in Limburg, wo Wilders die meisten Wählerstimmen erhalten hatte, geplatzt, heute brach der Rechtspopulist die Verhandlungen ab. Es gab Beobachter, die dies aufgrund seiner schlechten Umfragewerte vorausgeahnt hatten, auch ich hielt es für möglich. Nun kann sich Geert Wilders angesichts der riesigen geplanten Sparsumme als Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit profilieren, indem er den Rentnern suggeriert, an ihm seien die unsozialen Sparpläne gescheitert. Allerdings hat er sie zuvor mit ausgehandelt.

Politische Beobachter in den Haag nehmen an, dass es erst im Herbst Neuwahlen geben wird. Das Kabinett Rutte ist ohnehin eine Minderheitsregierrung. Zwar hat sie jetzt im Parlament keine ständige Mehrheit mehr, aber offiziell hatte sie das in der Zeit der Tolerierung auch nicht. Das Kabinett muss die Königin also nicht direkt um seine Entlassung bitten. Zunächst wird es eine Debatte im niederländischen Parlament geben. Angesichts der Maßnahmen, die jetzt dringend beschlossen werden müssen, um der Wirtschafts- und Schuldenkrise Herr zu werden, möchte die Regierung versuchen, eine Art kleinsten gemeinsamen Nenner mit den Parlamentsfraktionen zu erwirken, welche Maßnahmen vor den Wahlen noch verabschiedet werden sollen. Nach einer Parlamentswahl liegt das politische Leben des Landes erfahrungsgemäß für mehrere Monate still, bis die neue Regierung gebildet ist. Das kann man sich aber derzeit nicht leisten. Während Geert Wilders bereits damit beginnt, sich als Held der sozialen Unterschicht zu profilieren, suchen die anderen Parteien händeringend nach einem Ausweg. Alle wollen vorerst wichtige Maßnahmen durchführen.

Die sozialistische Partei, die Grünen, die Sozialdemokraten und die Linksliberalen sind froh über das Ende der Tolerierung. Derzeit liegt die sozialistische Partei in der Sonntagsfrage weit vorn. Allerdings sinkt die Zustimmung in den Niederlanden bei linken Parteien erfahrungsgemäß, je näher der Wahltermin rückt.

Ich werde in den nächsten Tagen ausführlicher über die Regierungskrise in den Niederlanden berichten.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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