Kurzer Aufruf zur Europawahl

Den folgenden Beitrag habe ich für den Ohrfunk geschrieben. Ich dokumentiere ihn nur der Vollständigkeit halber.

Ich sag’s ja ungern, aber am kommenden Sonntag sind mal wieder Wahlen. Es sind die Wahlen zum europäischen Parlament, und sie sind wichtig. Gehen Sie wählen?

Ich weiß, dass viele Menschen diese Frage mit „nein“ beantworten werden. Alle Jahre wieder müssen wir versuchen, ihnen zu erklären, warum das Wählen gerade auch in Europa wichtig ist. Gegen den alles überrollenden Satz: „Die Machen ohnehin, was sie wollen“, kann man nur schwer argumentieren. Die Wahrheit ist aber, dass viele Dinge, die uns wichtig sind, von Europa aus entschieden werden, weil ein Land sie gar nicht mehr allein entscheiden kann.

Fangen wir mit des Deutschen Lieblingsthema Migration an. Nur gemeinsam können die Europäer die Flüchtlinge auf ganz Europa verteilen, es braucht dazu das Europaparlament. Und nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass überhaupt weniger Flüchtlinge kommen, indem wir uns nämlich um den Klimaschutz kümmern. Tun wir das nicht, werden es in 30 Jahren nach übereinstimmender Meinung der Wissenschaftler über 400 Millionen Flüchtlinge sein, die Nach Europa wollen, weil sie keine Heimat mehr haben, die durch unsere europäische Politik mit zerstört worden ist. Das alles haben viele Leute schon immer wieder gesagt, und tausende und abertausende von Wissenschaftlern haben es bestätigt. Wir wissen das alles. Es mangelt uns nicht an Aufklärung und Wissen, es mangelt uns an Einsicht in unsere Macht, an Initiative, an Mut, an Verantwortung und am Glauben in unsere Möglichkeiten.

Wir wissen auch, dass eine gerechte Sozialpolitik, eine Umverteilung durch eine Finanztransaktionssteuer zum Beispiel, nur durch ganz Europa zu machen ist und nur wenig nutzt, wenn Deutschland das allein versucht.

Für all dies brauchen wir ein europäisches Parlament, das sich seiner Verantwortung bewusst und bereit ist, an diesen Problemen mit den Regierungen und der EU-Kommission gemeinsam zu arbeiten. Die erste Voraussetzung ist aber, dass man spürt, dass es den Bürgerinnen und Bürgern nicht am Arsch vorbei geht.

Ich kann und will Ihnen nicht sagen, wen sie wählen sollen, ich glaube, Sie sind klug genug, sich die Leute auszusuchen, die die notwendigen Ziele am konsequentesten verfolgen. Was ich Ihnen aber sagen kann, ist, dass es nichts nützt, die Rechtspopulisten zu wählen. Wir sehen es gerade in Österreich. Da will ein Neonazi-Vizekanzler die heimische Wirtschaft an russische Oligarchen verkaufen, wenn die dafür das größte Presseorgan für die FPÖ kaufen, damit man missliebige Meinungen zum Schweigen bringen kann. Es geht ganz klar um die Abschaffung der Demokratie in Österreich, um den Umbau des Staates zu einem autoritären Staat. Und was passiert, wenn man solche rechten Saubermänner bei diesen kriminellen Absprachen erwischt? Sie brüllen, sie seien in eine Falle gelockt worden, das sei von Linken abgezogen worden, um sie zu diskreditieren. Wie erbärmlich kann man sein? Gesagt hat Heinz Christian Strache diese Dinge trotzdem, das kann er nicht leugnen. Aber nur 48 Stunden nach Veröffentlichung des kompromittierenden Videos gebärden sie sich schon wieder als Opfer. Eine große österreichische Zeitung kommentierte: Der Griff nach der Kronenzeitung wurde ihnen zum Verhängnis. Leider ist das wahr. Die Unterdrückung missliebiger Meinungen, die verfassungswidrige Nutzung der Geheimdienste, die Einschränkung der Pressefreiheit, die Lähmung der Demokratie, all das hat nicht zu Problemen geführt, erst der Videobeweis für die kriminelle Übernahme einer Boulewardzeitung. Bei der Europawahl rechneten die rechten Kriminellen mit Stimmenzuwächsen, trotz all der Unterdrückung und der Skandale. Die Sehnsucht nach einem Führer und einer harten Hand ist offenbar sehr groß in Österreich. Und auch nach dem Skandal ist es keineswegs sicher, dass die Rechten abgestraft werden, denn sie sind Meister darin, sich als Opfer darzustellen und den Inhalt ihrer kriminellen Äußerungen aus dem Blickfeld zu verdrängen.

Nur gemeinsam können wir dafür sorgen, dass die Rechtspopulisten in Europa nicht noch stärker werden. Jede nicht abgegebene Stimme ist eine Stimme für die Braunen in Europa, denn die mobilisieren ihre Unterstützer. Und sie versprechen sich, dass die Nationalisten in Europa nach der Wahl eng zusammenarbeiten werden. Das ist genau so widersinnig wie der Satz: „Uns, die wir glauben, dass die Erde eine Scheibe ist, gibt es auf dem gesamten Globus.“

Tun wir etwas gegen diesen Irrsinn. Gehen wir wählen, dann haben wir immer noch viele Möglichkeiten.

Der Podcast Lagebesprech widmete sich heute ausführlich und interessant der Europawahl in vielen Aspekten.

Auch in meinem Podcast haben meine Liebste und ich ein kurzes Gespräch zur Europawahl geführt und diesen Beitrag als Audio angefügt.

Über Jens Bertrams

Jahrgang 1969, Journalist bei www.ohrfunk.de, Fan der Niederlande und der SF-Serie Perry Rhodan.
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